Das Profi-Team von Hertha BSC hat noch nie das Finale im DFB-Pokal erreicht, seit dieses in Berlin ausgetragen wird. Heute starten die Blau-Weißen den nächsten Anlauf.
Was haben die heutigen Drittligisten Bayer 05 Uerdingen (inzwischen KFC Uerdingen 05), 1. FC Kaiserslautern sowie Zweitligist Hannover 96 gemeinsam? Sie konnten sich seit 1985 allesamt in die Siegerliste des DFB-Pokals eintragen – also: seit das Endspiel regelmäßig im Berliner Olympiastadion stattfindet. Und die aktuellen Viertligisten Energie Cottbus, Alemannia Aachen oder Fünftligist Stuttgarter Kickers? Sie erreichten in dieser Zeit zumindest das Endspiel dieses Wettbewerbs. Auch die Hertha-BSC-Amateure stießen als Drittligist 1993 ins Finale vor – die „Bubis" scheiterten aber denkbar knapp am haushohen Favoriten Bayer Leverkusen (0:1). Die Profis der Blau-Weißen jedoch – das ist inzwischen hinlänglich bekannt – schafften es noch nie, das Pokalendspiel im „eigenen Wohnzimmer" zu erreichen. Zweimal hatten es die Hauptstädter vor der Premiere in Berlin ins Finale geschafft: 1977 gegen den 1. FC Köln und 1979 gegen Fortuna Düsseldorf erwies sich das Niedersachsenstadion in Hannover jedoch jeweils als schlechtes Pflaster für die Realisierung des ersten Pokalsiegs der Vereinsgeschichte. Der nationale K.-o.-Wettbewerb und Hertha BSC: Das sind also zwei Dinge, die bis heute nicht so recht zusammengefunden haben. Beinahe scheint die Aussicht auf das „Endspiel zuhause" sogar als Hemmschuh zu wirken: In den bislang 35 Austragungen seit Festlegung des Olympiastadions als Finalort schieden die Berliner 22-mal spätestens in der zweiten Runde aus – und nicht immer war es Los-Pech, das dafür verantwortlich war. Unter den Kontrahenten, die den Favoriten in dieser Zeit aus dem Wettbewerb warfen, finden sich etwa auch der FC Gütersloh, SC Jülich 1910, Lok Stendal, TuS Koblenz oder Wormatia Worms. Unter Trainer Pal Dardai (2015 bis 2019) wurde das Erreichen des Endspiels sogar ganz oben auf die Agenda gesetzt, doch „unser großer Traum" (O-Ton Dardai) blieb auch in der Ära des ungarischen Vereinsidols unerfüllt.
DFB-Pokal und Hertha passen nicht zusammen
Dabei braucht es letztlich fünf Siege, um am Ende in Berlin dabei zu sein. Da die Finalteilnahme in den letzten Jahren zumeist auch bereits die Qualifikation für den europäischen Wettbewerb zur Folge hatte, ist der Pokal eigentlich das perfekte Ziel für Hertha BSC und seine neuen Ambitionen. In der Saison 2021/22 international dabei zu sein, das haben sich zumindest ja die Investoren um Lars Windhorst auf die Fahnen geschrieben. Doch von Seiten der Hertha-Verantwortlichen wurde das Thema „DFB-Pokalfinale" diesmal nicht ins Zentrum des Interesses gerückt. Mit Zweitliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig haben die Blau-Weißen dabei nominell eine der schwersten Aufgaben aus dem Lostopf der Amateure erhalten. Im Vergleich zu vorherigen Erstrundenspielen fallen durch die Coronavirus-Pandemie allerdings zwei Faktoren weg, die Bundesligisten das Leben oft schwer machen. Zum einen werden die Partien ohne Zuschauer stattfinden, wodurch der Mannschaft von Hertha BSC etwa die hitzige Atmosphäre eines normalerweise ausverkauften Stadions in Braunschweig erspart bleibt. Noch gravierender erscheint aber die Tatsache, dass die 2. Bundesliga und die 3. Liga erst am darauffolgenden Wochenende in ihre Saisons starten – so, wie auch das Oberhaus des deutschen Fußballs. Bislang waren die unterklassigen Vertreter nämlich – anders als die Erstligisten – zum Zeitpunkt der ersten Pokalrunde längst im Spielbetrieb und somit, was die Praxis angeht, schon „voll im Saft". Ein Umstand, der sicher für manche Pokalüberraschung der vergangenen Jahre mitverantwortlich war.
Unterklassige Teams dieses Mal nicht schon „voll im Saft"
Der Gegner aus Ostniedersachsen erlebte dabei zuletzt turbulente Jahre: 2017 verpasste Eintracht Braunschweig als Zweitligist in der Relegation gegen den VfL Wolfsburg noch knapp die Rückkehr ins Oberhaus. Ein Jahr darauf stiegen die Blau-Gelben dann in die 3. Liga ab und entgingen eine Saison später nur hauchdünn dem Absturz in die Viertklassigkeit. In der abgelaufenen Spielzeit konnte man sich dann im Endspurt wiederum die Rückkehr in die 2. Bundesliga sichern. Aufstiegstrainer Marco Antwerpen musste allerdings dennoch seinen Hut nehmen und wurde durch Daniel Meyer ersetzt. Der hatte zuletzt 2018/19 das Amt beim FC Erzgebirge Aue inne und soll nun die Aufgabe stemmen, in dem auf einigen Positionen veränderten Kader die Spieler so zu entwickeln, dass zumindest der Klassenerhalt erreicht wird. Schon vor zwei Jahren trafen beide Vereine in der ersten Runde des DFB-Pokals aufeinander: Seinerzeit setzte sich Hertha BSC nicht ohne Mühe mit 2:1 in Braunschweig durch. In Erinnerung blieb dabei vor allem der Führungstreffer von Marvin Plattenhardt, dessen Direktabnahme aus 25 Metern es bis in die Auswahl zum „Tor des Monats" schaffte. Kurz vor Schluss gelang den Gastgebern zwar der nicht unverdiente Ausgleich, die Berliner antworteten aber im Stil eines Favoriten: Postwendend gelang ihnen das 2:1, das Vedad Ibisevic in klassischer Abstaubermanier erzielte. Neben dem Bosnier befinden sich übrigens nur zwei weitere Startelfspieler von damals – Valentino Lazaro und Salomon Kalou – nicht mehr im Aufgebot der Berliner. Es war das bis dahin vierte Aufeinandertreffen beider Teams im DFB-Pokal und das erste Mal, dass sich Hertha BSC durchsetzen konnte. Im Januar 1965 hatte es –
trotz namhafter Defensivkräfte wie Kremer, Rehhagel oder Sundermann – eine deftige 1:5-Pleite im Olympiastadion gesetzt. Bei der 4:1-Niederlage im September 1974 war der „Alten Dame" auswärts unter anderem mit Beer, Sidka und Weiner in der Verlängerung die Puste ausgegangen. Und auch im September 2004 zogen die Hauptstädter beim damaligen Drittligisten in Braunschweig den Kürzeren. Dardai, Rehmer, Simunic und Co. bekamen das Geschehen nicht entscheidend in den Griff – nach dem Führungstor von Marcelinho drehte der Außenseiter das Ergebnis. Unmittelbar vor dem 2:2 durch „Zecke" Neuendorf hatte Herthas damaliger Trainer Falko Götz noch mit dem 1,93 Meter großen Alexander Madlung einen Verteidiger eingewechselt, der sowohl offensiv wie defensiv für mehr Lufthoheit sorgen sollte. Keine zwei Minuten auf dem Platz, traf der gebürtige Braunschweiger dann auch per Kopf – bei einer misslungenen Rettungstat zum entscheidenden 3:2 jedoch ins eigene Tor. Eine weitere Anekdote aus der schier unendlichen Chronik der Pokalpleiten von Hertha BSC war perfekt.