Die ersten Tage nach der Wiedereröffnung der Gastronomie sind vorbei. Anlass, einmal bei einigen Betreibern nachzuhören, wie es ihnen seither ergangen ist. Alle sind froh, wieder da zu sein. Enthusiastisch ist niemand.
Am 18. März mussten Gaststätten und Restaurants schließen. Das war ein herber, nie dagewesener Schlag. Bei einigen Betreibern löste dies eine regelrechte Schockstarre aus, andere versuchten zügig, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Wieder andere nutzten die Zeit und strichen ihre Restaurants mal wieder. Arbeiten, die immer liegen geblieben waren, standen plötzlich auf dem Zettel. Doch irgendwie auch Stillstand.
Seit 18. Mai dürfen die Restaurants – wenn auch nur unter sehr strengen Auflagen – wieder öffnen. Nicht aber viele Wirtshäuser und Kneipen, mit diesen Auflagen ist noch kein Thekenbetrieb erlaubt. Derzeit ist nichts mehr, wie es vor gut zweieinhalb Monaten noch war.
Ich mache mich auf zu einem Spaziergang durch die Stadt, um nachzuhören, wie es seit den Lockerungen läuft. Ich besuche Achim Sprengart, der so manchem Gastronom eine Immobilie vermittelt hat, Betreiber berät und auch in der Musikszene tätig ist, die derzeit ebenfalls am Boden liegt. „Während der Corona-Krise stellte ich fest, dass die meisten Gastronomen den Kampf gegen die Situation aufgenommen haben", erzählt er. „Nach anfänglicher Ratlosigkeit sind viele dazu übergegangen, einen Abhol- oder Lieferservice einzurichten. Ich denke, einige werden dies auch nach der Krise beibehalten", ist er sich sicher.
„Aktuell werden wir wohl noch etwas brauchen, bis weitere Lockerungen so greifen, dass Betreiber ein Umsatzziel erreichen, von dem sie leben können." Sprengart hofft einerseits auf einen Rettungsschirm für die Gastronomie seitens der Politik in Form von Zuschüssen, andererseits auf eine Senkung der Mehrwertsteuer nicht nur auf Speisen, sondern auch auf Getränke. Entwarnung ist also noch lange nicht in Sicht. Erste Gastronomen haben bereits aufgegeben, etwa die „Weinpost" in Orscholz und der „Fischweiher" in Differten.
Entwarnung ist noch lange nicht in Sicht
Ich setzte meinen Spaziergang fort und gehe einen Kaffee trinken – in Alt-Saarbrücken bei „Fredrik". Mir wird an diesem sonnigen Morgen ein Platz auf der Terrasse zugewiesen – freie Platzwahl, das war einmal. Ich sitze kaum, da betritt Betreiber Oliver Häfele das Kaffeehaus. Er ist ein Tausendsassa in der Gastroszene. Er betreibt noch die Tapas-Bar „Zapata" in der Mainzer Straße, den „Lesepavillon" und den Tretbootverleih im Deutsch-Französischen Garten sowie sein „Loft" am Eschberg. Auch er muss kämpfen: „Im Zapata konnten wir mit freundlicher Hilfe des Nachbarn den Garten etwas vergrößern. Hier im ,Fredrik‘ haben wir ein paar Trennwände eingebaut, so etwas Großstadtdschungel. Den ,Lesepavillon‘ konnten wir erst am 23. Mai eröffnen. Und der Tretbootverleih kann erst starten, wenn es erlaubt ist. Eins nach dem anderen."
Er ist froh, dass es langsam wieder losgeht, wenn auch sehr verhalten. „Überall ist wenig los." An anderer Stelle bekommt er das besonders zu spüren. „Unser ganzer Eventbereich liegt weiterhin brach, im ,Loft‘ am Eschberg herrscht tote Hose! Das ist für uns das eigentliche Drama. Nur Stornierungen, keine Betriebsfeiern. Das ist alles weg. Und es betrifft ja nicht nur uns, es betrifft ja auch Musiker, Fotografen und Techniker." Und weiter: „Wir verlieren monatlich etwa 25.000 Euro. Lagerhaltekosten, Autos und Leasingverträge laufen ja weiter. Ende des Jahres habe ich wohl 200.000 Euro Schulden. Ich versuche gerade, mein Geschäftskonzept umzustrukturieren, mich neu zu erfinden. Ich brauche einfach Zeit. Zu schließen ist keine Option. Wir haben ja auch Hilfen bekommen, auch ein Darlehen. Ob alles funktioniert, wie ich es plane, kann allerdings kein Mensch vorhersehen!"
Mit der Schließung der Gastronomie haben auch viele Studenten ihre Minijobs verloren. Geld, das umgekehrt
fehlt, um es auszugeben.
„Läuft das Sommergeschäft nicht, war’s das"
Ich schlendere weiter und besuche das „Milano", ein italienisches Restaurant, das ich seit meiner Jugend kenne. Vincenzo Doriguzzi, der Hausherr, ist verhalten zuversichtlich: „Seit dem 18. Mai haben wir wieder geöffnet. Es läuft sehr wenig, aber jeden Tag besser! Ich hoffe auf eine Normalisierung." Weiter geht es zur „Tomate 2" am Schlossplatz. Sibille Strauch-Ortleb betreibt ihr schönes Lokal mit großer Terrasse hier seit 33 Jahren. Sie ist froh, dass sie wieder öffnen konnte, trotz aller Widrigkeiten. Mindestabstand von 1,5 Meter einhalten, Handhygiene, Kontaktbeschränkung beachten, auf Umarmungen und Händeschütteln verzichten, Registrierungspflicht beachten, Mundschutz tragen, Gäste müssen dies beim Betreten des Lokals und beim Toilettengang beachten, Nies- und Hustetikette wahren, Abstände auf dem Toilettengang, bargeldlos zahlen – die Liste dessen, was zu beachten ist, ist lang. „Wir haben am 15. März zugemacht", erzählt Strauch-Ortleb, die auch Angst um ihr Personal hatte. „Wir haben diese neun harten Wochen überbrückt und auch niemanden entlassen. Drei Angestellte haben wir in Kurzarbeit geschickt, die Aushilfen weiter finanziert. Gott sei Dank gab’s vom Land und vom Bund Geld. Doch das sind gerade drei Monatsmieten, damit kann man nicht überleben" erklärt sie. „Also hat sie einen Kredit beantragt und wird wohl länger arbeiten müssen, um diesen wieder abbezahlen zu können. Dennoch betont sie: „Ich bin allen dankbar für die Hilfen. Wenn aber jetzt noch etwas passiert und das Sommergeschäft nicht läuft, dann war’s das. Uns trifft das mit der Reservierungspflicht hart, bei uns kommen Gäste eher spontan."
Auf meinem Weg Richtung St. Johanner Markt treffe ich Jürgen Petry. Der 72-Jährige hat in seinem Leben etwa 20 Gastronomien unterschiedlichster Färbung betrieben. Auch er ist zurückhaltend: „Die Umsätze laufen mit 50 Prozent – was nicht kostendeckend ist." Egal wo ich hinkomme: Auf begeisterte Gastronomen treffe ich nirgends.
Krisen bergen aber auch immer Chancen. So führt mich mein Weg zu „Hilde & Heinz" in die Mainzer Straße. Christian Probst und Michael Arnold schlossen auch schon sehr früh, am 16. März. Sie kümmerten sich in dieser Zeit um Aufgaben, die vorher liegenblieben. Dann kam ihnen eine Idee, zusammen mit den Jungs von Blue Future und deren Wasserprojekt: „Wir entwickelten zusammen ein Projekt, erst einmal für eine Woche. Jeder bekommt ein Mittagessen und eine Flasche Wasser. Bezahlen kann jeder, was es ihm wert ist. Wer kein Geld hat, bezahlt nichts. Das funktionierte hervorragend, viele Menschen, auch Künstler, waren glücklich über dieses Angebot. Dazu haben wir in der Krise gelernt: Wir öffnen jetzt auch mittags!"
Kneipen und Wirtshäuser in den Startlöchern
Und wie sieht es außerhalb der Landeshauptstadt aus? Ein Anruf bei Tamara Burbach und Heike Kern in der „Niedmühle" in Eimersdorf: „Wir sind froh, Hotel und Restaurant wieder geöffnet zu haben. Wir werden aufgrund des tollen Feedbacks unseren Abholservice weiter anbieten." Und auch im „Beim Thea" in Elm-Sprengen machte man diese Erfahrung: „Nachdem wir uns der Pandemie hingeben mussten, dürfen wir jetzt die Pforten wieder öffnen. Dank unserer treuen Kundschaft lief unser Außer-Haus-Abholservice, den wir auch weiterhin beibehalten. Trotz der hohen Corona-Auflagen sind wir mit der ersten Woche sehr zufrieden. Wir danken unseren Gästen für ihr Kommen und ihre Geduld."
Die Gastronomie stellt sich gerade neu auf. Kneipen und Wirtshäuser öffnen jetzt Anfang Juni. Eingeschränkt natürlich. Es wird wohl noch länger nichts so sein, wie es einmal war.