Frauenherzen schlagen im Alter schneller und sind kleiner als Männerherzen. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Frauen statistisch gesehen seltener an einem Herzleiden erkranken, dafür aber öfter daran sterben.
Die Gefahr, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen. Trotzdem gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den häufigsten Todesursachen beim weiblichen Geschlecht. Pro Jahr sterben daran über 20.000 Frauen. Und das ist nicht das einzige Problem: Männer haben eine höhere Genesungsquote, denn sie werden schneller behandelt und erhalten passendere Medikamente. Doch woran liegt das?
Zunächst gilt es festzuhalten, dass das weibliche Herz einfach anders tickt. Es ist kleiner, schlägt schneller und es altert unterschiedlich. Fläche und Durchmesser der Arterien sind bei Frauen dünner und kleiner. Außerdem schlängeln sie sich meist und neigen dadurch vermehrt zur Bildung von Rissen. Die Pumpleistung ist ebenfalls anders. Gerade im Alter macht sich das bemerkbar. Das Frauenherz dehnt sich nur noch schlecht aus, während das Männerherz eher schlaff wird und sich weitet. Schwache Frauenherzen zeigen sich dadurch bei Standard-Ultraschalluntersuchungen kaum. Sinnvoller ist es, nach der Auswurfleistung zu schauen, empfehlen erfahrene Kardiologen im Ärzteblatt, aber das passiert zu selten.
Erleidet eine Frau nun einen Herzinfarkt, dann bemerkt sie in den meisten Fällen keine klassischen Symptome wie Schmerzen in der Brust oder dem linken Arm. Die Auswirkungen können hier eher unspezifischer Natur sein und reichen von plötzlich auftretenden Schmerzen im Hals-, Nacken- und Schulterbereich, Kieferschmerzen, Kopfweh, Übelkeit mit Erbrechen, Ziehen in Armen und Rücken, Kurzatmigkeit, begleitet von Atemnot, Schweißausbrüche, Schmerzen im Oberbauch, extreme Müdigkeit sowie Depressionen. Stellen sich Frauen mit diesen Symptomen dann endlich in der Notaufnahme vor, erhalten sie oft zunächst Medikamente gegen Übelkeit und Schmerzen, weil sich daraus nicht direkt auf einen Herzinfekt und damit auf ein lebensbedrohliches Ereignis schließen lässt. Ein Fakt, der sich dringend ändern muss. Auch deshalb, weil Frauen verhältnismäßig spät überhaupt eine Behandlung erhalten. Dabei zählt jede Minute! Eine Studie, beauftragt von der Herzstiftung des Helmholtz Zentrums München gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung und der Technischen Universität München kommt zu dem Ergebnis, dass es durchschnittlich viereinhalb Stunden dauert, ehe eine Frau über 65 Jahren in der Notaufnahme ankommt und behandelt wird. Männer im gleichen Alter erhalten schon nach dreieinhalb Stunden Hilfe. Doch die lange Wartezeit ist nur die Spitze des Berges an Problemen.
280.515 Frauen erlitten laut dem Statistischen Bundesamt zwischen 2014 und 2017 einen schweren Infarkt
Wird der Infarkt erkannt und behandelt, dann sind auch hier noch viele Problemfelder auszumachen. Grundsätzlich zielt die Behandlung darauf ab, die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels wiederherzustellen. Dafür nutzen Ärzte in den meisten Fällen die Kathetertechnik. Die Überwachung der Patienten erfolgt anschließend auf der Intensivstation. Eine regelmäßige Medikamentengabe ist ebenfalls angezeigt. Auch hier bekommen beide Geschlechter die gleiche Dosis verabreicht. Und das kann fatale Folgen haben. Der überwiegende Teil der klinischen Medikamentenstudien wird an männlichen Probaten durchgeführt. Mit einem Prozentanteil von 24 sind Frauen hier unterrepräsentativ vertreten. Es wird angenommen, dass die ermittelten Werte für beide Gruppen gelten müssten. Das tun sie aber nicht, weshalb es mittlerweile internationale Leitlinien gibt, die fordern, die Frauen zu gleichen Teilen in diese Studien miteinzubeziehen. Dort, wo es passiert ergeben sich interessante Ergebnisse zur Medikamentenverträglichkeit: ACE-Hemmer und Beta-Blocker zum Beispiel brauchen Frauen nur in halber Dosierung bei einer Herzschwäche. Die normale Dosis wäre deutlich zu viel für das Herz. Oft wird empfohlen, Aspirin zur Vorbeugung vor einem Herzinfarkt zu nehmen.
Die Prävention hat bei Männern tatsächlich einen positiven Nutzen, bei Frauen aber gar nicht. Schlimmer wirken sich Digitalis-Medikamente aus. Die haben starke Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen für das weibliche Geschlecht, wenn Ärzte die Dosis nicht anpassen. Und das tun sie in der Regel nicht, denn das steht in den allgemeinen Behandlungsempfehlungen schlichtweg nicht drin. Dieser Umstand führt nach wie vor dazu, dass viele Medikamente mehr schaden als nutzen.
Da hilft es der Frau auch nicht zu wissen, dass sie deutlich seltener von einem solchen Leiden betroffen ist. Im Schnitt dauert es 10 Jahre länger, ehe Herzinfarkte sich häufen im Gegensatz zum Mann. Ein Grund dafür sind die Wechseljahre. Vorher profitieren Frauen vom schützenden Effekt der Östrogene (weibliche Geschlechtshormone). Diese regulieren nicht nur den Zyklus, sie sind außerdem zuständig für unterschiedliche Stoffwechselprozesse, erweitern die Blutgefäße und steuern die Blutgerinnung sowie Entzündungsreaktionen. Nach der Menopause lässt der Schutz drastisch nach, und das Risiko steigt. Auch viele äußere Faktoren wie Stress, psychische Probleme, Einsamkeit, Rauchen, Alkohol trinken und ungesunde Ernährung wirken sich ungünstig auf die Herzgesundheit aus.
Laut einer Analyse des Statistischen Bundesamts erlitten zwischen 2014 und 2017 insgesamt 559.220 einen sogenannten NSTEMI, 280.515 einen STEMI. Letzterer ist eine schwere Form des Infarkts, bei dem auch ST-Streckenbewegungen im EKG wahrzunehmen sind. Ein NSTEMI ist die leichtere Variante, die oft untypische Symptome zeigt. Einen STEMI erleiden statistisch gesehen immer weniger Menschen in Deutschland. Trotzdem sind 70 Prozent der erkrankten Männer, die durchschnittlich jünger sind als weibliche Patientinnen. Diese erhalten seltener eine koronare Gefäßöffnung und mit 2,7 Prozent gegenüber 4,2 Prozent auch seltener eine koronare Bypass-Operation. Warum es diesbezüglich so große Geschlechtsunterschiede gibt, ließ sich nicht klären. Fakt ist, Frauen sterben häufiger am STEMI. Ihre Sterblichkeitsrate lag bei 15 Prozent gegenüber den 9,6 Prozent der männlichen Verstorbenen. Auch beim NSTEMI sterben mehr Frauen (8,4 Prozent gegenüber 6,3 Prozent bei den Männern).
Immer mehr Ärzte fordern: Das muss sich ändern. Eine bessere Aufklärungsrate zu den typischen Frauensymptomen eines Herzinfarkts und den geschlechtsspezifischen Unterschieden in Früherkennung und Behandlung könnten viele Todesfälle verhindern.