Er ist zwar ein Neuzugang, doch seine neue Trainings- und Spielstätte kennt Daniel Schlingmann ganz genau. Heimspiele des Handball-Drittligisten HG Saarlouis verfolgte er schon als Steppke – später lernte er die Atmosphäre als gegnerischer Torwart kennen.
Die Erwartungshaltung ist groß: „Ich weiß, dass ich in keine kleinen Fußstapfen trete, aber ich denke auch, dass ich sie ausfüllen kann", sagt Daniel Schlingmann. Der 31-Jährige ist bei Handball-Drittligist HG Saarlouis der Nachfolger des nach Luxemburg abgewanderten, jahrelangen Stammtorhüters Patrick Schulz und bildet mit HG-Urgestein Darius Jonczyk und Talent Julien Bro das Saarlouiser Torwart-Trio. Saarländer Schlingmann, der von Ligakonkurrent TSG Haßloch kam und in Saarlouis einen Zweijahresvertrag unterzeichnet hat, wurde an einem Handball-Internat ausgebildet und hat etwa 20 Bundesligaeinsätze vorzuweisen.
Daniel Schlingmann wurde in Hildesheim geboren, wo er bei Eintracht Hildesheim mit dem Handballspielen anfing. Als er fünf Jahr alt war, zog die Familie ins Saarland – genauer gesagt nach Merzig. „Weil mein Vater bei Villeroy & Boch arbeitet", erklärt der 31-Jährige. 2007, im Alter von 15 Jahren, verließ er das kleinste Flächenland der Republik schon wieder. Nach einigen Spielzeiten in den Jugendabteilungen des HSV Merzig-Hilbringen sowie des TuS Brotdorf zog es ihn an das Handball-Internat des TSV Bayer Dormagen (später: DHC Rheinland). „Das war ein großer Schritt und nicht ganz leicht, aber rückblickend hatte es mir ganz gutgetan, so früh von zu Hause auszuziehen", sagt er und ergänzt: „Ich hatte aber große Unterstützung von meinen Eltern, die zu jedem Heimspiel angereist sind." Nach zwei Jahren in der A-Jugend durfte Schlingmann Erstligaluft bei den Herren schnuppern, darüber hinaus sammelte er via Zweitspielrecht Einsatzzeiten in der Regionalliga/3. Liga.
Er tritt in große Fußstapfen
Der Weg zum Handballprofi schien vorgezeichnet. Doch ab dem Jahr 2011 lief es beim DHC finanziell nicht mehr rund. Nach zwei Insolvenzen musste der Club in die 3. Liga zwangsabsteigen. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem Schlingmann schon fest zur Ersten Mannschaft gehörte. Auch Zweitligist HSG Düsseldorf, zu dem er im Februar 2012 wechselte, ging kurze Zeit später insolvent. „Ich wäre gerne in der Gegend geblieben und hatte mich auch schon um einen Ausbildungsplatz bemüht, aber leider lange keine Rückmeldung bekommen. Ich hatte damals auch keinen Berater, der etwas für mich hätte regeln können", berichtet Schlingmann und erklärt: „Daraufhin habe ich mich mit meinen Eltern besprochen und beschlossen, den Fokus auf die Berufsausbildung zu legen. Weil das bei Villeroy & Boch sehr schnell möglich war, kam ich zurück nach Hause." Dort machte er zwischen 2012 und 2015 eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Villeroy & Boch und spielte währenddessen bei Saarlandligist HF Illtal. Der wegen der Insolvenzen seiner Ex-Vereine verpassten Chance auf eine Profikarriere trauert Schlingmann nicht mehr nach. „Natürlich schwelgt man gerne mal in Erinnerungen und denkt auch mal hin und wieder ‚Was wäre gewesen, wenn …‘, aber für mich ist das abgehakt", stellt er klar. Zur Saison 2015/2016 folgte dann der Wechsel zur TSG Haßloch.
Der erste Kontakt erfolgte damals über den damaligen Oberligist HSV Merzig-Hilbringen, für den sich Schlingmanns Vater Jens-Peter (bis 2017 1. Vorsitzender) und seine Mutter, die frühere Nationalspielerin Claudia Schlingmann, jahrelang engagierten. Während der Abstimmung einer Spielverlegung mit dem damaligen Ligakonkurrenten TSG Haßloch fragte der TSG-Vertreter Schlingmanns Mutter plötzlich: „Haben Sie denn etwas mit dem Torwart der HF Illtal zu tun?" Wenig später wurde der Wechsel eingetütet. Die Liaison mit den Pfälzern hielt sieben Jahre – eben bis zum Wechsel nach Saarlouis 2022. „Ein Tapetenwechsel war nötig. Es gab auch Angebote anderer Vereine, aber schon nach dem ersten Gespräch mit der sportlichen Leitung war mir klar, dass ich zur HG wechseln werde", sagt Daniel Schlingmann und erklärt: „Die Nähe zur Familie spielte eine wichtige Rolle, aber den Ausschlag gaben das gute Gespräch mit Mathias Ecker und die Perspektive, die er mir aufgezeigt hatte. Ich habe eine Nacht darüber geschlafen, und dann war das Thema für mich durch." Etwas irritiert hatte ihn später lediglich, dass nicht Maik Handschke, mit dem er schon „gute Gespräche" geführt hatte, sein neuer Trainer wurde, sondern Mitspieler Branimir Koloper. Handschkes Engagement scheiterte einen Tag vor der geplanten Vertragsunterzeichnung, weil sein Arbeitgeber, der luxemburgische Handballverband, sein Veto einlegte. „Ich denke, die Situation war für alle nicht leicht. Für die Mannschaft, aber auch nicht für Branko selbst. Er hatte sich das ja ursprünglich auch anders vorgestellt", findet Schlingmann. Inzwischen hat sich die Skepsis gelegt: „Branko hat uns in der Vorbereitung schon sehr stark gefordert. Wir hatten jeden Tag Training – das kannte ich so schon lange nicht mehr. Aber ich persönlich liebe den Handball und habe da eh Bock drauf und auch alle anderen haben mitgezogen."
Irritationen um den künftigen Trainer
Sein neues „Wohnzimmer", die Stadtgartenhalle, kennt Daniel Schlingmann nur zu gut. Als „kleiner Stöpsel" sei er dort schon zu Zweitliga-Zeiten zu Gast gewesen, später machte er mehrfach als gegnerischer Torwart seine Aufwartung. „Es war schon absolut geil, als Zuschauer in der ausverkauften Halle zu stehen. Auch als Gegner, insbesondere in den Derbys mit Haßloch, war die Kulisse sehr beeindruckend", schwärmt er von seiner neuen Trainings- und Spielstätte und merkt mit einem Augenzwinkern an: „Ich bin froh, dort jetzt an den Spieltagen das richtige Trikot zu tragen." Diese Erfahrung durfte er in der laufenden Saison schon zweimal machen –
beim 28:26-Sieg über den VfL Gummersbach II am zweiten und gegen Aufstiegskandidat HSG Hanau am dritten Spieltag. „Das hat schon unheimlich viel Spaß gemacht. Dass die Fans so mitgehen, passt sehr gut zu meiner emotionalen Art", berichtet er und weiß: „Wir als Mannschaft sind dafür verantwortlich, dass die Halle gut gefüllt bleibt. Wenn es weiter so gut läuft, kommen vielleicht sogar noch mehr Leute in die Halle."
Fitness und Einstellung stimmen schon mal, der Feinschliff, vor allem im neuen Abwehrsystem, soll in den kommenden Wochen erfolgen. Darauf kann sich der nach Torwart-Kollege Darius Jonczyk (37) und Spielertrainer Branimir Koloper (36) Drittälteste im Kader voll konzentrieren: Seit zwei Jahren absolviert Schlingmann ein Duales Studium der Sportökonomie, durch das er seit seinem Wechsel beim Verein angestellt ist. Wenn alles nach Plan läuft, ist sein Bachelor-Studium im Mai 2023 beendet. Wo die HG dann in der Tabelle der Süd-West-Staffel der 3. Liga stehen wird? „Wir wollen auf jeden Fall oben mitspielen. Uns ist klar, dass Ferndorf weit oben landen wird und mit Dansenberg und Hanau zwei weitere starke Teams dahinterstehen", sagt Schlingmann, betont aber auch: „Doch wir wissen auch, dass wir jeden schlagen können."