Mehrere Jahrzehnte war Reinhard Klimmt der Macher beim 1. FC Saarbrücken. Oft im Hintergrund, aber in der schlimmsten Krise der Vereinsgeschichte auch in der ersten Reihe. Heute beobachtet er das Geschehen aus dem Hintergrund.
Auf dem Auto vor dem Einfamilienhaus auf dem Saarbrücker Eschberg klebt ein Aufkleber mit dem Schriftzug „Liebe kennt keine Liga". Dieser Slogan sagt eigentlich alles aus über die Verbindung von Reinhard Klimmt zum 1. FC Saarbrücken. Es ist eine ungewöhnlich enge Bindung, gerade für einen gebürtigen Nicht-Saarländer. Anfang der 60er-Jahre kam der passionierte Kicker, der beim VfL Osnabrück fast Profi geworden wäre, nach Saarbrücken. Der aktive Jungsozialist war als Student ein gern gesehener Mitspieler in den Reihen der Studentenverbindungen. Später baute er eine Auswahl der Saarbrücker Sozialdemokraten auf. „Der FCS war ja damals schon das Aushängeschild des Saar-Fußballs. Als ich nach Saarbrücken kam, war Saar 05 auch noch recht erfolgreich, aber mich hat es von Beginn an zum FC gezogen", erzählt Klimmt.
Später spielten die Saarbrücker Sozis auf einem Nebenplatz des FCS-Sportfelds, dort trainierten auch die „Alten Herren" des FCS. „Ich konnte immer schon ganz gut mit Geld umgehen", sagt Klimmt schmunzelnd, „irgendwann haben wir gemeinsam trainiert, und da wurde die Bitte an mich herangetragen, dass ich die Kasse der AH verwalte. Wenig später wurde ich Präsident der Mannschaft. Das bin ich auch bis heute."
Wer den ehemaligen Ministerpräsidenten und Bundesverkehrsminister in den Tagen vor seinem 80. Geburtstag besucht, erlebt einen Mann, der mit sich im Reinen ist. Klimmt, der Historiker und Bücher-Narr, ist ein wandelndes Lexikon. Mit seinen Anekdoten über die wechselvolle Geschichte der Blau-Schwarzen kann er Nachmittage füllen. Sein Lieblingsbuch? „Na, ganz klar. Die Chronik zum 100. Geburtstag des FCS im Jahre 2003. Die habe ich ja schließlich mitgeschrieben", sagt er und muss wieder grinsen. Klimmt ist aufgeräumt, verklärt die Vergangenheit nicht und präsentiert sich als Sportler durch und durch. Weggefährten haben ihn über all die Jahre als verlässlichen Partner, aber vor allem fairen Sportsmann beschrieben. Hart in der Sache, keinem Zweikampf aus dem Weg gehend, aber stets zum Handschlag bereit. Er hat Dutzende Trainer und Funktionäre kommen und gehen sehen, über keinen verliert er ein schlechtes Wort. „Ich bin sicher, dass alle aus ihrer Sicht heraus das Beste für den Verein wollten. Nicht immer hat es funktioniert. Aber ich war nie jemand, der nachtritt", sagt Klimmt.
Verlässlicher Partner
1973 lernt er seine Ehefrau Christa kennen, bis heute besuchen sie fast jedes FCS-Heimspiel. „Sie war damals schon ’ne richtige Fußballer-Braut, ist mit ihrem Vater bereits zum Kieselhumes gegangen, wo der FCS nach dem Krieg spielte. Sie war immer ein extremer Rückhalt, ich hatte neben der politischen Karriere auch durch den Fußball eine Menge Verpflichtungen. Sie hat sich nie beschwert, wenn eine Sitzung mal länger gedauert hat", erzählt er. Als junger Kicker war Klimmt Mittelläufer. „Heute würde man Sechser dazu sagen." Später, in der Traditionsmannschaft, wurde er Libero. Und das war er auch als Funktionär. Ein klassischer Ausputzer, der Gefahrenquellen beseitigt. 1985 löste die SPD die CDU in der Saarbrücker Staatskanzlei ab. Oskar Lafontaine wurde Ministerpräsident, Klimmt übernahm die Führung der Landtagsfraktion. Sie führten fortan ein Land, das mitten im Strukturwandel begriffen war. „Kohle und Stahl gingen den Bach runter, die Menschen benötigten einen Halt. Also haben wir beschlossen, dass wir den FCS nicht kaputtgehen lassen dürfen. Oskar hat gesagt, dass ich mich drum kümmern soll. Das habe ich getan." 1985 waren die Blau-Schwarzen gerade in die Bundesliga aufgestiegen, spielten eine gute Hinrunde. „Aber im Verein war es unruhig. Die Vereinsführung hat den Überblick verloren, wollte mit Erfolgstrainer Uwe Klimaschefski nicht verlängern. Der hatte daraufhin keinen Bock mehr. Wir wurden durchgereicht", sagt Klimmt und fügt kopfschüttelnd hinzu: „Auch so ein Abstieg, der unnötig war wie ein Kropf." Im Sommer 1986 war die Kasse leer und das Präsidium zurückgetreten. Hermann Neuberger, einflussreicher Saartoto-Chef und DFB-Präsident, bat Klimmt, das Präsidentenamt bei seinem Heimatverein zu übernehmen. „Aber das ging nicht. Ich war als Fraktionsvorsitzender gebunden", sagt Klimmt, der sich dann auf die Suche machte. Er überzeugte den Stadtwerke-Manager Norbert Walter, die Führung zu übernehmen, installierte Ex-Kapitän Walter Müller als Manager und überredete den Unternehmer Dieter Marquardt, das Amt des Vizepräsidenten anzutreten: „Das hätte funktionieren können, aber die kamen nicht miteinander aus." Später verpflichtete Klimmt Felix Magath als Sportchef und band den Vermarktungsexperten Georg Rebmann, der mit dem ATSV Saarbrücken Tischtennisgeschichte schrieb, in die Vereinsarbeit ein. Auch das war nur ein Bündnis auf Zeit. „Ich hatte nie wirklich viel Urlaub. Aber immer, wenn ich mal weg war, ist da einer zurückgetreten. Es war wie verhext", erzählt Klimmt Jahrzehnte später grinsend. Dennoch stieg der FCS 1992 in die Bundesliga auf. Dann entdeckte die CDU plötzlich ihre Liebe zum Verein, setzte den früheren Umweltminister Günther Schacht in einer turbulenten Versammlung als Präsident durch. Wie schon 1985 war die Hinrunde gut, die Querelen verhinderten aber eine Etablierung. Wieder stieg der FCS ab, und dies hatte weitreichende Folgen. Nicht nur, weil Kurzzeit-Präsident Schacht entnervt das Handtuch warf. „Das Bosman-Urteil hat dazu geführt, dass die Spieler plötzlich nichts mehr wert waren. Hinzu kamen die explosionsartig gestiegenen Beiträge zur Berufsgenossenschaft. Und die Sponsoren haben auch nicht Schlange gestanden", sagt Klimmt.
Turbulente 80er-Jahre
Zwei Jahre später kam es zum Super-GAU. Der DFB verweigerte dem FCS, der achtbarer Siebter in der Zweiten Liga war, die Lizenz. Wenige Monate später weigerte sich die Sparkasse, die Darlehen weiter laufenzulassen. Der FCS stand vor dem Konkurs. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass es Klimmt war, der dafür sorgte, dass in Saarbrücken bis heute professioneller Fußball gespielt wird. Der Sozialdemokrat suchte das Gespräch mit der Opposition und band CDU-Mann Klaus Meiser in die Neustrukturierung mit ein. Er besorgte mit dem damaligen Baumarktriesen Praktiker einen neuen Sponsor, der allerdings zur Bedingung machte, dass Klimmt zumindest für eine Übergangszeit das Präsidentenamt übernimmt. 1996 war es so weit. Der Ausputzer trat in die erste Reihe. Aber nicht ohne die Zukunft zu planen. „Es war absehbar, dass Lafontaine 1998 nach Berlin gehen würde. Ich war gewissermaßen Ministerpräsident im Wartestand." Klimmt spielte über Bande und überredete den Unternehmer Hartmut Ostermann, damals Präsident beim Rivalen FC Homburg, zu einem Engagement in Saarbrücken. Der Chef der Victor’s Group rückte in den neu gewählten Aufsichtsrat des FCS und gab Klimmt das Versprechen, für den Fall seiner Wahl zum Ministerpräsidenten ihn als FCS-Präsident abzulösen. So kam es dann auch, und Klimmt übernahm die Spitze des Aufsichtsrates. 1999, nach der verlorenen Landtagswahl, ging er als Verkehrsminister nach Berlin. Doch die FCS-Vergangenheit holte ihn ein. Ein Dienstleistungsvertrag mit der Trierer Caritas-Gesellschaft wurde von einem Gericht als Beihilfe zur Untreue eingestuft. Klimmt, der kurz davor war, stellvertretender Parteivorsitzender zu werden, musste zurücktreten. Das Ende einer politischen Laufbahn.
Abruptes Ende im Jahr 2013
Dem FCS blieb er treu, machte eine Achterbahnfahrt von der Zweiten Liga bis zur Oberliga mit und gewann schließlich Vereins-Legende Dieter Ferner zur Mitarbeit. Sportlich ging es auf und ab, und die unendliche Stadiongeschichte raubte auch dem politischen Schwergewicht den letzten Nerv. 2013, Ostermann hatte gerade wieder das Präsidentenamt übernommen, stand der FCS sportlich in der 3. Liga mit dem Rücken zur Wand. „Ich hatte eigentlich keine Lust mehr, wollte aufhören. Ostermann hat mich gebeten weiterzumachen", sagte Klimmt und nennt das bis heute „einen Fehler. Die Unzufriedenheit war groß, junge Leute aus der Fanszene sind massenhaft in den Verein eingetreten. Sie wollten neue Gesichter, brauchten einen Sündenbock." Auf einer denkwürdigen Versammlung verfehlte Klimmt die Wiederwahl in den Aufsichtsrat um vier Stimmen. „Egal, ob als Politiker oder Funktionär muss man wissen, dass es immer Ämter auf Zeit sind. Aber dass die Ultras bei Verkündung des Ergebnisses gejohlt haben, hat mich schon getroffen." Einige Zeit wurde es still um den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden, der sich bestätigt fühlen durfte, schließlich lieferten sich seine Nachfolger im Kontrollgremium doch eine Schlammschlacht, die den Verein im Frühjahr 2016 an den Rand der Handlungsfähigkeit brachte. Dann schlug wieder die Stunde des Ausputzers.
Klimmt brachte Ostermann und Ferner an einen Tisch und hatte maßgeblichen Anteil an der Installation des früheren Kapitäns Marcus Mann als Sportdirektor. Und die Kurve ging wieder nach oben. Heute schaut sich Klimmt das Geschehen aus der zweiten Reihe an, arbeitet an der Strukturierung eines informellen Beirats und versucht Unternehmern ein Engagement beim FCS schmackhaft zu machen. Bereut hat er seine jahrzehntelange Treue nie. Dass sein Ehrenamt für das Ende seiner politischen Karriere verantwortlich war, hat er verdaut. „Es ist eben so", sagt der Sportsmann, der nie nachgetreten hat und fügt hinzu: „In all den Jahren hat mir der FCS deutlich mehr Freude als Tränen bereitet. Wenn ich einen Wunsch habe, dann dass ich noch mal einen Aufstieg in die Zweite Liga erleben darf."