Nach dem Re-Start der Bundesliga haben sich vor allem zwei deutsche Spieler in den Vordergrund gespielt: Florian Neuhaus und Florian Wirtz. Beide stehen an unterschiedlichen Punkten ihrer Karriere, Schlagzeilen produzieren sie trotzdem.
Für den einen startet gerade das Abenteuer Bundesliga, der andere spielt sich in den engeren Kreis der Nationalmannschaft. Lediglich der Vorname ist der Gleiche – doch für volle Zeitungen sorgen sie beide.
Florian Wirtz ist gerade 17 Jahre und 34 Tage jung gewesen, als er sich den alleinigen Rekord als jüngster Torschütze der deutschen Bundesliga erspielte. In der 89. Minute im Spiel gegen Bayern München, als das Spiel mit 1:4 längst entschieden ist, kombiniert sich Leverkusen durch den Strafraum der Münchner. Paulinho findet auf der rechten Seite Florian Wirtz, mit einem eleganten Haken legt der sich den Ball vom rechten auf den linken Fuß, lässt dabei Lucas Hernández, Weltmeister und 80-Millionen-Mann, aussteigen. Gefühlvoll schlenzt er den Ball dann unhaltbar für Manuel Neuer ins lange Eck. Dieser junge Mann, war vor fast einem Monat noch 16 Jahre jung, mittlerweile findet er sich in den Geschichtsbüchern wieder. Peter Bosz, sein Trainer und als Holländer bekannt dafür, jungen Spielern eine Chance zu geben, sah in dem Jungen schon gleich etwas Besonderes, mittlerweile hat er sich zu einem festen Kaderbestandteil entwickelt. Jörg Jakobs, der frühere Sportdirektor und Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des 1. FC Köln, dem langjährigen Verein von Wirtz, lobt den Junioren-Nationalspieler in höchsten Tönen: „Florian kann alles, hat enormen Spielwitz, starke Technik, unglaubliche Spielintelligenz, ist schnell mit dem Ball, kann dribbeln." Sein Gespür für besondere Momente stellte Wirtz bereits im vergangenen Jahr unter Beweis, als er noch beim FC in der B-Jugend spielte. Als er fünf Sekunden nach Anpfiff aus 55 Metern ins gegnerische Tor traf, wurden Forderungen zur Wahl zum „Tor des Jahres" laut. Florian Richard Wirtz, wie der Youngster mit vollem Namen heißt, begann seine Karriere beim SV-Grün Weiss Brauweiler, in einem Kölner Vorort. Mit sieben Jahren schloss er sich 2010 dem FC an und durchlief dort die Jugendabteilungen. Zuletzt war er noch Teil der U17 im Geißbockheim, mit der er sich in der vergangenen Saison den Deutschen Meistertitel sicherte. Im Finale der Meisterrunde setzte er sich mit seinem Team gegen die B-Jugend von Borussia Dortmund und ein anderes deutsches Top-Talent durch – BVB-Stürmer Youssoufa Moukoko. Im Winter wechselte Wirtz nicht ganz konfliktfrei auf die andere Rheinseite, obwohl es zwischen den Kölnern, den Leverkusenern und Borussia Mönchengladbach die Abmachung gibt, dass man sich gegenseitig keine Jugendspieler abwerbe.
Entdecker lobt: „Er kann alles"
Doch für diesen speziellen Spieler, der seit Jahren für seine technische Finesse und sein feines Gespür für enge Räume bewundert wird, setzte sich Bayer über das Agreement hinweg. Sportgeschäftsführer Rudi Völler schrieb im Winter in einer „Kicker"-Kolumne, dass Wirtz „überraschenderweise auf dem Markt und wechselwillig" gewesen sei. „Es wäre grob fahrlässig gewesen, nicht in die Verhandlungen einzusteigen." Doch nicht nur das sportliche Paket soll gestimmt haben. Das Leverkusener Stadion sei nur 25 Kilometer von seinem Elternhaus entfernt, sodass Wirtz sein Abitur beenden kann. Zudem spielt seine älteste Schwester Juliane im ersten Team der Bayer-Frauen.
Sein Debüt gab Wirtz beim Liga-Neustart gegen Werder Bremen, bei dem er anstelle des verletzten Lars Bender nominiert und dadurch zum drittjüngsten Spieler der Bundesligageschichte wurde. Wirtz bearbeitete von Beginn die rechte Außenbahn. Gegen den VfL Wolfsburg durfte er immerhin eine Halbzeit lang ran. Später wurde er auch gegen Freiburg und nun gegen die Bayern eingesetzt. Bei den Leverkusenern fand er sich dann in der U19 wieder, durfte dann aber im Quarantäne-Trainingslager mit den Profis trainieren – und überzeugte Trainer Bosz von seinen fußballerischen Fähigkeiten. Viel Zeit ist nicht vergangen, von diesem Trainingslager, bis zu seinem ersten Bundesligator. Und obwohl Bosz ihn als „Riesentalent" adelt, macht er deutlich, dass Wirtz noch sehr viel zu lernen hat: „Dieser Junge hat heute seine beste Lektion bekommen, seit er Fußball spielt", sagte der Niederländer nach dem Spiel gegen die Bayern. „Bei den ersten drei, vier Ballkontakten hat er den Ball immer verloren. Aber er ist ein guter und intelligenter Spieler. Er nimmt das an und wird daraus lernen, dass man in der Bundesliga wenig Zeit hat." Auch die eigenen Teamkollegen hat Wirtz bereits überzeugt. „Er ist unfassbar weit. Fußballerisch ist das sensationell", sagte Abwehrchef Sven Bender: „Ich glaube, da haben wir uns ein Riesentalent geangelt."
„Ein Riesentalent geangelt"
Ein wenig weiter in seiner Entwicklung ist Florian Neuhaus, dessen Karriere schon vor ein paar Jahren begann. Schon im Jahr 2017 hatte Mönchengladbach Neuhaus vom TSV 1860 München verpflichtet, ihn dann aber zunächst für ein Jahr an den damaligen Zweitligisten Fortuna Düsseldorf ausgeliehen. Dort schlug er sofort ein und hatte maßgeblichen Anteil am Bundesliga-Aufstieg des Clubs. In seiner ersten Bundesliga-Saison kam der gebürtige Oberbayer auf acht Torvorlagen und drei eigene Treffer. Betrachtet man Tore und Vorlagen, liefert Neuhaus bislang sehr konstant gute Spielzeiten ab. Gleichzeitig hat sein Spiel aber auch einen enormen Reifeprozess erlebt. Neuhaus agiert mutiger und zielstrebiger, trifft dabei öfter die richtigen Entscheidungen und ist somit zum Antreiber der wuchtigen Mönchengladbacher Offensive geworden. Seine Laufwege erinnern dabei zuweilen an Thomas Müller, mit dem sich Neuhaus das besondere Gespür für Räume teilt. Auffassungsgabe und Handlungsschnelligkeit sind seine Stärken, was mitunter auch in Traumtoren wie seinem 40-Meter-Lupfer gegen den 1. FSV Mainz 05 mündet. Ansonsten überlässt Neuhaus das Spektakel und die markigen Sprüche jedoch lieber seinen Mitspielern. Er selbst bleibt lieber im Hintergrund. Bodenständig wird er deswegen häufig genannt, Neuhaus selbst nennt es „normal". Welchen Stellenwert er innerhalb des Teams genießt, erfährt man deswegen am besten in den Aussagen seiner Kollegen. So sagte etwa Marcus Thuram Mitte Februar nach dem 4:1-Sieg gegen Düsseldorf: „Wenn ich Bundestrainer wäre, würde ich ihn hundertmal anrufen."
Einen Anruf, den Neuhaus selbst tätigte, war der beim Kauferinger Bürgermeister Thomas Salzberger. Denn seinem Heimatort spendete Neuhaus ganze 250.000 Euro zur Bewältigung der Corona-Krise. 150.000 Euro werden in den sozialen Bereich fließen, die restlichen 100.000 Euro sollen der heimischen Wirtschaft zugutekommen. Florian Neuhaus denkt hier besonders an die gebeutelte Gastronomie, an Einzelhandelsgeschäfte wie die Spielkiste, den Blumenladen von Familie Konrad oder auch Friseurgeschäfte. „Das Geld soll helfen, dass die Betriebe überleben."
Großes soziales Engagement
Für größere Schlagzeilen sorgt Neuhaus aber wiederum auf dem Platz. Er erzielte das 3000. Bundesligator in der Geschichte von Borussia Mönchengladbach und ist aus dem zentralen Mittelfeld der Borussia nicht mehr wegzudenken. Und dennoch gibt es einen Haken: Es wäre noch mehr drin gewesen für den Mittelfeldspieler. Beim 0:0 gegen Werder Bremen stellte er mit sechs Torschüssen einen persönlichen Karriererekord auf, der Rest des Teams kam gemeinsam nur auf drei Versuche. „Ich werde an meiner Schusstechnik arbeiten, damit so ein Ding mal reingeht", kündigte Neuhaus an. Nun gegen Freiburg kratzte er wieder am Schussrekord. Doch diesmal fiel neben der Masse vor allem die Klasse der Chancen ins Auge: In der 26. Minute spielte ihn Marcus Thuram glänzend frei. Im Duell mit Keeper Alexander Schwolow entschied sich Neuhaus für einen zu umständlichen und zu zaghaften Abschluss, obendrein versaute er Patrick Herrmann den Nachschuss, weil er – im Abseits stehend – an den Ball ging.
Trotz des kläglichen Ausgangs der Szene steckte jedoch alles drin, was Neuhaus zum potenziellen Nationalspieler macht: Erst ließ er sich als Sechser im Spielaufbau links neben die beiden Innenverteidiger fallen, dann erzwang er einen Fehlpass und stieß Sekunden später in den Strafraum vor. Nur eben ohne Happy End. Dennoch dürfte Bundestrainer Joachim Löw Spaß haben an so einem Sechser-Achter-Zehner-Hybrid.