So schnell vergehen 25 Jahre, wenn das Smash-Konzept kürzerer Matches nicht aufgeht: Nach nur fünf Jahren entscheiden sich die Investoren-Agentur Kosmos und der Welttennisverband ITF für getrennte Wege beim Nationencup.
Die Aufmerksamkeitsspanne eines jungen, konsumverdächtigen Publikums ist kurz. Sport als Produkt sollte sich dem anpassen, um die für Marketingstrategen begehrliche Zielgruppe für sich zu gewinnen. Denken oder sagen manche. Demgemäß handelten die Investoren des altehrwürdigen Davis Cups, der im Jahr 1900 erstmals den Teamgeist der Tennisnationen über Plätze und Hallen huschen ließ.
An dessen Auftritten bei vier übers Jahr verteilten Runden fanden auch weniger tennisaffine Nationen Geschmack. Mannschaften aus aller Spieler Länder feierten mit ihren Unterstützern Heim- und Auswärtsspiele mit oft episch langen Matches. Die sportlichen Partien, ähnlich strapaziös wie Grand-Slam-Marathons, kollidierten allerdings immer stärker mit den dichten Turnierplänen der Profis. Das Dabei- oder Nicht-Dabei-Sein der Topspieler inmitten der Saison sorgte ein ums andere Mal für Schlagzeilen. Ab 2019 gab es solche Loyalitäts-versus-Karriere-Konflikte nicht mehr. Die Ratio geschäftlichen Kalküls bestimmte die neue Konzeption des Davis Cup. Fix stand von da an fest, dass in einer Weltgruppe achtzehn Mannschaften, sieben Tage lang, Ende November den Cup ausspielten. In kurzen, leicht verdaulichen Partien, wenn die Profi-Saison vorbei ist. Kanada kürte sich zum letztjährigen Champion.
Probleme mit dem Terminkalender
Doch der Geldmacher-Plan ging nicht auf. Dem Vernehmen nach kostete die gestraffte Großinszenierung mehr als sie einbrachte. Auch wenn sich überraschend viele Spitzenspieler am Jahresende aufrafften, beim Endspiel-Spektakel Davis Cup zu spielen. Und obwohl der Spielmodus alljährlich neu umgewälzt wurde, wodurch die vorgelagerten Partien wieder näher zu den Fans rückten. DaSo wie die DC-Qualifikationsrunde Deutschland gegen die Schweiz, die am dritten und vierten Februar in Trier ausgetragen wird.
Davis-Cup-Spieler zu sein gilt wie ein Adelstitel vor der Berufsbezeichnung. Standesgemäß hat Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann für die
Qualifikation im Februar Alexander Zverev, 2022 Nummer zwei der Tennis-Weltrangliste, sowie die Weltklassespieler Oscar Otte, Jan-Lennard Struff und Tim Pütz nominiert. Ein eingespieltes Team, zu dem als fünfter Mann Doppelexperte Kevin Krawietz stoßen könnte. Sofern bis dahin sein Kind schon geboren sein sollte. Der fränkische French-Open-Sieger verzichtete auf die Australian Open, um die Geburt seines ersten Kindes nicht zu verpassen.
„Diese Spieler haben im vergangenen Jahr überzeugt und bilden das Gerüst unserer Mannschaft. Auf ihre große Erfahrung und sportliche Klasse können wir uns in engen Situationen verlassen“, sagte Kohlmann über die Nominierten rund um Zverev. Der Hamburger war bei der letzten DC-Gruppenrunde in seiner Heimatstadt beim Training dabei. Fürs Turnier selbst erwies sich sein Körper nach siebenmonatiger Verletzungspause als nicht ausreichend genesen. Doch jetzt sollte der deutsche Olympiasieger wieder fit sein. „Alexander hat früh seine Bereitschaft erklärt, uns auch in diesem Jahr im Davis Cup zu unterstützen. Wir haben bewiesen, dass wir in allen Konstellationen mit den besten Teams der Welt mithalten können“, betonte der deutsche Kapitän. Aus Melbourne sagte Zverev via Eurosport zu seinem Teamkollegen Krawietz, mit Anspielung auf dessen Vaterrolle: „Ich wünsche ihm alles, alles Gute. Es ist viel wichtiger, was da jetzt passiert, als alles Tennis. Wir sehen uns beim Davis Cup.“
Prämienzahlungen sind noch offen
Zurück zum befürchteten Ende des Davis Cups nach dessen Superkommerzialisierungsdebakel. Glaubt man dem Gemunkel, warten mitwirkende Teams weiter auf ihre Prämien. Das verfügbare Geld war dem Plan nach nicht nur für sie da. Auch den Tennisnationen sollte die Formatrevolution von 2018/19 mit fördernden Zuwendungen versüßt werden. Geld, das verteilt auf 25 Jahre die Kassen aufpeppen sollte. Ausgeträumt. Zum Jahresanfang wurde das Ende des Drei-Milliarden-Dollar-Deals zwischen Big Business und großem Tennis verkündet: Zwanzig Jahre früher als Starfußballer Gerard Piqué, gewichtiger Anschieber des Deals und Wortführer für Kosmos, großfüßig einst als Zeitraum vorgelegt hatte.
„Die ITF kann bestätigen, dass ihre Partnerschaft mit Kosmos Tennis für den Davis Cup endet“, hieß es in einer dürren Mitteilung des Welttennisverbandes ITF, der sich darin als „Hüterin des Wettbewerbs“ bezeichnet. Demgemäß soll es weitergehen, zumindest in diesem Jahr. Die ITF werde die Qualifikations- und Endrunden 2023 „wie geplant“ durchführen.
Auf der Davis-Cup-Website steht ergänzend zu lesen: „Die andalusische Regierung hat bestätigt, dass der Davis Cup by Rakuten Final 8 2023 wie geplant vom 21. bis 26. November in Málaga ausgetragen werden wird.“ Der zuständige Minister, Arturo Bernal, spricht von einem „organisatorischen Erfolg“ der letzten Ausgabe im Sportpalast und wird mit den Worten zitiert: „Die Junta de Andalucía handelt ihre Vereinbarungen mit den wichtigsten internationalen Verbänden aus, sodass wir der ITF voll und ganz verpflichtet sind und Málaga auch in diesem Jahr das Davis-Cup-Finale ausrichten wird.“
David Haggerty, der als ITF-Präsident das Geschäft mit der Investorengruppe Kosmos einst forciert hatte, betont, dass der Davis Cup 2022 mit 145 teilnehmenden Nationen eine „Rekordbeteiligung“ verzeichnet habe. Der US-Amerikaner fährt in seinem Statement fort: „Die Qualifikationsspiele, die Gruppenphase und das Final 8 in Málaga waren ein großer Erfolg mit Fans, die aus der ganzen Welt anreisten.“
Die Reaktionen auf das Ausscheiden von Kosmos spielen die emotionale Klaviatur rauf und runter. Wie schon beim Aus für den klassischen Davis Cup im Jahr 2018, als Team-Tennis am Beispiel von Fußball monetisiert werden sollte. Funktionäre, Fans und Spieler, vor allem aus Australien, Deutschland und Großbritannien, empörten sich damals. Doch viele versprachen sich Geld aus der exzessiven Vermarktung des Nationenwettbewerbs. Auch für die Jugend, den Nachwuchs, die Verbreitung und Popularität von Tennis weltweit.
Ein scharfer Kritiker der Reform nach Businessplan, der so kein Davis Cup mehr gewesen sei, war der Deutsche Tennisbund (DTB). Sein Vizepräsident, Dirk Hordorff, twitterte jetzt: „Einige sind vom Auseinanderbrechen von ITF und Kosmos in (Sachen) Davis Cup überrascht. Hätten sie auf die Experten in der Tennisbranche wie Ion Tiriac, Tennis Australia, Gilles Moretton oder LTA gehört, wüssten sie das. Für mich war es nie eine Frage, dass dies in einem Desaster enden wird.“
Scharfe Kritik aus Deutschland
In ihrem Statement, das vom Bruch der Beziehungen zu Kosmos kündet, spricht die ITF davon, „finanzielle Vorkehrungen“ getroffen zu haben. Und erzählt eine Erfolgsgeschichte: „Die ITF hat 2018 ein starkes Geschäft für das Tennis ausgehandelt. Die Partnerschaft hat die Teilnahme, das Preisgeld und das Interesse am Davis Cup erhöht und Mittel zur Förderung der globalen Entwicklung unseres Sports bereitgestellt.“
Hordorff, der einen MBA in Wirtschaftswissenschaften besitzt, legte indes auf Twitter nach: „Es ist schon komisch, dass sich einige Leute über das Ende der Kosmos-Davis-Cup-Geschichte wundern. Und noch lustiger, dass die ITF versucht, die letzten DC-Jahre als Erfolg zu verkaufen. Ich kann mir kein Szenario vorstellen, das dieser Veranstaltung mehr schaden würde.“
Ist er denn noch zu retten, der altehrwürdige Davis Cup, nach seiner gescheiterten Verjüngungskur? Reilly Opelka, Tennis-Riese aus den USA, zwitscherte im sozialen Netzwerk: „Der Davis Cup ist tot.“
Andere wollen ihn wiederbeleben. So wohl auch der DTB-Präsident Dietloff von Arnim. Im September will der Chef des deutschen Tennisverbands in Mexiko für das Amt des ITF-Präsidenten kandidieren. Gegenüber dem „Sport-Informations-Dienst“ sprach von Arnim am Rande der Australian Open von Schock und mangelnder Kommunikation mit Blick auf das Debakel rund um das „Kronjuwel“ der ITF. Aber auch von der Notwendigkeit einer soliden Finanzierung und einer Restrukturierung des Davis Cups aus der Expertise der Verbände heraus.
Paul McNamee, ein fleißiger Begleiter der Tennisszene auf Twitter und ehemaliger CEO der Australian Open, gab kund, womit er wohl vielen Fans des Davis Cups aus dem Herzen spricht: „Mit dem Scheitern der ITF-Kosmos-Partnerschaft wird der Davis Cup erneut unter die Lupe genommen werden. Es wird Anschuldigungen und Schuldzuweisungen geben und enorme Spekulationen. Inmitten des Lärms möchte ich lauthals verkünden, dass es ein Wettbewerb ist, der es wert ist, gerettet zu werden.“