Sie ist die neue Chefärztin der Neurologie im Sulzbacher Knappschaftsklinikum: Prof. Dr. Stefanie Behnke erläutert Therapiemöglichkeiten bei der Parkinson-Erkrankung.
Corona bringt so einiges durcheinander, auch bei der Behandlung von Krankheiten wie Parkinson. Denn dadurch, dass quasi alle Möglichkeiten zu Zusammenkünften genommen wurden, fallen auch die Therapiemöglichkeiten weg, etwa Gangtraining oder Gleichgewichtsübungen im Seniorensport. „Das ist unglaublich wichtig bei Parkinson", sagt Prof. Dr. Stefanie Behnke. Sie ist seit Anfang November die Chefärztin der Neurologischen Klinik des Knappschaftsklinikums in Sulzbach und forschte vorher auch zu dem Themengebiet. Doch nicht nur fallen private Trainingseinheiten weg – auch der Gang in die Praxen oder eben in die Kliniken ist für einige Patienten schwerer. „Da ist sehr viel komplett weggebrochen."
Vor allem aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus und dem damit einhergehenden eventuellen Ausbruch der Krankheit Covid-19. Denn in der Regel gleichen sich die Altersstrukturen von Parkinson-Patienten und der Corona-Risikogruppe. Beide gehören zur Altersgruppe 60+. Wobei Prof. Stefanie Behnke darauf hinweist, dass Parkinson durchaus auch jüngere Menschen treffen kann. Prominente Beispiele seien die Boxlegende Muhammad Ali, bei dem mit Anfang 40 die Krankheit diagnostiziert wurde, und der Schauspieler Michael J. Fox, bei dem Parkinson sogar mit Mitte 30 festgestellt wurde. Dessen Autobiografie lobt sie ausdrücklich und erzählt, wie sich bei ihm erste Anzeichen bemerkbar machten: durch leichtes Zittern eines Fingers. Dieser Tremor zählt mit zu den bekanntesten und auffälligsten Anzeichen von Parkinson. Unvergessen etwa der Moment, als Muhammad Ali mit schwerem Zittern 1996 das Olympiafeuer in Atlanta entzündete. Ein Tremor ist das unwillkürliche und sich rhythmisch wiederholende Zusammenziehen einander entgegenwirkender Muskelgruppen. Wegen dieses Symptoms wurde Parkinson einst auch als Zitterlähmung oder Schüttelkrankheit bezeichnet. Doch das Zittern setzt in der Regel erst ein, wenn der Untergang der Nervenzellen im Gehirn, der die Parkinson-Krankheit verursacht, bereits fortgeschritten ist.
Zu einem der allerersten Anzeichen zählt zuvor häufig die Störung des Geruchssinnes. Zu den weiteren Frühsymptomen gehören noch Verstopfungen, die Störung der REM-Phase während des Traumschlafes und Stimmungsschwankungen mit leichter Reizbarkeit und depressiven Verstimmungen. Die Krankheit ist eng mit dem Dopaminpegel verbunden, denn Morbus Parkinson – so eine andere Bezeichnung – führt zum Absterben von Nervenzellen, die Dopamin produzieren. Dieser Neurotransmitter gilt als „Glückshormon" und ist vermutlich mitverantwortlich für Antriebssteigerung und Motivation.
Was genau die Parkinson-Erkrankung auslöst, ist unklar. Es ist also eine idiopathische Krankheit, bei der die äußeren oder genetisch bedingten Auslöser unbekannt sind. Um als Morbus Parkinson klassifiziert zu werden, muss eine deutlich verlangsamte Bewegung (Bradykinese) oder eine hochgradige Bewegungsarmut mit Tendenz zur Bewegungslosigkeit (Akinese) als Kardinalsymptom mit einem oder mehreren weiteren Symptomen, wie eben einem Tremor oder einer Muskelstarre (Rigor) zusammen auftauchen. „Ein Symptom für sich ist unspezifisch", erläutert die Fachmedizinerin.
Wie bei jeder Krankheit gilt: Je früher man sie erkennt, desto besser kann man sie behandeln. Da Parkinson aber relativ spät erst zu erkennen und die Ursache an sich nicht bekannt ist, kann man die Krankheit nicht heilen, sondern nur deren Symptome lindern. Zudem müsse man bedenken, dass bis zur wirklichen Einordnung als Morbus Parkinson „60 bis 70 Prozent der betroffenen Nervenzellen abgestorben sind", wie Prof. Stefanie Behnke erklärt. Das, was dabei helfe, das Fortschreiten der Symptome zu verlangsamen, sei: „Bewegung, Bewegung, Bewegung." Das gelte sowohl für den Körper als auch für den Geist. Dafür wäre die Neurologie in Sulzbach mit ihrer multimodalen Parkinson-Komplexbehandlung optimal aufgestellt. Das sei auch ein Grund für ihren Wechsel von Homburg in die Salzstadt gewesen. Abgesehen von der Möglichkeit, ein Team zu leiten, gebe es am Knappschaftsklinikum auch die Möglichkeit, das gesamte Spektrum an neurologischen Erkrankungen zu behandeln. „Mich faszinieren das Gehirn und die Nerven schon immer."
Für die Krankheit sind auch Schluckstörungen typisch
Die multimodale Komplexbehandlung umfasst einen mehrtägigen Aufenthalt in der Klinik, der sieben bis 20 Tage umfasst. Ein multidisziplinäres Team, also Ärztinnen und Ärzte, die aus verschiedenen Fachrichtungen stammen und ebenso engagierte wie erfahrene Therapeuten, kümmern sich dabei um eine umfassende Betreuung des Patienten. Dies umfasst auch die schrittweise Optimierung der medikamentösen Therapie. Dies geschieht gemeinsam mit auf die speziellen Bedürfnisse des Parkinson-Patienten zugeschnittenen logopädischen, ergo- und physiotherapeutischen Maßnahmen. Das interdisziplinäre Team kümmert sich individuell um die jeweiligen Ziele der Therapie und erarbeitet einen Behandlungsplan. Dieser wiederum soll dann natürlich zur Verbesserung der gesamten Beweglichkeit, des Gangbildes, der Sprachproduktion, der Schlafqualität und der alltäglichen Selbstständigkeit, aber auch des psychischen Wohlbefindens führen. Die Komplexbehandlung eignet sich für Patienten, bei denen trotz ambulanter Bemühungen die Lebensqualität eingeschränkt bleibt und eine optimale medikamentöse Einstellung ambulant nicht gelungen ist.
Da bei bis zu 80 Prozent der Parkinson-Patienten im sehr langjährigen Verlauf der Krankheit auch Gedächtnisstörungen bis hin zu einer Demenz dazukommen, können in der Therapie auch Abläufe des täglichen Lebens integriert werden. So werden bei der Ergotherapie das An- und Auskleiden, die Körperpflege und feinmotorischen Tätigkeiten ebenso trainiert wie Wahrnehmung, Gedächtnis und der Umgang mit Hilfsmitteln. Bei dem Aufenthalt gibt es auch eine Sprach- und Schlucktherapie. Durch Letztere sollen Verbesserungen des Sprechtempos, der Lautstärke und der Sprachverständlichkeit erzielt werden. Da für die Krankheit auch Schluckstörungen typisch sind, die beispielsweise mit häufigem Verschlucken und unkontrolliertem Speichelfluss einhergehen, werden auch diese behandelt. Der Fokus bei der Physiotherapie liegt unter anderem auf Gangtraining, Gleichgewichtsübung und Sturzprophylaxe. Dabei kommen auch neueste wissenschaftlich ertestete Methoden zum Einsatz, beispielsweise das LSVT-Big-Programm. Dabei steht LSVT für Lee Silverman Voice Treatment. Die Methode selbst wurde 1987 von den Sprachtherapeutinnen Dr. Lorraine Ramig und Carolyn Mead Bonitati an der Universität Colorado in den USA entwickelt. Lee Silverman war eine Freundin eines Kollegen von Dr. Ramig, der sie bat, diese zu behandeln. Big wiederum ist das englische Wort für „groß" und meint damit, dass beim LSVT-Programm große Bewegungsamplituden auch des übrigen Bewegungsapparates, also ausufernde Bewegungen, eingeübt werden. „Das nützt fast jedem Parkinson-Patienten etwas", erklärt Prof. Stefanie Behnke. Insgesamt werden die posturale Stabilität, also eine aufrechte Körperhaltung, und das Körpergefühl verbessert sowie die Fallneigung reduziert. Je früher die LSVT-Big-Methode zum Einsatz komme, desto effektiver könne das Fortschreiten der Bewegungseinschränkung verzögert werden. Durch das intensive Wiederholen und die stetige Erfolgskontrolle soll LSVT-Big dazu führen, die durch die Krankheit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten zu verbessern und diese im Alltag wieder bewusst nutzen zu können.
In Zeiten von Corona spielt natürlich auch die Fortsetzung der Therapie nach dem stationären Aufenthalt eine Rolle. Deswegen können Einheiten später auch per Video umgesetzt werden, auch wenn dies eine Physiotherapie durch erfahrene Therapeuten im persönlichen Kontakt nicht völlig ersetzen kann. Übrigens ist der direkte Umgang mit den Patienten etwas, was Prof. Behnke in Sulzbach sehr gefällt. Ihr Team besteht aus acht bis zehn Assistenzärztinnen und -ärzten, sechs Oberärzten/innen, neun Physiotherapeuten/innen, Ergotherapeutinnen sowie Logopädinnen und behandelt sehr viele Patienten über viele Jahre hinweg. Neue Ansätze wie die LSVT-Big-Methode helfen dabei, immer am Puls der Zeit zu sein. „Man lernt nie aus und entwickelt sich immer weiter", sagt die Chefärztin.