Gegen Borussia Mönchengladbach bleibt Hertha BSC im dritten Spiel in Folge ungeschlagen – in der kommenden englischen Woche geht es nun auf die Zielgerade der Saison 2020/21.
Wenn man sich als Fußballverein in einer sportlich angespannten Situation befindet, sind die Verantwortlichen meist darauf aus, im Umfeld möglichst wenig Unruhe aufkommen zu lassen. Im Vorfeld der Partie gegen Borussia Mönchengladbach kam es jedoch aufgrund einer Personalie bei Hertha BSC zu einer in diesem Ausmaß anfangs wohl nicht für möglich gehaltenen Störung des Betriebsfriedens. Dass jedenfalls die Freistellung eines Torwarttrainers Wellen schlagen sollte bis zur höchsten politischen Ebene, damit hatten wohl nicht nur in der Hauptstadt die wenigsten gerechnet – passt jedoch irgendwie auch in die seit etwa anderthalb Jahren dauerhaft schwierige Situation bei Hertha BSC. Zsolt Petry hatte sich jedenfalls im Interview mit einer Zeitung in seiner ungarischen Heimat in fragwürdiger Form zu den Themen Homophobie und europäischer Migrationspolitik geäußert – und Carsten Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Berliner Bundesligisten, ließ nicht lange mit den Konsequenzen auf sich warten. Der Coach der Schlussmänner wurde beurlaubt, entschuldigte sich noch öffentlich zumindest für einen Teil seiner Aussagen – damit schien der Prozess in dieser Personalie abgeschlossen. Doch mitnichten: Denn in Budapest löste die Entlassung Ärger auf höchster politischer Ebene aus – der Geschäftsträger der deutschen Botschaft wurde dort ins Ministerium für auswärtige Angelegenheiten einbestellt, in der Folge kritisierten der Kanzleramtsminister von Premier Victor Orban sowie Ungarns Außenminister das Vorgehen Herthas. Auch auf rein sportlicher Ebene ist das Personalproblem nur vorerst gelöst: Der als Nachfolger Petrys gehandelte frühere Hertha-Torwart Gabor Kiraly sagte ab, und so legte man sich bei Hertha BSC übergangsweise auf Ilja Hofstädt, den Torwarttrainer der U19, fest. Wie empfindlich die Seismografen in der Hauptstadt derzeit eingestellt sind, beweist allerdings die Tatsache, dass sogleich eine vergleichbare Situation in Erinnerung gerufen wurde: nämlich, als Jürgen Klinsmann zu Beginn seiner Amtszeit Zsolt Petry schon einmal beurlaubt hatte – und Stammtorwart Rune Jarstein damals in ein Leistungsloch fiel. Der Norweger war zwar gerade in Quarantäne, doch wurde beim wieder ins Tor zurückgekehrten Alexander Schwolow ein ähnlicher Effekt befürchtet. Der 28-Jährige zeigte sich in der Partie am Sonnabend dann aber ohne Aussetzer.
Pal Dardai wechselte zur Halbzeit dreimal
Ein weiteres drohendes Problem löste sich vor dem Gladbach-Spiel dagegen in Luft auf: Die Ermittlungen gegen Santiago Ascacíbar, der im Derby einen Union-Spieler über die TV-Außenmikrofone deutlich vernehmbar beleidigt hatte, wurden vom DFB-Sportgericht überraschend eingestellt. Der Argentinier kam zuletzt zwar nicht über Teilzeiteinsätze hinaus – nun war er aber als Startelfkandidat mehr als gefragt, denn im defensiven Mittelfeld fehlte Pal Dardai neben dem noch rot-gesperrten Vladimir Darida obendrein der zuletzt stark verbesserte Lucas Tousart aufgrund seiner fünften Gelben Karte. Die Milde des Sportgerichts sollte dann sogar ebenfalls kaum für möglich gehaltene Folgen haben: Ascacíbar brachte Hertha BSC Mitte der ersten Halbzeit mit seinem ersten Tor im 71. Bundesligaeinsatz in Führung. Zu diesem Zeitpunkt waren die Hauptstädter nach dem Platzverweis für Gladbachs Torwart Yann Sommer bereits in Überzahl – doch erfahrenen Fans nicht nur in den Reihen der Blau-Weißen war klar, dass diese Partie dennoch kein Selbstläufer würde. Denn anders als Wochen zuvor Bayer Leverkusen hatte die „Fohlen-Elf" ihre Krise vor dem Gastspiel im Olympiastadion bereits in den Griff bekommen. Hertha BSC hingegen wird dies wohl bis zum Saisonende nicht mehr gelingen, auch mit einem Mann mehr präsentierte sich Pal Dardais Ensemble wechselhaft. Diesmal waren es zwei grobe Fehler im Defensivverhalten, die der dezimierten Borussia dann auch noch zur Pausenführung verhalfen. Immerhin blieb den Berlinern der maximale moralische Schaden im Abstiegskampf erspart, denn kurz nach der Pause – in der Herthas unzufriedener Trainer gleich drei Wechsel vorgenommen hatte – gelang Jhon Cordoba der Ausgleich zum 2:2. Zumindest eine Zeit lang konnte Hertha BSC dann in der Folge den Gegner einschnüren, nun fehlte aber wiederum im Abschluss die letzte Konsequenz, um wichtige drei Punkte einzufahren. Und nach der Partie wurde ausgerechnet Ascacíbar, der mit einem Distanzschuss auch an der Entstehung des zweiten Treffers beteiligt war, noch öffentlich von Dardai gerügt. Der Ungar hatte den 24-Jährigen nämlich aus taktischen Gründen vom Feld genommen und Sami Khedira ins Spiel gebracht – bei der Auswechslung hatte der Südamerikaner jedoch seinen Unmut deutlich zum Ausdruck gebracht. Ein Egoismus, den der Ungar seinen Spielern eigentlich abgewöhnt zu haben schien – und den er als Trainer in der angespannten Situation natürlich nicht tolerieren kann.
Denn in der nun anstehenden englischen Woche – Hertha BSC gastiert in Mainz (Sonntag, 18. April, 18 Uhr) sowie bei Schalke 04 (Samstag, 24. April, 15.30 Uhr) und empfängt zwischendurch den SC Freiburg (Mittwoch, 21. April, 18.30 Uhr) – geht die Saison nun in ihre entscheidende Phase. Für die Blau-Weißen bedeutet dies vor allem: Abstiegskampf mit offenem Visier gegen drei direkte Konkurrenten (neben Mainz noch Bielefeld und Köln), den quasi abgestiegenen Tabellenletzten aus Gelsenkirchen sowie auch noch nicht endgültig gesicherte Hoffenheimer. Vor dem Gladbach-Spiel hatte Herthas Trainer dazu bereits eine Rechnung aufgemacht: nämlich die, das 13 Punkte aus den verbleibenden sieben Partien möglich seien. Sicherlich eine betont optimistische Einschätzung – umgekehrt ist aber nicht nur Statistikern klar: Mehr als die Ausbeute aus diesem Programm in der Hinrunde sollte es tunlichst schon sein. Damals hatte es Hertha BSC zum Abschluss des ersten Halbjahrs nur auf sechs Punkte in diesen sieben Duellen gebracht.