Vor zehn Jahren wurde in Baden-Württemberg der erste und bislang einzige grüne Ministerpräsident gewählt. Diesen Titel möchte Winfried Kretschmann auch behalten. Bisher scheint dem nichts im Wege zu stehen.
Seit zehn Jahren ist es das einzige Bundesland mit einem grünen Ministerpräsidenten: Baden-Württemberg. Bisher stehen die Zeichen gut, dass das auch nach dem 14. März so bleiben wird. Der amtierende Landeschef Winfried Kretschmann liegt in den Umfragen vorne.
Dabei war das 2011 noch gar nicht zu erwarten. Fast sechs Jahrzehnte war das Bundesland fest in CDU-Hand. Auch die in jenem Jahr stattgefundene Landtagswahl hatte daran rechnerisch nichts geändert. Die Grünen hatten mit 24,2 Prozent zwar ihr stärkstes Ergebnis bis dato, lagen aber dennoch weit hinter der CDU mit 39 Prozent der Stimmen. Da der damalige Spitzenkandidat und Ministerpräsident Stefan Mappus keinen Koalitionspartner finden konnte, gelang es den Grünen mithilfe der SPD eine Regierung zu bilden.
Aus einer rot-grünen wurde 2016 schließlich eine schwarz-grüne Koalition. Während die Grünen immer mehr Wähler hinter sich versammeln konnten (30,3 Prozent), rutschten CDU und SPD auf 27 beziehungsweise 12,7 Prozent. Das schloss eine Neuauflage des Linksbündnisses aus.
Der „Kretschmann-Effekt" als Stimmenbringer
Ob Winfried Kretschmann allerdings 2021 noch einmal antreten wird, ließ er lange Zeit offen. Mehr als 40 Jahre ist der bald 73-Jährige nun politisch aktiv. Mit dem Rückhalt seiner Partei entschied er sich schließlich doch zu einem Wiederantritt. Nicht zuletzt, weil viele der Auffassung sind, mit Landesvater Kretschmann seien mehr Wähler zu mobilisieren als mit einem anderen Spitzenkandidaten. Von fünf bis gar zehn Prozent mehr Kreuzen für die Grünen wird mit dem „Kretschmann-Effekt" gerechnet. Kein Wunder also, dass der Wahlkampf sehr auf den Grünen-Politiker zugeschnitten ist. Kaum andere Gesichter sind auf den Plakaten zu sehen. Hinter dem Slogan „Er weiß, was wir können" wird für ein „Weiter so" mit dem langjährigen Ministerpräsidenten geworben. Bislang scheint diese Strategie zu funktionieren – trotz seines Wahlkampf-Rückzugs: Aufgrund einer Krebserkrankung seiner Frau hatte Kretschmann angekündigt, weniger Termine wahrzunehmen als ursprünglich geplant.
Als aussichtsreichste Gegenkandidatin steigt CDU-Bildungsministerin Susanne Eisenmann in den Ring. Sie will die Union zu altem Glanz zurückführen. Die Partei hatte in der Ära Mappus einige Federn gelassen, gilt seitdem im Land als machtverliebt und abgehoben. Eisenmann wäre die erste Ministerpräsidentin in dem südwestlichen Bundesland. Schaut man sich Umfragen zur Beliebtheit der einzelnen Spitzenkandidaten an, wird schnell klar, dass Eisenmann nicht viele hinterm Ofen hervorlocken wird. 53 Prozent der Befragten sind wenig bis gar nicht zufrieden mit ihr. Auch ihre Partei steht nicht geschlossen hinter ihr. Einer der Gründe: ihre Pläne zur Schul- und Kitaöffnung. Unabhängig von den Inzidenzwerten sollten Grundschulen und Kindertagesstätten geöffnet werden, hatte sie im Dezember angekündigt und eckte mit dieser energischen Art an.
Wahlentscheidend für die etwa 7,7 Millionen Wahlberechtigten im Land werden wohl neben dem Umgang mit der Corona-Pandemie auch die Themen Bildung, Wirtschaft, Umwelt und Mobilität sein. Themen, die gesellschaftlich heiß diskutiert werden – insbesondere in der aktuellen Situation. Als Teil der Regierung kämpfen Kretschmann und Eisenmann in diesen Belangen nicht nur gegeneinander, sondern auch miteinander.
Hinzu kommt: Dieser Wahlkampf ist nicht wie jeder andere. Durch den fehlenden direkten Kontakt zum Wähler aufgrund der Corona-Pandemie kann niemand so recht sagen, was beim Wähler ankommt und was nicht. Wo viele Großveranstaltungen der Parteien eher ohnehin bereits affine Menschen ansprechen, sind es doch vor allem die Zufallsbegegnungen an Wahl- und Infoständen vor Ort, die viele Unentschlossene zur Urne locken. Insbesondere aber auch die Verlagerung des Wahlkampfs auf Online-plattformen könnte gerade Parteien mit älterer Wählerschaft Stimmen kosten.