Mit einem Punktgewinn bei Bayern München macht Union Berlin den Klassenerhalt perfekt. Nun kommt der VfB Stuttgart zum direkten Duell um die Conference League in die Alte Försterei.
Natürlich hat Union Berlin keine Ausnahmekönner wie Neymar oder Kylian Mbappé in seinen Reihen, und trotzdem wollten die Eisernen im Auswärtsspiel bei Bayern München ein bisschen wie Paris Saint-Germain auftreten. „Die Effizienz" hatte Union-Trainer Urs Fischer am meisten beim Champions-League-Sieg der PSG-Stars in München beeindruckt, „sie hatten nicht so viele Möglichkeiten, waren vor dem Tor aber eiskalt." Neben dieser Effizienz brauche man aber auch „einen perfekten Tag", um beim deutschen Rekordmeister etwas Zählbares mitzunehmen, hatte Fischer behauptet. Doch es reichte schon eine solide Leistung, um im zweiten Saison-Duell gegen den Branchenprimus zum zweiten Mal ungeschlagen zu bleiben. „Wenn man nur auf das Ergebnis schaut, ist ein Punkt bei Bayern ein tolles Resultat", sagte Fischer nach dem 1:1 in der Allianz-Arena. „Ich glaube, da musst du dich freuen." So ganz sicher war sich der Schweizer also selbst noch nicht, ob er das Unentschieden einordnen wollte. Denn das, was seine Mannschaft auf dem Rasen gezeigt hatte, habe ihm nur bedingt gefallen. „Das Spiel mit dem Ball war sehr unpräzise, sehr wild", kritisierte der Trainer. Damit habe man sich „das Leben selbst schwer gemacht" und „die Bayern immer wieder eingeladen". Das Spiel mit dem Ball „geht besser", versicherte Fischer, „das muss auch besser gehen".
Es reichte schon eine solide Leistung
Und zwar schon am Samstag (17. April um 15.30 Uhr) im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart. Mit einem Sieg gegen den formstarken Aufsteiger, der bei seiner 2:3-Heimniederlage gegen Borussia Dortmund nur unglücklich als Verlierer den Platz verlassen hatte, würde Union einen Verfolger im Kampf um die Europapokal-Plätze vorerst abschütteln. Denn der siebte Tabellenplatz, den Union aktuell belegt, wird wahrscheinlich zur Teilnahme an der neuen Conference League in der kommenden Saison berechtigen. Die Euphorie für den neuen Uefa-Wettbewerb, der vor allem Clubs aus kleineren Verbänden zu internationalen Auftritten verhelfen soll, hält sich bei Union noch deutlich in Grenzen. „Europa League hätte ich Bock drauf. Europa Conference League hätte ich irgendwie keinen Bock drauf", hatte Torjäger Max Kruse vor ein paar Wochen entwaffnend ehrlich dazu gesagt. „Ich weiß noch nicht einmal, was das ist." Damit steht Kruse nicht alleine da, auch Robert Andrich hatte bis zuletzt „absolut gar keine Ahnung, was es wie damit auf sich hat und um was es da überhaupt geht". Die Club-Verantwortlichen dürften sich aber längst mit der Möglichkeit beschäftigt haben, am 19./26. August in die Play-offs für den Europacup einzusteigen und entsprechend mit einem größeren Kader zu planen. Viel Geld wird in der Conference League nicht zu verdienen sein, aber für den Club, der erst zwei Spielzeiten in der Bundesliga vorzuweisen hat, wäre der Imagegewinn groß. Auch der VfB Stuttgart sieht mehr Vor- als Nachteile in der Conference League. „Wenn wir es schaffen, dann würden wir sie auch mit voller Inbrunst spielen", versicherte Sportdirektor Sven Mislintat. Umso motivierter werden die Stuttgarter im direkten Duell bei Union auftreten.
Der nicht einmal unverdiente Punktgewinn bei den Bayern hat aber auch bewiesen, dass Union die Bundesliga in dem internationalen Wettbewerb würdig vertreten könnte. Gegen das Starensemble ungeschlagen aus der Saison zu gehen, „das macht nicht jeder", sagte Abwehrspieler Marvin Friedrich nicht ohne Stolz. Dass diesmal zahlreiche Topspieler wie Robert Lewandowski, Leon Goretzka oder Niklas Süle fehlten, war sicher ein Grund für den Punktgewinn. Aber nicht der einzige. „Wir sind in unserer Organisation sehr stark, wir wissen, wie wir Druck auf sie ausüben können und wie wir die Phasen überstehen, wenn sie dich hinten reindrücken", erklärte Marcus Ingvartsen. Der dänische Nationalspieler hatte den Ball aus kurzer Distanz zum späten 1:1-Ausgleich über die Linie gestochert. Vorausgegangen war ein schneller Einwurf von Cedric Teuchert, der bei strenger Regelauslegung wohl hätte zurückgepfiffen werden müssen. Andrich kümmerte das nicht, er sprintete tief, nahm den Ball auf – und dachte währenddessen fast zu viel nach, weil Bayern-Torhüter Manuel Neuer entgegen sonstiger Gewohnheiten wie angewurzelt in seinem Kasten blieb. „Meine Gedanken waren so zwischen ‚Der Ball ist zu lang‘ und ‚Wo bleibt der Torwart?‘", verriet Andrich. „Gefühlt hat die Situation eine Stunde gedauert, bis ich endlich den Pass gespielt habe." Mit dem Tor belohnte sich Union für eine Leistungssteigerung nach der Halbzeit, im ersten Durchgang schien „der Respekt zum Teil zu groß" gewesen zu sein, wie nicht nur Fischer vermutete. Das Gegentor in der 68. Spielminute durch den Münchener Jungstar Jamal Musiala sei „völlig unnötig" gewesen, meinte der Trainer, der in der Pause mit den richtigen Worten und den richtigen Maßnahmen das Team wachrüttelte: „Alle Einwechslungen haben noch mal Schwung reingebracht."
„Wir wollen besser punkten als in der Vorsaison"
Auch wenn es für das 1:1 beim designierten Deutschen Meister auch nur einen Punkt gibt, fühlte sich dieser besonders gut an. Er zeigt einmal mehr, dass Union in der Bundesliga angekommen ist. Die Berliner würden „für ihre Verhältnisse für Furore sorgen", meinte Bayerns Offensivspieler Thomas Müller fast schon schwärmerisch. Lob wie dieses hört Oliver Ruhnert gern, und diesmal nahm Unions Sportchef auch „Glückwünsche zum Klassenerhalt absolut an". Die 40-Punkte-Marke ist erreicht – was kommt jetzt? „Wir wollen besser punkten als in der Vorsaison", antwortete Kapitän Christopher Trimmel. Doch auch dieses Ziel ist nur noch zwei Zähler entfernt. Intern rechnen sich die Köpenicker natürlich Chancen auf den Europacup-Platz aus, auch wenn sie es öffentlich noch nicht zugeben wollen. „Sollte das klappen, wäre das eine Sensation", sagte Club-Präsident Dirk Zingler im „BamS"-Interview. Darauf spekulieren wolle er aber nicht, sondern „den Moment genießen", zumal „jeder gute Tabellenplatz auch eine wirtschaftliche Bedeutung" habe. Stichwort TV-Gelder. Die sind auch wichtig, um Leistungsträger halten zu können. Denn alleine mit dem möglichen Argument „Conference League" werden Profis wie Marvin Friedrich, der eine Ausstiegsklausel im Sommer hat, nicht bei Union verlängern. „Wirtschaftlich sind wir noch nicht in der Lage, alle Spieler zu halten, die ein gutes Niveau erreicht haben", gab Zingler zu. Sollte Friedrich oder der ebenfalls begehrte Andrich nach der Saison wechseln, dann spülen sie immerhin einige Millionen in die Kassen. „Wichtig ist, dass wir auf diesem Niveau nicht so viele Fehler machen und zu viele Spieler etwa ablösefrei ziehen lassen", forderte Zingler, der das bisherige Scouting über den Klee lobte. Denn Union ist und bleibt bis auf Weiteres ein Ausbildungsverein, der vielen Profis als Sprungbrett dient. „Wir müssen in jedem Jahr Transfererlöse generieren und Spieler entwickeln", sagte Zingler. „Nur so funktioniert es."