Seit Mitte März ruht wegen der Coronavirus-Pandemie fast überall auf der Welt der Ball. Während die Deutsche Fußball Liga (DFL) mit einem umfassenden Hygienekonzept den Spielbetrieb wieder aufnehmen kann, suchen andere Länder nach einem Ausweg aus der Zwangspause.
Wann geht es endlich wieder los? Das haben sich viele Fußball-Fans in Deutschland gefragt und nun eine Antwort erhalten. In anderen Ländern sieht es noch düsterer aus, selbst Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit stehen dort nicht zur Debatte.
Frankreich
Im Prinzip wurde dem Verband und den Vereinen die Entscheidung abgenommen, als Premierminister Édouard Philippe Ende April ankündigte, dass selbst Geisterspiele in Frankreich vor September undenkbar seien. So blieb den Verantwortlichen der Ligue 1 nichts anderes übrig, als die Saison nach 28 von 38 Spieltagen für beendet zu erklären und die abschließende Tabelle anhand des Punktedurchschnitts der Teams zu errechnen. So sicherte sich das von Thomas Tuchel trainierte Paris Saint-Germain einmal mehr den Titel, absteigen müssen Toulouse und Amiens, das allerdings noch rechtliche Schritte gegen diese Entscheidung prüfen will. Auch Olympique Lyon hat ein juristisches Nachspiel angekündigt. Als Tabellensiebter hat OL erstmals seit 20 Jahren den Europapokal verpasst und ganz eigennützig auf Play-off-Spiele im August gedrängt.
Niederlande
In den Niederlanden ist die Saison 2019/20 ebenfalls bereits beendet worden, nachdem auch dort vonseiten der Politik genehmigungspflichtige Veranstaltungen bis September untersagt wurden. Doch anders als in Frankreich verzichteten die Verantwortlichen der Eredivisie darauf, einen Meister zu küren. Tabellenführer Ajax Amsterdam wird daher noch mindestens ein Jahr auf seinen 35. Titel warten müssen. Auch Auf- und Absteiger wird es nicht geben, sodass die Liga in der kommenden Saison in unveränderter Besetzung starten wird.
Spanien
„La Liga"-Präsident Javier Tebas ist vorsichtig optimistisch: „Wir hoffen, dass wir im Juni wieder anfangen und unsere Saison 2019/20 in diesem Sommer beenden können", teilte er Anfang Mai in einer Pressemitteilung mit. Damit das gelingt, sollen die Spieler lückenlos getestet und Mannschaftstrainings stufenweise ermöglicht werden. Zweiflern versucht Tebas mit Kennzahlen zur ökonomischen Relevanz des Fußballs in Spanien zu begegnen. Demnach finanziere der Profifußball in Spanien 185.000 Arbeitsplätze und trage rund 1,37 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.
England
Es war alles bereitet für den FC Liverpool. Gerade einmal sechs Punkte aus den letzten neun Spielen brauchte das Team von Jürgen Klopp noch für den langersehnten Gewinn der Meisterschaft. Es wäre der erste seit nunmehr 30 Jahren. Doch die Corona-Krise machten Klopp und Liverpool einen Strich durch die Rechnung. Groß ist nun die Hoffnung, dass es doch noch irgendwie klappen könnten mit dem Titel. Denn offiziell sind sich die 20 Clubs der Premier League auch einig, dass sie die Saison zu einem regulären Ende bringen wollen. Kein Wunder, immerhin stehen angeblich mehr als 860 Millionen Euro an Fernsehgeldern auf dem Spiel, sollte die Saison vorzeitig abgebrochen werden. Doch unter welchen Bedingungen es weitergehen soll, ist noch unklar. 14 Teams, darunter alle Spitzenclubs, präferieren die Idee, alle ausstehenden Partien auf zehn neutralen Plätzen auszutragen. Die restlichen Vereine aber wollen in ihren angestammten Arenen bleiben und spekulieren trotz der Geisterkulisse auf einen Heimvorteil. Als Zeitpunkt für den erhofften Wiederbeginn steht Mitte Juni im Raum, die nötige Zustimmung von Regierung und Gesundheitsexperten steht allerdings noch aus. Politisch ist das Projekt sehr umstritten.
Um das zu ermöglichen, sollen die Spieler – ähnlich wie in der Bundesliga – engmaschig getestet werden und strenge Hygieneregeln beachten. Gleichzeitig werden Ideen diskutiert, um einer möglichen Überbelastung durch den aufgestauten Spielplan vorzubeugen. Dazu gehören mehr als die bislang drei erlaubten Wechsel pro Spiel oder eine verkürzte Spielzeit.
Italien
Immerhin, Cristiano Ronaldo ist wieder im Lande. Der Superstar von Juventus Turin hatte sich rechtzeitig auf seine Heimatinsel Madeira abgesetzt und aus sicherer Entfernung verfolgen können, wie das Coronavirus in Norditalien wütete. Zurück in Turin muss der Portugiese zunächst eine zweiwöchige Quarantäne über sich ergehen lassen, ehe es in den möglichen Saison-Endspurt gehen soll. Die Liga ist gewillt, die restlichen zwölf Spiele auszutragen und hat dafür ein Zeitfenster bis zum 2. August geöffnet. Die erste Hürde ist bereits genommen, dann, ab dem 18. Mai, sollen laut Premierminister Giuseppe Conte wieder Mannschaftstrainings möglich sein. Damit letztlich auch die (Geister-)Spiele stattfinden können, erwartet die Regierung ein schlüssiges Konzept, das die Sicherheit aller Beteiligten garantiert. Sollte es das nicht geben, wird man laut Sportminister Vincenzo Spadafora „gezwungen sein, die Meisterschaft zu beenden".
Schweden
Das Königreich im Norden geht seinen eigenen Weg durch die Krise. Mit weitgehend geöffneten Restaurants, Bars, Geschäften und nur lockeren Kontaktbeschränkungen. Da überrascht es wenig, dass die Allsvenskan einen Saisonstart am 14. Juni vor Stadionpublikum anstrebt. Die drohende Ansteckungsgefahr nimmt Liga-Chef Mats Enquist in Kauf. Für ihn ist klar, „dass sich die meisten von uns mit Corona anstecken werden. Es ist nur eine Frage danach, dass wir die Ausbreitung der Krankheit nicht weiter intensivieren", erklärte er der „Bild". Allerdings fehlen sowohl das grüne Licht der Politik sowie ein nachhaltiges medizinisches Konzept. Bislang sind die ambitionierten schwedischen Pläne somit nicht viel mehr als ein frommer Wunsch. Ex-Bundesligaprofi Martin Dahlin jedenfalls ist wenig optimistisch, was den 14. Juni angeht: „Mit Zuschauern? Das glaube ich nicht."
Weißrussland und Taiwan
Zum Glück ist Alexander Lukaschenko nicht Arzt geworden. Denn seine Ratschläge zum Umgang mit dem Coronavirus lassen wenig medizinisches Verständnis bei Weißrusslands Staatschef vermuten. Fettes Essen helfe, reichlich Wodka vergifte das Virus von innen und selbstverständlich sei auch das Arbeiten in der Landwirtschaft eine gute Medizin, denn „die Leute auf dem Dorf arbeiten mit dem Traktor, keiner spricht über die Viren. Dort wird der Traktor alle heilen, das Feld wird alle heilen." Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich kein Wunder, dass die weißrussische Wysschaja Liga unbeirrt spielt, als wäre nichts gewesen. Sportminister Sergej Kowaltschuk verteidigt diese Entscheidung im ESPN-Interview: „Wir haben uns gedacht, dass es als zusätzliches Mittel dienen könnte, die Menschen von Depressionen zu befreien und Emotionen zu entflammen." Mit etwas weniger Pathos und umso mehr Pflichtgefühl erklärt Sergey Omelyanchuk, Co-Trainer beim Spitzenteam Dinamo Minsk, die Situation, denn „uns wurde gesagt, dass wir spielen, also spielen wir". Ein gewisser Respekt vor der Pandemie lässt sich in den Stadien trotzdem ausmachen. Der Zuschauerschnitt ist rapide gesunken auf gut 2.000 Besucher pro Spiel, im Vorjahr waren es noch doppelt so viele. Und auch der wohl bekannteste (Ex-)Fußballer des Landes ist kein Fan des weißrussischen Wegs. Aliaksandr Hleb, einst auch beim VfB Stuttgart unter Vertrag, kritisiert offen: „Jeder weiß, was in Spanien und Italien passiert. Das sieht nicht gut aus. Aber in unserem Land glaubt die Präsidenten-Bürokratie, dass es nicht so schlimm ist."
Mit seiner Einschätzung, die Fußballsaison unbeirrt weiterlaufen lassen zu können, steht Weißrussland allerdings nicht alleine da. Auch in Tadschikistan, Turkmenistan oder Nicaragua rollt der Ball. Und in Taiwan. Mit Erfolg, denn die Youtube-Livestreams der Taiwan Premier League mit Klassikern wie Taichung Futuro gegen Tatung boomen angesichts des globalen Mangels an Livesport. „Wir haben bis zu 10.000 Zuschauer pro Partie und bekommen viel positives Feedback von Fans aus aller Welt", weiß Liga-Generalsekretär Fang Jingren gegenüber „spox.com" zu berichten. Möglich ist all das, weil Taiwan nur in geringem Maß von der Corona-Pandemie betroffen ist. So sah die Regierung des Inselstaats keinen triftigen Grund, den Start der Premier League hinauszuzögern. Fans sind derzeit trotzdem nicht zugelassen.