Hertha BSC hat beim 1:2 in Leipzig einmal mehr kein Spielglück – und muss nun nach vier Niederlagen im Heimspiel am Sonntag punkten.
Nach der unglücklich zustande gekommenen 3:4-Niederlage von Hertha BSC beim FC Bayern München Anfang Oktober hatte Bruno Labbadia noch nüchtern analysiert, es gebe für ihn keine „vielversprechenden Niederlagen". In Leipzig setzte es vergangenes Wochenende nun eine weitere, knappe Pleite bei einem Spitzenteam der Bundesliga – deren Umstände mochten die Stimmung einen Tag vor der Mitgliederversammlung vielleicht aber doch etwas positiver beeinflusst haben. Trotz der vierten Niederlage in Folge, trotz sogar neunmal null Punkten aus den vergangenen saisonübergreifend elf Ligaspielen der Hauptstädter. Wie schon in München verkaufte sich Hertha BSC jedenfalls im Rahmen der Außenseiterrolle gut – allerdings fehlte letztlich ebenso die nötige Fortune, um etwas Zählbares mitzunehmen. Eine Vorstellung wie zuvor bei der 0:2-Heimniederlage gegen den Aufsteiger VfB Stuttgart hätte die Atmosphäre vor der Versammlung aber wohl mehr aufgeheizt. So hielt sich die Aufregung weitgehend in Grenzen: Lediglich der geringe Stimmenanteil von 54 Prozent bei der Wiederwahl von Präsident Werner Gegenbauer stimmte nachdenklich. Michael Preetz nutzte die Veranstaltung, um für Geduld mit der Mannschaft zu werben – natürlich dürfe man mit drei Punkten nicht zufrieden sein, aber: „Wir sind überzeugt, dass der Kader mittelfristig das Zeug hat, dahin zu kommen, wo wir uns alle sehen: ins internationale Geschäft", so Herthas Geschäftsführer Sport. Damit übte Preetz indirekt auch den Schulterschluss mit Gegenbauer, der betont hatte, dass das Präsidium die Entscheidungen für den Verein treffe, nicht Investor Lars Windhorst und dessen Vertreter im Aufsichtsrat – die in der Vergangenheit gern öffentlich die schnellere Umsetzung der Ziele formulierten.
Nur 54 Prozent wählten Präsident Werner Gegenbauer wieder
Das Spiel in Leipzig lieferte dabei schon in der ersten Viertelstunde in positiver wie negativer Hinsicht das, was die Mannschaft von Hertha BSC in dieser Saison auszeichnet. Glänzend: Nach einer Ecke des Spitzenreiters starteten die Berliner einen schnellen Gegenangriff über Maximilian Mittelstädt, Vladimir Darida und Dodi Lukebakio – der in die Startelf zurückgekehrte Belgier bediente zu guter Letzt Jhon Córdoba, der trocken den frühen Führungstreffer markierte. In der Woche vor der Partie hatte Herthas Trainer noch um den Einsatz des Kolumbianers wegen Problemen an der Ferse bangen müssen, nun traf der 27-Jährige schon zum dritten Mal für die Blau-Weißen. Schwach: Nur drei Minuten später erbrachte Labbadias Mannschaft ein weiteres Mal den Nachweis, nach Standardsituationen besonders anfällig zu sein. Dabei war die „Alte Dame" nach einem Freistoß des Gegners zunächst noch im Glück, als Nordi Mukieles Kopfball an der Querlatte landete – beim folgenden Abpraller aber zeigte Herthas Hintermannschaft eine lange Leitung. Besonders unglücklich dabei ausgerechnet Debütant Omar Alderete, der mit Dedryck Boyata das Abwehrzentrum besetzte und den Ball nicht aus der Gefahrenzone bekam – Leipzigs Dayot Upamecano setzte sich entschlossen durch und jagte das Leder aus spitzen Winkel zum Ausgleich ins Tor. Wer nun den vorhergesagten Spielverlauf erwartete, sah sich allerdings getäuscht: Sicherlich waren die Leipziger die aktivere Elf, ein zweites Tor wollte ihnen erst einmal aber nicht gelingen. Hertha BSC jedoch sollte nach und nach in den zweiten 45 Minuten das Spielglück verlassen: Zunächst konnte der im Vorfeld wegen einer Hüftprellung ebenfalls fragliche Peter Pekarik nicht weitermachen und wurde von Trainer Labbadia durch Deyovaisio Zeefuik ersetzt. Der Niederländer (muskuläre Probleme) war vor der Partie unter den „Wackelkandidaten" der Dritte im Bunde – und musste den Platz schon fünf Minuten nach Wiederbeginn verlassen. Allerdings nicht wegen körperlicher Beeinträchtigung, sondern weil sich der 22-Jährige in rekordverdächtiger Zeit eine gelb-rote Karte eingehandelt hatte: die drittschnellste in der Geschichte der Bundesliga, wie Statistiker schnell errechneten. Auch in Unterzahl wehrten sich die Blau-Weißen jedoch nach Kräften – und Erinnerungen wurden wach an den 17. Dezember 2017, als Hertha seinen bislang einzigen Sieg (3:2) in sieben Aufeinandertreffen mit den Leipzigern feiern konnte. Damals hatte man an selber Stelle nach dem Platzverweis gegen Jordan Torunarigha sogar über 80 Minuten mit einem Mann weniger auskommen müssen und dennoch die Oberhand behalten. Doch die(se) Geschichte sollte sich nicht wiederholen, denn Labbadias Schützlinge bekamen nach Zeefuiks Ausschluss offensiv fast nichts mehr zustande. Aber auch der „Punktsieg", den ein 1:1 in Unterzahl beim Spitzenreiter bedeutet hätte, blieb ihnen letztlich verwehrt. Ausgerechnet Torschütze Córdoba sollte den entscheidenden Treffer verursachen, als er seinen Widerpart Willi Orban im eigenen Strafraum ungestüm zu Fall brachte und Marcel Sabitzer anschließend vom Elfmeterpunkt zum 2:1-Endstand für RB traf.
Nur als schwacher Trost für Hertha BSC erwies sich da, dass Schiedsrichter Stieler in der Nachspielzeit die überzogene rote Karte des eingewechselten Jessic Ngankam nach Intervention des VAR im „Kölner Keller" wieder zurücknahm. So haben die Berliner zumindest einen Joker – Ngankam erzielte immerhin ein Tor in bisher insgesamt nur zehn Einsatzminuten, und das zum zwischenzeitlichen 3:3 beim FC Bayern – im anstehenden Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg (Sonntag, 18 Uhr) zur Verfügung. Die rechte Abwehrseite bleibt durch Zeefuiks Sperre und die Verletzungsprobleme Pekariks jedoch eine Baustelle. Nicht ausgeschlossen, dass Lukas Klünter, der bislang noch ohne jede Wettkampfpraxis bei den Hertha-Profis ist, gegen die Niedersachsen ins kalte Wasser geworfen wird. Auch eine Systemänderung der erprobten 4-4-2-Formation hin zur Dreierkette dürfte Herthas Trainer jedoch in Erwägung ziehen. Eine weitere Heimniederlage würde aber nun – Geduld hin oder her – in jedem Fall unweigerlich den Krisenmodus auslösen. In den vergangenen drei Aufeinandertreffen im Olympiastadion haben die Blau-Weißen gegen Wolfsburg dabei kein einziges Tor zu Wege gebracht. Zweimal saß dabei für den VfL noch Bruno Labbadia selbst auf der Bank – Herthas Coach dürfte also zumindest auch wissen, wie gegen seinen früheren Arbeitgeber „die Null steht".