Am Ende gewinnt immer der FC Bayern München die Meisterschaft
Wenn ich sonntags ins Allerswaldstadion gehe, um Landesliga-Fußball zu gucken und eine Stadionwurst zu essen, versuche ich die Jugendspieler unseres Dorfvereins, die ihre Idole der 1. Mannschaft anfeuern, mit folgendem Spruch zu beeindrucken: „Als ich so alt war wie ihr, hieß der deutsche Rekordmeister noch 1. FC Nürnberg, gefolgt von Schalke 04.“ Das offenbart natürlich auch, wie uralt ich schon bin – vor allem, wenn dann eines der D-Jugend-Kids mich fragt: „Was ist denn ein FC Nürnberg?“
Ich will ehrlich sein: Die Tragödie kündigte sich bereits früh an: In dem Sommer, als ich eingeschult wurde und zum Spaß mein erstes E-Jugend-Training mitmachte, wurde der FC Bayern deutscher Fußballmeister – zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte. Danach folgten glorreiche Jahre von Borussia Mönchengladbach, und mein Opa gab sich der trügerischen Hoffnung hin, das mit den Bayern sei nur ein verkraftbares Strohfeuer gewesen.
Aber es kam anders. Kurz bevor ich D-Jugend-Spieler wurde, holten die Bayern zum dritten Mal den Meistertitel. Und eines meiner letzten E-Jugend-Spiele verloren wir 0:14 – vor allem deshalb, weil wir Jörn im Tor hatten, der dort eigentlich gar nicht hin wollte. Vielleicht ging das Spiel auch nur 0:7 aus, aber im nostalgischen Rückblick fühlt es sich definitiv wie eine zweistellige Niederlage an.
Damals, als Kind, hätte ich schon ahnen können, dass der deutsche Fußball sich langfristig in eine Zweiklassengesellschaft entwickelt: den „Mia-san-mia“-Club und den Rest aller Fußballvereine. Mein Großvater, der bereits Anfang der 70er in Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß die Wurzel allen Fußballübels zu erkennen glaubte, sagte dunkle Zeiten voraus – und meinte damit, der FC Bayern könne womöglich noch zwei- oder dreimal Meister werden oder irgendwann sogar an Schalke und Nürnberg herankommen, was die Anzahl der Titel betraf.
Sonderbarerweise holte mein Opa dennoch im Jubeltaumel beinahe den Kronleuchter von der Wohnzimmerdecke, als „Katsche“ Schwarzenbeck in letzter Minute den Ausgleich gegen Atletico Madrid schaffte, und gönnte sich ein Extrabier, mit Schnaps, als die Münchner dann tatsächlich Europapokalsieger der Landesmeister wurden. So lernte ich früh: Die Bayern sind nur in der Bundesliga „die Bösen“ und „die“. Sobald sie aber international erfolgreich sind, dürfen wir Nicht-Bayern-Fans dann ruhig auch ein Teil von „mia“ sein.
Zum Glück musste mein Großvater nicht mehr erleben, wie es weiterging und weitergeht, nämlich dass der FC Bayern immer und immer wieder Meister wird, aber in der Champions League andere, noch reichere Vereine die Nase meistens vorn haben.
Wahrscheinlich hätte er, wie so viele andere Fußballfans, sich jetzt auch der Täuschung hingegeben, die Münchner seien besiegbar, als sie am vorletzten Spieltag einmal nicht auf dem 1. Tabellenplatz standen. Pustekuchen. Es gilt noch immer – in Abwandlung eines Zitats des weisen Gary Lineker: Am Anfang einer Bundesliga-Saison starten alle 18 Mannschaften mit null Punkten, aber am Ende gewinnt immer Bayern die Meisterschaft – inzwischen zum 33. Mal. Hört das denn erst auf, wenn der Klimawandel sämtliche Großstadien unbespielbar macht? Das wäre dann wohl der einzige positive Nebeneffekt des Klimawandels.
Mir könnte es ja egal sein, ob Bayern Meister wird oder Dortmund oder, wer weiß, vielleicht gar einmal RB Leipzig. Ich bin sowieso ein glühender Anhänger des VfL Primstal (siehe oben: Allerswaldstadion), und dort ist zumindest die Stadionwurst unschlagbar. Ich habe noch in keinem Profiliga-Stadion – und ich war schon in etlichen, sogar in der englischen Premier League – irgendetwas gegessen, was der Rindsbratwurst oder den Frikadellen in Didis Rostwurstbude vorm VfL-Vereinsheim auch nur nahe kommt.
Aber schön wäre es schon, wenn wenigstens alle zwölf Jahre mal irgendein anderer Verein als Bayern Meister wird.