Der Tourismus in Deutschland kann nach Lockerung der Corona-Regeln langsam wieder durchstarten. Die Freude bei den touristischen Anbietern ist allerdings nicht immer ganz ungetrübt.
Die mussten „mal eben“ 20 Boote von Mecklenburg-Vorpommern nach Brandenburg überführen. Zwar klingt ein Lachen in der Stimme von Dagmar Rockel-Kuhnle mit, dennoch merkt man, dass der relativ kurzfristig angekündigte Neustart für den Tourismus viele Betriebe vor gewaltige Herausforderungen stellt. Rund 60 Hausboote vermietet das an der Müritz ansässige Unternehmen Kuhnle Tours normalerweise von verschiedenen Stationen in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg aber auch in Polen und Frankreich. Nun, da die Bundesländer in der Corona-Krise wieder nach und nach touristische Aktivitäten zulassen, muss die Logistik teilweise komplett umgestellt werden. Schließlich gilt es, Hygienemaßnahmen ebenso umzusetzen wie Abstandsregeln und darüber hinaus unterschiedliche Regelungen in den verschiedenen Bundesländern zu beachten. So konnten am 15. Mai bereits im brandenburgischen Fürstenberg/Havel und in Zehdenick Boote vermietet werden – für den Hauptsitz der Firma an der Müritz war das aber laut Verordnung der Landesregierung erst zehn Tage später möglich. Sprich, wer sich ein Hausboot für eine Woche gemietet hatte, durfte auf Brandenburger Gewässern schippern. Wagte man sich aber zu weit Richtung Mecklenburg-Vorpommern und wurde dabei „ertappt“, konnte das eine Strafzahlung nach sich ziehen.
Solche und viele andere Auflagen machen Hoteliers, Ferienhausvermietern und anderen touristischen Betrieben den lang ersehnten Neustart nicht immer leicht – und sorgen bei den Gästen oft für Unsicherheit. Das bestätigt auch Renate Rebmann von Tourismus Marketing Niedersachsen, die eine „große Nachfrage“ verzeichnet – sowohl von Tourismusverbänden in den Regionen als auch von Kunden. In Niedersachsen dürfen nach dem „Fünf-Stufen-Plan“ seit dem 25. Mai Hotels, Pensionen und Jugendherbergen wieder öffnen – unter bestimmten Auflagen. Dazu gehört auch für Hotels und Pensionen eine sogenannte Sieben-Tage-Wiederbelegungsfrist. Was bedeutet, dass die Anreise jeweils nur an einem festgelegten Wochentag möglich ist – wenn Gäste weniger als sechs Nächte bleiben, darf das Zimmer dennoch erst wieder am nächsten Wiederbelegungstag vermietet werden. Dazu kommt, dass für Übernachtungsbetriebe eine maximale Belegung von 50 Prozent der Kapazitäten gilt. Für die meisten Betriebe, sagt Renate Rebmann, werde es aber erst ab einer Auslastung von 60 Prozent rentabel.
Viele Auflagen, große Unsicherheit
Und dann gebe es noch die Sonderregelungen auf den Inseln, die schließlich zu den beliebtesten Reisezielen innerhalb Deutschlands zählen. Norderney beispielsweise hat bereits einen Mindestaufenthalt von sieben Tagen für Feriengäste festgelegt. Da viele Insel-Urlauber aber sowieso Ferienhäuser oder -wohnungen mieteten, sei hier die Umstellung gar nicht so groß, meint Renate Rebmann von der Niedersachsen Tourismus Marketing. Schließlich gebe es da in der Regel sowieso einen festgelegten Anreisetag und einen wöchentlichen Belegungswechsel.
Dieser Wechseltag könnte künftig für die Vermieter besonders stressig werden, denn zur normalen Reinigung des Objekts kommt jetzt die gründliche Desinfektion. Auch Dagmar Rockel und ihr Team von Kuhnle Tours haben dafür schon Vorsorgemaßnahmen getroffen. Künftig sollen die von den Kunden zurückgebrachten Hausboote penibel desinfiziert, das gesamte Kücheninventar an Land gebracht und in einer Industriegeschirrspülmaschine gereinigt werden. Was sich bei bis zu 40 Bootsrückgaben pro Tag zu einer logistischen Herausforderung entwickeln könnte, schmunzelt Rockel. Weitere strenge Hygieneauflagen gelten für Bereiche, wo sich viele Gäste begegnen könnten – Sanitäranlagen und Waschküchen in den Häfen sowie das Hafenbüro. Übertragen auf Hotels und andere Übernachtungsbetriebe wären das beispielsweise Frühstücksräume, die Lobby sowie andere für alle Gäste zugänglichen Aufenthaltsbereiche.
Doch Urlaub besteht nicht nur aus der Übernachtung und der gastronomischen Versorgung. Wie sieht es mit der Lenkung von Besucherströmen an Sehenswürdigkeiten und Stränden, an beliebten Badeseen oder gar in Freizeitparks aus? Der Europa-Park in Baden-Württemberg beispielsweise hat gerade erst wieder für Besucher geöffnet und hat dafür ein ausgeklügeltes Besuchermanagement entwickelt. So gibt es nur noch datumsgebundene Online-Tickets – maximal 15.000 Besucher sind pro Tag noch zugelassen. Zum Vergleich: Vor Corona hatten mitunter täglich bis zu 50.000 Menschen den Freizeitpark bei Rust besucht.
Ob nicht auch schon 15.000 Tagesgäste eine ordentliche Herausforderung bezüglich der Abstandsregeln sind? Engelbert Gabriel, Sprecher des Europa-Parks, sieht das relativ gelassen, die Anlage sei so weitläufig, dass sich diese Anzahl an Gästen gut verteilen werde. Und überall da, wo es eng werden könnte – in Warteschlangen vor den beliebtesten Achterbahnen zum Beispiel – sollen Mitarbeiter des Parks sowie digitale Hinweistafeln die Besucherströme lenken und zu große Ansammlungen verhindern. Man arbeite seit Wochen auf Hochtouren daran, sagt Gabriel, das Gelände entsprechend vorzubereiten – die Bodenhinweise anzubringen, die digitalen Wegweiser und Stauampeln zu montieren, auch eine App ist in Planung. Jetzt sei man vor allem froh, dass es „endlich wieder losgehe“. Gleichzeitig erwartungsvoll, aber auch angespannt, werde sich doch in den ersten Tagen nach der Wiedereröffnung zeigen, ob das so sorgfältig erarbeitete Konzept wirklich aufgehe und welches Feintuning man noch vornehmen müsse.
Wie managt man den Besucherverkehr?
Ähnlich froh, aber auch ein wenig nervös ist man im bayerischen Oberstaufen im Allgäu. Gerade wurde beschlossen, dass das im vergangenen Jahr aus der Taufe gehobene Bergsommerfestival auch in diesem Jahr wieder stattfinden soll. Vier Tage lang werden Mitte Juli dann rund um die Bergstation der Imbergbahn Bands auftreten und Filme im Freien gezeigt. Dazu gibt es eine Reihe von Outdoor-Aktivitäten. Alles in relativ übersichtlichem Rahmen, versichert Katharina Klawitter von Oberstaufen Tourismus. 200 bis 300 Gäste würden erwartet, und für die gäbe es oben auf etwa 1.300 Meter Höhe genug Platz, sodass die Abstandsregeln selbst während der Konzerte problemlos eingehalten werden können.