Union Berlin hat doch nicht das Siegen verlernt. Mit neuem Rückenwind und Selbstvertrauen geht das Team ins letzte Saisondrittel. Ein Trumpf könnte dann wieder Max Kruse sein.
Das Geld für die Torte konnte sich Urs Fischer sparen. „Die ist mir nicht so wichtig. Ich hoffe, der Trainer gibt uns ein anderes Geschenk", sagte Grischa Prömel grinsend. Der Mittelfeldspieler hatte Fischer gerade mit dem Siegtreffer zum 1:0-Erfolg beim SC Freiburg das beste Geburtstagsgeschenk beschert, erwartete im Gegenzug für sich und seine Teamkollegen aber auch eine Belohnung vom „Chef". Und Fischer ließ sich an seinem 55. Geburtstag nicht lumpen.
„Die Jungs haben mich in der Kabine schon angesprochen", erzählte der Schweizer: „Ich habe ihnen gesagt: ,Ja, es ist trainingsfrei: zuerst Training und dann frei‘." Nach dem obligatorischen Auslaufen am Sonntag durften die Profis am Montag und Dienstag die Beine hochlegen, die Zeit mit der Familie verbringen oder einen Kurzausflug machen.
„Wichtig für die Stimmung"
Gut erholt und mit frischen Kräften wollen die Eisernen am Sonntag (28. Februar, 13.30 Uhr) im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim nachlegen. Nicht nur der Akku ist bei den Spielern wieder voll, sondern auch das Selbstvertrauen wieder größer und die Laune besser. „Der Sieg in Freiburg war sehr wichtig, auch für die Stimmung in der Mannschaft", sagte Prömel. Die sei zwar auch nach den fünf sieglosen Spielen zuvor nicht schlecht gewesen, „auch da war die Leistung zum Teil richtig gut", betonte Fischer. Aber: „Siege tun immer gut." Sie stärken den Glauben an das, was der Trainer der Mannschaft vorgibt. Und im Fall von Union ist es „Solidarität", dieses Wort gebrauchte Fischer nach dem Sieg in Freiburg immer wieder. „Ich empfand den Auftritt als sehr solidarisch", meinte er, „alle haben zusammen verteidigt und angegriffen. Die Defensive beginnt vorne, und genauso beginnt die Offensive hinten."
Für Fischer war es deshalb auch „ein tolles Gefühl", mit drei Punkten im Gepäck aus dem Breisgau zurück in die Hauptstadt zu fahren. Er sprach der Mannschaft „ein großes Dankeschön und ein Kompliment" aus, weil die sich im Stile einer Spitzenmannschaft nicht aus der Reserve hatte locken lassen. „Wir haben uns sehr clever verhalten, die Mannschaft blieb ruhig und geduldig", lobte Fischer. Hatte er in den Spielen zuvor vor allem die fehlende Effizienz bemängelt, war das in Freiburg der große Unterschied zum SC.
Diese Effizienz will Fischer auch gegen Hoffenheim und in den Spielen danach sehen. Dann ist vielleicht doch noch der große Coup möglich: die Qualifikation für den Europapokal. Öffentlich reden will darüber keiner bei Union, doch angesichts von 18 Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang bei noch zwölf ausstehenden Spielen ist klar: Der Klassenerhalt als Ziel dient nur noch dazu, die Erwartungshaltung zu bremsen. Für Freiburg-Trainer Christian Streich stehen die Berliner zu Recht auf Platz sieben. „Union ist unheimlich schwer zu bespielen", sagte Streich nach der Niederlage mit einer Mischung aus Bewunderung und Verzweiflung. Mit ihrer „unglaublichen Körperlichkeit" würden die Köpenicker „mit zu den besten in der Liga" gehören. „Und sie können auch spielerische Akzente setzen", betonte Streich. Symbolisch dafür standen die Entstehung und Vollendung des 1:0-Siegtreffers in der 64. Minute. „Das war eine Zuckerflanke von Marcus Ingvartsen auf den zweiten Pfosten", beschrieb Prömel die Szene, „ich köpfe gegen die Laufrichtung des Torhüters. Alles in allem ein schönes Tor." Und ein wichtiges. Denn davor hatten sich beide Mannschaften nahezu egalisiert, auch wenn Union ein leichtes Plus bei den Chancen verzeichnen konnte.
Durch die drei Punkte konnte Union den SC Freiburg in der Tabelle wieder überholen, der Kontakt zu Platz sechs ist wieder hergestellt. Und die Verantwortlichen fühlten sich bestätigt. „Dass wir auch mal ein bisschen nach hinten rutschen, das war für uns nicht überraschend", sagte Trainer Fischer: „Wir wissen, wo wir hingehören und wo wir uns befinden." Ein entscheidender Faktor im Endspurt um die internationalen Plätze könnte Max Kruse werden. Zwei Monate nach seinem Muskelfaserriss im Oberschenkel, den er sich im verlorenen Stadtderby bei Hertha BSC zugezogen hatte, stand der Ex-Nationalspieler in Freiburg zumindest wieder im Kader. Zum Einsatz kam er nicht, „das hatte etwas mit dem Spielverlauf zu tun", verriet Fischer. Union führte nach einer Stunde mit 1:0 und stand unter Druck, da wollte der Trainer kein Risiko eingehen. Kruse hatte erst wenige Trainingseinheiten mit der Mannschaft bestritten. Auch ein Einsatz gegen Hoffenheim ist nicht selbstverständlich. „Es geht am Schluss nicht um Max Kruse, sondern um den Erfolg des Gesamten", betonte Fischer. „Max muss sich noch ein bisschen gedulden."
Spannende Frage, wer künftig im Union-Tor stehen wird
Geduld ist bekanntlich nicht die Stärke des exzentrischen Angreifers, doch mit einem Sieg im Rücken lässt sich auch so etwas besser moderieren als ohne. Genau wie die Torhüter-Debatte, die wieder an Fahrt aufgenommen hat. Loris Karius vertrat in Freiburg erneut Stammkeeper Andreas Luthe, der wegen eines Krankheitsfalls in seinem familiären Umfeld nicht im Kader stand. Und wie schon im Spiel zuvor gegen Schalke 04 (0:0) hielt Karius seinen Kasten sauber. „Das ist wichtig, denn dann kann schon ein Tor zum Sieg reichen", sagte die Liverpool-Leihgabe.
Karius war optimal vorbereitet – selbst im Falle eines Elfmeters wollte er nichts dem Zufall überlassen. Die TV-Bilder zeigten, dass er auf seiner Trinkflasche einen Zettel mit Namen von potenziellen Elfmeterschützen wie Nils Petersen oder Ermedin Demirovic geklebt hatte. Ähnlich wie damals Jens Lehmann bei der Heim-WM 2006, als er vor dem Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Argentinien einen Spickzettel aus den Stutzen zog. „Das ist einfach deshalb, dass man eine Idee hat, wie der Schütze so denkt, und vielleicht auch prozentual die Wahrscheinlichkeit höher ist, wohin er schießt", erklärte Karius hinterher: „Das kann man dann als Stütze nehmen, wenn man es braucht."
Ein gehaltener Strafstoß hätte Karius‘ Stellung innerhalb des Teams noch mal deutlich erhöht. Doch auch so dürfte der ambitionierte Torhüter, der über seinen Nummer-zwei-Status alles andere als zufrieden ist, nun auf eine Wachablösung hoffen. Die aktuelle Serie spricht für Karius, aber Luthe hatte sich vorher keine Schwäche erlaubt und das Vertrauen von Fischer gerechtfertigt. Da Karius nach der Saison definitiv wieder zurück nach Liverpool geht, könnte Fischer auch aus Gründen der Kader-Planung weiter auf Luthe setzen, dessen Vertrag bis Ende Juni 2022 datiert ist.