Eine Woche mit Teenagern im Kanu unterwegs – kann das gut gehen? Und wie! Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit und man plant bei den Etappen genügend Zeit für Wasserspaß ein. Gelegenheiten dazu bietet die Mecklenburgische Kleinseenplatte, Deutschlands größtes Wassersportrevier, mehr als genug. Paddelabwechslung sowieso.
Mecklenburg statt Mittelmeer, Bahn- statt Autoanreise, sieben Tage im Kanu und Zelt statt im Ferienhaus: So lautete unser Plan. Doch nach kleinen Anfangshürden – auf dem Fußweg vom Mirower Bahnhof zur „Kanustation Granzow" werden wir von einem Schauer durchnässt, um dann auf der Campingwiese ungewollt einer lautstarken Studentenfeier beizuwohnen – kommen spätestens am Folgetag Zweifel auf, ob das alles eine gute Idee war. Denn nach rund drei Kilometern werden aus dem Teenie-Kanadier die ersten „Ich kann nicht mehr"-Rufe laut. Was also tun, wenn die 13- und 14-jährigen Mädels vom vielleicht etwas zu ambitionierten Pensum überfordert sind? Neuerlicher Regen für nasse Klamotten und Demoralisierung sorgt? Die von uns gewählte Sieben-Tage-Rundtour geht schließlich nur auf, wenn wir pro Tag 15 bis 20 Kilometer schaffen. Macht, da man es zwar nicht mit Strömungen, aber auf größeren See durchaus mit Gegenwind zu tun haben kann, vier bis fünf Stunden Paddeln – für unerfahrene Kanuwanderer nicht ohne.
Gegenwind auf größeren Seen
Doch zum Glück kommt es anders. Zum einen wird das Wetter jeden Tag wärmer, und wir werden keinen einzigen Tropfen mehr abbekommen – ein eher typisches als ungewöhnliches Sommerszenario. Zum anderen finden wir zunehmend unseren Rhythmus, kriegen das mit dem kraftvollen Paddeleinstechen samt leichter Drehung immer besser hin – gut für eine geradlinige Fahrt. Ferner tauschen wir die Kanadier-Konstellationen durch und legen öfters Pausen ein. Notgedrungen auch an so mancher Schleuse, die in dem einmaligen Geflecht aus Hunderten von Seen, Kanälen und Flussläufen in puncto Wasserstand für Ausgleich sorgen. Wobei wir allerorts mitkriegen: Das Wasserlevel ist heuer viel zu niedrig. Bei der motorisierten Schifffahrt sorgt das schon für Einschränkungen, die vielen Kanuwanderer schränkt das hingegen nicht ein.
Erstes Highlight ist das „Bibercamp", idyllisch am Labussee gelegen. Wir bauen die in wasserdichten Tonnen mittransportierten Zelte am Ufer auf, gleich neben anderen Bootswanderern, denen man sich generell verbunden fühlt („viel cooler als die Hausbootfahrer!"). Vom Holzsteg, der den Mädchen tags drauf als Yogaplattform dient, hüpfen alle mit Wonne in den rund 24 Grad warmen See, bevor es Pasta mit Tomatensauce gibt, inklusive rotem Wein und Blick in die rote Abendsonne. Kitschig? Real! Selbst die befürchteten Stechmückenhorden treffen wir nicht. Liegt’s am August?
Auch in den kommenden Tagen lernen wir großartige Stellplätze kennen, die eines vereint: Sie sind einfach, aber gut, günstig, sauber und nachts auch ziemlich leise. Das gilt auch für das „Naturcamping am Großen Pälitzsee", wo eine Schwimm- und Springplattform für Spaß und abends ein Feuer für knisternde Atmosphäre sorgt. Auch hübsch: der Campingplatz „Zum Hexenwäldchen" bei Kakeldütt, der mit schnuckeligen Plätzchen am Wasser und netten Gimmicks von der See-Naturschaukel bis zum Streichelgehege vor allem alternativ angehauchte Familien zu gefallen scheint.
Doch um alle Vorzüge der zahlreichen Camps auszuprobieren, fehlt leider oft die Zeit. Denn nach dem Frühstück wird zügig zusammengepackt, bevor es wieder losgeht mit meist zwei Stunden Paddeln. Die längere Mittagspause findet mal in einem Restaurant am Kanal statt (am überdurchschnittlichen Hunger der Mädels merkt man, was sie paddeltechnisch leisten), mal auf einer Wiese mit Bademöglichkeit. Einmal fahren wir mit dem Kanu ins Zentrum von Wesenberg, um dort einen kleinen Stadtrundgang zu machen. Kulturschock! Allzu lang gehen solche Landgänge aber sowieso nicht, denn es ruft die Paddelpflicht, sollten wir doch jeweils bis spätestens 18 Uhr an einem Zeltplatz ankommen. Klingt stressig? Ist es aber mitnichten. Wohl aber intensiv, vor allem da es immer etwas zu sehen und zu entdecken gibt.
Die Szenerie ändert sich ständig
Allein weil sich die Szenerie permanent ändert: Seen, Kanäle, Flussläufe – alles stets im angenehmen Wechsel, und im grünen Bereich, mal umrahmt von Kiefern, mal von Schilf oder anderem undurchdringlichem Gewächs. Mal passieren wir entzückende Bootshäuser, mal Freibäder mit ordentlichem Rummel, mal kleine Dörfer. Sind die ersten Tage rund um Mirow und Richtung Rheinsberg noch von größeren Seen geprägt und entsprechend vielen (Haus-)Booten und den trendigen Wohnflößen, gestalten sich die weiteren Tage ganz anders.
Genau genommen wird es hinter der Useriner Schleuse – witzig: die in Eigenregie zu bedienende Bootsschleppe, die gute Dienste leistet, wenn der Schleusenwart Feierabend hat – schlagartig ruhiger. Kein Wunder, hier dürfen Motorboote nicht mehr fahren. Sie könnten es auf der hinter dem Useriner See auch immer schmaler werdenden Havel auch gar nicht. Zum Teil müssen wir selbst mit unseren Kanus bangen, ob wir nicht aufsetzen, an Ästen hängenbleiben oder im Schilf landen, weil die Fahrspur so zugewachsen ist. Die Strecken im Nationalpark Müritz hier sind jedenfalls wildromantisch, der strömungslose Fluss führt mal alleenartig durch die Landschaft, mal windet er sich durch Erlenbruchwälder. Unterbrochen wird die Havel immer wieder von Mini-Seen mit Röhricht und Teichrosen – inklusive, Kranichen, Kormoranen, gar Seeadlern. Das Überraschendste aber sind die Mädchen. Mussten in den ersten Tagen die Erwachsenen die beiden vor lauter Erschöpfung auch mal über längere Strecken in Schlepptau nehmen, setzen sie nun ungeahnte Kräfte frei. Und beim Powerpaddeln wird auch noch gequatscht, gesungen und gestaunt. Über riesige Seerosenteppiche, kleine Wasserschlangen und darüber, dass wir nach einem kurzen Bus-Shuttle Bus, der das Stück von Babke zum Leppinsee überbrückt, gar nicht mehr weit bis Granzow haben. Das spornt zusätzlich an: Die Mädchen sind zehn Minuten vor den Erwachsenen am Ziel.
Geführte Vogelwanderung
Vielleicht spornt sie auch die Aussicht auf ein paar Tage ohne Paddeln und Zelten an. Denn die haben wir im Anschluss gebucht, quasi ein Relax- und Kontrastprogramm als Belohnung. Und das ist zum Greifen nah, gerade einmal 20 Taximinuten sind es bis zum „Ferienpark Müritz" in Rechlin. Als wir dort ankommen, verstehen wir sofort, warum hier am wunderschönen Südostufer von Deutschlands größtem Binnensee reihenweise Familien absteigen. Zum einen sorgt die Top-Infrastruktur mit ihren netten Appartements, dem Strandbad, Beachvolleyballfeld und einem Burger- und Bar-Trailer am zentralen Uferplatz für Kurzweil, und zum anderen ist es die attraktive Umgebung. Doch der RadÂausflug zur geführten Vogelwanderung im nahen Müritz-Nationalpark und der Abstecher in die nette Kleinstadt Röbel kommen bei den Teenies nicht so gut an. Nach zwei herrlichen Ausspanntagen an Land wollen sie nur eins: zurück aufs Wasser. Aber statt in die Kanus geht es diesmal auf Stand-Up-Paddle-Boards und für eine größere Ausfahrt danach ins gemietete Mini-Motorboot. Als wir dabei jedoch einige Wasserwanderer aus dem Bolter Kanal, der die Verbindung zwischen der Müritz und „unserem" bereits passierten Leppinsee ermöglicht, paddeln sehen, sind sich alle an Bord einig: Das beste Gefährt ist und bleibt das Kanu.