Eine der besten Dramaserien der vergangenen Jahre findet in der sechsten Staffel ihr vorläufiges Ende. Das Gangster-Epos „Peaky Blinders" ist perfekt inszeniert und kann bei Netflix in voller Länge gestreamt werden.
Was macht der Krieg mit den Menschen? Eine Frage, die heute wieder aktuell ist, da ein Feldzug in Europa tobt. Ein Krieg, der Menschen tötet und in die Flucht treibt. Eine Auseinandersetzung, in dem unzählige Soldaten sinnlos sterben. So war es auch im Ersten Weltkrieg, ein brutaler Frontenkrieg, in dem Millionen Menschen ihr Leben lassen mussten.
Die Erzählung vom Aufstieg der Peaky Blinders, einer kriminellen Gang aus Birmingham, beginnt im Jahr 1919 kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Jede Staffel besteht aus sechs knapp einstündigen Folgen, und während der Staffeln schreitet die Zeitgeschichte voran. In der sechsten Staffel befinden wir uns bereits in den 30er-Jahren kurz vor dem nächsten Weltkrieg.
Was macht der Krieg mit den Menschen? Die Shelby-Brüder Thomas und Arthur waren in Frankreich und kehren nun als psychische Wracks zurück. Arthur Shelby stürzt sich in Alkohol, Gewalt und wird mit Suizidgedanken konfrontiert. So geht es den meisten. Thomas Shelby plagt sich mit Albträumen und bösen Erinnerungen an Völkerschlacht, übt sich jedoch in Selbstkontrolle und steigt in kurzer Zeit zum Boss der Peaky Blinders auf, obwohl er jünger ist als sein Bruder Arthur.
Meisterwerk in sechs Akten
Die Peaky Blinders sind eine Bande Kleinkrimineller, die im Kern aus der Familie Shelby besteht. Sie verdienen sich ihr Geld zunächst mit illegalen Pferdewetten und Schwarzhandel, später kommen Alkohol und Drogen dazu. Dadurch verschaffen sie sich schnell Respekt und einen gewissen Status in der Unterwelt von Birmingham. Der strahlende Antiheld der Serie ist Thomas „Tommy" Shelby, der wie er selbst sagt „keine Grenzen" kennt. Das führt einerseits zum fulminanten Aufstieg der Familie Shelby, andererseits leitet dieser Größenwahn auch den Zerfall ein. Der irische Schauspieler Cillian Murphy spielt ihn mit einer unglaublichen Akribie. Selbst in dessen dunkelsten Momenten, zeigt er immer wieder Tommys innerliche Zerrissenheit, die er nach außen durch Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle maskiert. So wirkt er selbst für seine späteren Frauen und Kinder immer unnahbar und lieblos. Überhaupt ist die Serie gespickt mit hervorragenden Schauspielleistungen. Beispielhaft steht dafür Thomas Tante Polly, grandios gespielt von der großartigen Helen McCrory, die 2021 an Krebs verstarb und daher in der finalen sechsten Staffel natürlich nicht mehr dabei ist. Ein weiteres Glanzlicht ist Paul Anderson, der Arthur Shelby mit einer derartigen Intensität verkörpert, dass es einem manchmal angst und bange wird.
Die Serie ist bis ins kleinste Detail eindrucksvoll inszeniert. Das beginnt bei den Kostümen, setzt sich fort in der Kameraführung, die oftmals von Zeitlupen und Nahaufnahmen geprägt ist, und findet seine Vollendung im genialen Soundtrack, der sich eben nicht aus Musik der 20er-Jahre zusammensetzt, sondern aus den düsteren und experimentellen Klängen von Künstlern wie Nick Cave, PJ Harvey, Thom Yorke, Joy Division, David Bowie, Black Sabbath und vielen mehr. Kritisch könnte man anmerken, dass durch diese Art der Inszenierung die damalige Zeit, die in erster Linie aus Armut, Gewalt und tiefer Depression bestand, verklärt und falsch dargestellt wird. Aber das wäre nicht fair, denn das künstlerische Verständnis der Serie lässt bewusst Gegensätze aufeinanderprallen, um die Fallhöhe ihrer Figuren zu erhöhen, sodass das Drama umso härter zuschlägt. Und so ist „Peaky Blinders" eher eine Mischung aus Theater, Tarantino-Western und Gangsterepos. Emotional vielschichtig, manchmal fast unerträglich brutal, aber immer seinem eigenen, vorgegebenen Stil folgend. Ein Meisterwerk in sechs Akten.
Aktuell läuft zwar die sechste und letzte Staffel auf Netflix. Aber es ist bereits bestätigt, dass sich noch ein Film anschließen wird, der das Schicksal von Thomas Shelby und seiner Familie zum Abschluss bringen wird.