Ümit Ergirdi ist neuer Sportdirektor bei Regionalligist Berliner AK – nicht zum ersten Mal tritt er dabei ein Amt als „Anfänger“ an.
Auch ein Fußballverrückter braucht mal eine Pause – im Fall von Ümit Ergirdi war es sogar derart dringend, dass er sein Amt als Trainer der Füchse Berlin Reinickendorf (Berlin-Liga) im November 2022, also mitten in der Saison, niederlegte. „Da ist auch die eine oder andere Träne in der Kabine geflossen“, verriet der 41-Jährige später. Die Belastung im Amt war ihm schlicht zu groß geworden – schließlich ist Ergirdi auch als Anwalt in einer Kanzlei (mindestens) 40 Stunden die Woche beschäftigt und obendrein Familienvater. Umso überraschender, dass er dann aber Ende 2022 als Sportdirektor beim zwei Klassen höher spielenden Berliner AK vorgestellt wurde. Im November hatte der bisherige Inhaber dieses Amts beim Regionalligisten, Benjamin Borth, zunächst seinerseits die Tätigkeit beendet – und wenige Tage später bei Ligakonkurrent Tennis Borussia in gleicher Funktion begonnen. Der erst 28-Jährige war zuvor bereits lange Zeit in verschiedenen Funktionen beim BAK tätig gewesen und hatte sich schließlich als einer der Verantwortlichen am gelungenen Umbruch der Moabiter verdient gemacht: Denn trotz einer stark verjüngten Truppe startete man überaus erfolgreich in die Spielzeit 2022/23 und hat sich zur Winterpause als Tabellenvierter mittendrin im Konzert der großen Namen wie Energie Cottbus, Rot-Weiß Erfurt, Chemnitzer FC oder auch Carl Zeiss Jena etabliert.
Belastung im Amt wurde ihm zu groß
So hinterließ Borth als Sportdirektor durchaus gewisse Fußstapfen beim BAK – und deutete dabei auch an, wie intensiv die Arbeit am Kader ausfiel: „Der Sommer war echt hart“, erzählte er dem „Kicker“. „Wir waren sehr fleißig, haben nur wenig geschlafen – Tag und Nacht stand ich mit Trainer Benjamin Duda in Kontakt.“ Wie aber passt diese phasenweise Überlastung zu den Planungen des neuen Sportdirektors? „Der Einstieg im Winter ist nicht so kompliziert“, erklärt Ümit Ergirdi zunächst die ganz aktuelle Situation, „die Mannschaft hat bis zur Pause eine gute Runde gespielt, sodass man nicht viel eingreifen muss.“ Generell sei er als Trainer bei den Füchsen eingespannter gewesen: „Da gehst Du morgens um 7.30 Uhr aus dem Haus, um das Kind zur Schule zu bringen – von da zur Arbeit“, beginnt er seine Aufzählung. „Feierabend ist dann etwa 17.30 Uhr, von 19 bis 20.30 Uhr Training, da bin ich vor 21.30 Uhr nicht zu Hause gewesen.“ Das Ganze dann dreimal die Woche – und am Samstag oder Sonntag noch ein Spiel, bei dem man noch mal insgesamt etwa fünf Stunden vor Ort ist. In der leitenden Funktion beim BAK sieht sich Ergirdi hingegen flexibler und nicht mit so einem großen Aufwand belastet: „Klar muss ich auch bei Spielen sein, aber nicht anderthalb Stunden davor und danach noch in Präsenz.“ Viel könne man per Telefon abarbeiten – ob nun mündlich beziehungsweise per Textnachricht – oder mit dem Laptop.
Geplant hatte Ergirdi eine „Karriere“ im Traineramt oder als Sportlicher Leiter nicht – aber vorstellen konnte er es sich allemal, denn: „Wenn man mal erst mal im Fußball ist, will man natürlich auch immer irgendwie dabeibleiben.“ Und er ist nun auch schon weit über 30 Jahre im Berliner Fußball tätig. Seinen Anfang nahm alles im Märkischen Viertel, wo er als Junge beim MSV Normannia 08 begann. „Da habe ich noch mit Karim Benyamina oder Benjamin Köhler zusammengespielt“, erzählt Ergirdi, „in der B-Jugend lief es dann aber mit dem körperlichen Wachstum nicht so wie bei den anderen, und ich musste einen ‚Umweg‘ nehmen.“ Über den BSC Rehberge und Hürriyetspor (heute SV Hürriyet Burgund) gelang ihm über die NOFV-Oberliga Nord (BFC Preussen, Tennis Borussia) schließlich der Sprung in die viertklassige Regionalliga Nord. Als torgefährlicher Mittelfeldspieler konnte der 1,71 Meter große Ergirdi 2008 das Interesse des SV Babelsberg 03 gewinnen – und nach zwei Jahren stieg der SVB mit ihm als zweitbestem Schützen sogar in die 3. Liga auf. Doch in der Vorbereitung erwischte es den 28-Jährigen: „Ich zog mir eine Verletzung des Sprunggelenks zu“, berichtet er heute, „die daraufhin eingeschlagene, konservative Behandlung sollte sich dann im Nachhinein als falsch erweisen.“ So machte sich der Endzwanziger, der das Abitur in der Tasche hatte, Gedanken über die Zukunft – und die hieß letztlich: sportlich einen Schritt zurücktreten und lieber eine berufliche Qualifikation absolvieren. Fußballerisches Ziel wurde der damalige Oberligist BFC Viktoria 89, mit dem Ergirdi später den Aufstieg vollzog und auch nach der Fusion zum FC Viktoria 1889 Berlin bis 2018 in der Regionalliga die Treue hielt. Parallel absolvierte er ein Jurastudium, das ihm schließlich mit Ende der Fußballerkarriere einen Start in einer Kanzlei als Rechtsanwalt ermöglichte.
Von Qualitäten überzeugt
„Rückblickend kann man sagen, dass alles irgendwie gepasst hat und ich die richtigen Entscheidungen getroffen habe“, sagt der gebürtige Berliner. Wehmut über das Verpassen der ganz großen Laufbahn als Profifußballer herrscht bei ihm jedenfalls nicht vor: Die Familie, der Beruf, das Leben in seiner Heimatstadt – all das ist für ihn mit einer gewissen Qualität verbunden. Aktiv geht er dem Fußball auch immer noch hin und wieder bei den Senioren von Hertha BSC nach, wo er mit ehemaligen Bundesligagrößen wie Sami Allagui oder Malik Fathi zusammen spielt. Als ihn jedoch die Füchse ansprachen, ob er den vakanten Trainerposten übernehmen wolle, sagte Ergirdi im Winter 2020/21 zu – obwohl er keinerlei Vorkenntnisse mitbrachte. Ebenso übrigens wie nun beim Berliner AK, wo man dennoch von seinen Qualitäten überzeugt ist: „Ümit Ergirdi war auch in seiner Zeit als Fußballer erfolgreich und mein erster Wunschkandidat auf diesem Posten“, erklärte Ebubekir Han zu der Personalie. Der Präsident des BAK betonte dabei auch dessen Vorbildfunktion, da er leistungsorientierten Sport mit dem zeitintensiven Studium sowie Beruf erfolgreich verbunden habe. Ein Problem sieht der neue Sportdirektor dabei selbst noch im überregionalen Netzwerk – verfügt er im Berliner Fußball über beste Kontakte, so muss er nun auch national und international die Fühler ausstrecken. Eine Aufgabe, der sich Ümit Ergirdi unter den besprochenen Bedingungen jedoch gewachsen sieht – da von beiden Seiten außerdem eine Vertragsdauer zunächst kein Thema war, kann man die Zusammenarbeit zunächst einmal entspannt angehen.