Nach dem 2:1-Erfolg gegen Türkgücü München fährt der 1. FC Saarbrücken ohne jeden Druck auf den Betzenberg. Das Südwest-Derby soll zur Kür einer großartigen Saison werden.
Als Juri Sawitschew den 1. FC Saarbrücken am 27. März 1993 auf dem Kaiserslauterer Betzenberg mit 1:0 in Führung brachte, dachte wohl niemand der damals Anwesenden, dass es gut 28 Jahre dauern würde, bis sich der 1. FCK und der FCS wieder zu einem Punktspiel im Fritz-Walter-Stadion treffen würden. Am Samstag um 14 Uhr ist es so weit, und die Vorzeichen könnten kurioser kaum sein. Hier der tiefgefallene Traditionsverein aus der Pfalz, der sieben Spieltage vor Schluss auf einem Abstiegsplatz in der 3. Liga dümpelt. Dort der couragiert spielende Aufsteiger, der bereits satte 49 Punkte auf der Habenseite hat und die vereinsinterne Vorgabe von 50 Punkten wohl locker übertreffen wird. Um die bisher so erfolgreiche Runde zu veredeln, fehlen Trainer Lukas Kwasniok und seinem Team nur noch ein Sieg in den prestigeträchtigen Derbies gegen den FCK und Waldhof Mannheim. „Es war ein Brustlöser zur rechten Zeit. Man fährt doch mit einem Erfolgserlebnis viel befreiter zu einem Derby", sagte Kwasniok nach dem hart erkämpften 2:1-Erfolg gegen Türkgücü München.
Fünf Spiele war der FCS zuvor sieglos, und das hatte seine Spuren hinterlassen. „Wir sind in 15 Spielen seit Januar zwölfmal in Führung gegangen, haben aber nur fünf Spiele gewonnen. Das hat Spuren gelassen, wir hatten richtig Angst, etwas zu verlieren", sagte der Trainer nach dem Spiel, in dem der FCS durch Manuel Zeitz und Nicklas Shipnoski früh in Führung ging, nachdem Anschlusstreffer von Lucas Röser in der 69. Minute aber erneut zittern musste. „Wir haben zuletzt zu viele späte Gegentore bekommen. Aber heute haben wir am Ende alles gut wegverteidigt. Jetzt gehen wir motiviert ins Derby und wollen unseren Fans natürlich einen Sieg schenken", sagte Torwart Daniel Batz. Es ist ein besonderes Spiel, auch weil in der Saarbrücker Startelf mit Kapitän Zeitz, Abwehrchef Steven Zellner, Angreifer Sebastian Jacob und Youngster Luca Kerber wohl vier Saarländer stehen werden. „Egal, ob Saarländer oder nicht. Wenn man für den FCS spielt, weiß man, was ein Match auf dem Betzenberg bedeutet. Ich freue mich riesig darauf und will meinen Anteil daran leisten, dass wir gewinnen", sagte der 19-jährige Kerber.
Mit Maurice Deville, Nicklas Shipnoski und Mario Müller stehen neben Jacob und Zellner drei weitere Akteure, die eine Pfälzer Vergangenheit haben. Dass der FCS am Saisonende vor dem 1. FCK landen könnte, hätte vor Rundenstart wohl niemand erwartet. Doch der FCK hangelt sich seit Monaten von Unentschieden zu Unentschieden. Ab und zu ein Sieg, ab und zu eine Niederlage. Sieben Spieltage vor Schluss steht der Aufstiegskandidat mit dem Rücken zur Wand. „Sie haben dennoch eine gute Mannschaft mit hoher individueller Qualität. Und in einem Derby zählt der Tabellenstand ohnehin nicht", betont Kwasniok seit Tagen.
Der Umbruch im Kader wird relativ groß sein
Die große Frage, die der Trainer beantworten muss, ist die nach der optimalen Aufstellung. Der FCK ging zuletzt angeheizt von seinem hoch emotionalen Trainer Marco Antwerpen recht rustikal zu Werke. Hält der FCS mit Leuten wie „Aggressive Leader" Fanol Perdedaj dagegen oder verlässt er sich auf seine Spielkultur? Sicher scheint, dass die Knieprobleme von Angreifer und Sympathieträger Jacob nicht so schwerwiegend sind, als dass er das Derby sausen lassen würde. „Mir geht es gut, das Spiel ist nicht in Gefahr", gab der 27-Jährige am Sonntag Entwarnung. Sicher ist, dass Julian Günther-Schmidt nach seinem zweiten positiven PCR-Test auch gegen den FCK in der Quarantäne schmoren muss. „Das tut uns schon weh, aber wir haben es gegen München ganz gut kompensiert", sagte Kwasniok, der überraschend Lukas Schleimer aus dem Hut zauberte, was dieser mit einem beherzten Auftritt zurückzahlte. „Schleimi" ist einer von vielen Akteuren, deren Zukunft ungeklärt ist. Unter der Woche hat der künftige Cheftrainer Uwe Koschinat die Arbeit aufgenommen. An seiner Seite wird der bisherige Co-Trainer Bernd Heemsoth bleiben. Eine Personalie, die in der Mannschaft mit viel Zustimmung aufgenommen wurde. Der 49-jährige Koschinat hat bei seinen bisherigen Stationen viel Wert auf Körperlichkeit gelegt. Ein Faktor, der dem bisherigen Kader weitgehend fehlt. „Wir wollen die vorhandene spielerische Substanz mit dem Faktor Robustheit ergänzen", sagte Koschinat. Gesucht wird neben zwei Innenverteidigern auch ein sogenannter Wandspieler für den Angriff, da der neue Trainer ein 4-4-2-System bevorzugt. Der Umbruch innerhalb des Kaders, der derzeit mit vielen eher kleinen und technisch versierten Spielern bestückt ist, dürfte relativ groß sein. Priorität hat dabei auch die Personalie Nicklas Shipnoski. Der Topscorer, der über eine Ausstiegsklausel verfügt, soll unbedingt gehalten werden. Dafür könnten im Sommer Spieler die Freigabe erhalten, die noch unter Vertrag stehen. Kandidaten hierfür sind Rasim Bulic, Markus Mendler und der Luxemburger Maurice Deville, der vor dem München-Spiel von Coach Kwasniok intern hart kritisiert wurde.