Für den 1. FC Saarbrücken-TT hat das neue Tischtennis-Jahr mit einem Dämpfer begonnen. Patrick Franziska und Co. blicken allerdings trotz der verpassten Titelverteidigung im Pokal durch eine klare Halbfinal-Abfuhr gegen Meister Borussia Düsseldorf optimistisch auf die weitere Saison.
Eine gute Seite hatte die misslungene Verteidigung des deutschen Tischtennis-Pokals für den 1. FC Saarbrücken wenigstens doch noch: Patrick Franziska und seinen Mitspielern blieben durch ihre Halbfinal-Niederlage die inszenierten Emotionen des Pokalsiegers, des Retortenclubs TTC Neu-Ulm, einer kriegsgewinnlerisch zusammengekauften Söldner-Truppe um den langjährigen Russland-Legionär Dimitrij Ovtcharov. Stattdessen konnten sie bereits auf der mehr als 300 Kilometer langen Heimreise Ursachenforschung betreiben.
Anlass zur Analyse bestand nach dem 0:3 in der Neuauflage des Vorjahresendspiels gegen Meister Borussia Düsseldorf mit insgesamt nur zwei Satzgewinnen im Lager des entthronten Cupverteidigers zwar durchaus – zum Trübsalblasen dagegen offenbar nur in begrenztem Rahmen. „Natürlich sind wir enttäuscht. Wir hätten nur zu gerne den Pokal verteidigt“, sagte Franziska. „Aber uns war vorher klar, dass dafür alles für uns passen muss, denn Düsseldorf ist auf drei bis vier Positionen so stark besetzt wie wir nur auf zwei. 2022 sind viele knappe Situationen in unsere Richtung gegangen, diesmal war es anders. Wir wissen das einzuordnen.“
Düsseldorf auf „drei bis vier Positionen“ stark besetzt
Wie der Mannschafts-Olympia-Zweite wies auch FCS-Teamleiter Nicolas Barrois jeden Anflug von Dramatisierung weit von sich. „Es schmerzt natürlich, dass der Pokal, der ein Jahr einen schönen Platz bei uns hatte, auf der Rückfahrt nicht mehr bei uns im Auto ist. Unsere Enttäuschung ist aber vor allem deshalb groß, weil bei uns praktisch von Anfang an der Wurm drin war. Dadurch haben wir unsere wenigen Chancen verschlafen und konnten bei aller Entschlossenheit nicht stärker um den Sieg kämpfen.“
Tatsächlich bekamen die Saarbrücker im Dauerduell mit Düsseldorf ihre nominell tatsächlich vorhandene Unterlegenheit brutal zu spüren. Als Franziska nach dem 0:3 von Cedric Nuytinck zum Auftakt gegen „Mister Zuverlässig“ Anton Källberg und dem anders als erhofft klaren 1:3 von Europe-Top-16-Gewinner Darko Jorgic gegen Europameister Dang Qiu zum Prestigeduell mit Düsseldorfs Idol Timo Boll in die Box stieg, konnte der 30-Jährige den schon angefahrenen Zug auch nicht mehr stoppen: „Darko gegen Dang war für uns vorher ein 50:50-Spiel, und auch der Punkt auf der Drei wäre für uns enorm wichtig gewesen, zumal ich die letzten Spiele gegen Timo fast alle gewonnen hatte. Aber er war dieses Mal so sicher, wie ich ihn schon lange Zeit nicht mehr gesehen habe“, beschrieb Franziska die entscheidenden Faktoren für das Pokal-Aus seines Teams.
Über die ernüchternd triste Gegenwart trösten sich die Saarbrücker vorläufig mit erfreulicheren Perspektiven hinweg. In der Bundesliga liegt die Mannschaft von Trainer Wang Zhi auf Play-off-Kurs, und in der Champions League hat das Losglück dem FCS für die Halbfinals den schlagbaren Ligarivalen Post SV Mühlhausen statt die „Über-Teams“ (Barrois) Düsseldorf und neuerdings auch Neu-Ulm beschert. „In der Bundesliga muss man abwarten, ob Neu-Ulm auch da wirklich in die Play-offs will und dafür seine besten Spieler öfter einsetzt. Aber in der Champions League wollen wir auf jeden Fall ins Finale“, erläuterte Franziska die Marschroute.
„Jeder weiß, was fehlt“
Allerdings war dem Routinier zumindest noch für die laufende Saison die Betonung der Kräfteverhältnisse wichtig: „Düsseldorf und auch Neu-Ulm sind mit ihren besten Teams auf allen Positionen stärker als wir. Deswegen ist für uns schon jedes Finale eine super Leistung, die wir schon oft geschafft haben. Titel sind für uns aber nur ein Bonus und eine Zugabe.“
Das soll aber nicht so bleiben – laut Barrois im Idealfall noch in der laufenden Spielzeit. „Wir stehen ja nicht vor großen Rätseln, denn jeder weiß, was fehlt. Darko ist klar, was er gegen Dang besser machen muss, und ‚Franz‘ weiß auch, wie er gegen Timo gewinnt. Dieses Mal war es auch wieder einmal nur die Tagesform, denn wenn Timo einen schwarzen Tag hat, gewinnt Patrick 3:0, und dann sind wir auch wieder im Spiel. Wir müssen beim nächsten großen Spiel auf den Punkt besser sein als dieses Mal“, meinte Barrois und fügte hinzu: „Dann können wir vielleicht noch eine der beiden schönen Trophäen gewinnen und auch darauf hoffen, dass sie länger bei uns bleibt als jetzt der Pokal.“
Der Wunsch hat einen realistischen Hintergrund. Mit der kurz vor dem Pokal-Halbfinale bekannt gewordenen Verpflichtung des japanischen Bundesliga-Topspielers Yuto Muramatsu vom Aufsteiger 1. FSV Mainz 05 zur kommenden Spielzeit hat Saarbrücken bereits damit begonnen, seine Substanz insgesamt zu verbessern. „Vielleicht kommt auch noch einer“, deutete Franziska schon in Neu-Ulm weitere Transfers seines Clubs für die neue Saison an.
Verstärkungen sind für den FCS zur Behauptung seines Platzes im Kreis der deutschen und europäischen Spitzenklasse nahezu unausweichlich. Der Trend seit dem Pokalsieg 2022 gegen Düsseldorf zeigt mit den Niederlagen gegen die Rheinländer in den nachfolgenden Showdowns im Champions-League-Halbfinale der vergangenen Saison, im Bundesliga-Endspiel im Sommer vorigen Jahres und nun dem Pokal-Aus im Semifinale nach unten, auch wenn Barrois das relativiert: „Mit einer besseren Tagesform können wir mit Darko und Patrick weiterhin zwei bis drei Punkte gegen Düsseldorf machen. Wir sind ja auch nicht jedes Mal aus der Halle geschossen worden und sind meiner Meinung nach auf keinen Fall zurückgefallen.“
Gleichwohl ist Muramatsus künftiges Engagement eine Anpassung an die Realitäten. „Yuto“, meint Franziska schon vielsagend über den 26 Jahre alten Abwehrstrategen aus der Saarbrücker Trainingsgruppe, „Yuto kann an einem guten Tag jeden Spieler der Welt schlagen, und das brauchen wir auch, wenn wir Titel holen wollen, denn jeder von uns muss gegen jeden Spieler des Gegners die größtmöglichen Chancen haben zu gewinnen, damit wir Titelchancen haben.“
Ein Jahr nach Saarbrückens Pokalsieg beschreibt Barrois die Ausgangslage etwas diplomatischer. „Es ist ganz deutlich, dass Düsseldorf durch Dang Qius Steigerung in den großen Momenten stabiler geworden ist. Das können wir nur ausgleichen, wenn wir dafür sorgen, dass wir selbst mehr Stabilität bekommen durch Spieler, die an den Positionen drei und vier vielleicht noch mal fünf Prozent besser sind, als wir es im Moment noch aufbieten können.“
Vor diesem Hintergrund setzt auch Barrois auf Muramatsu. „Er hat in Mainz in seiner ersten Halbserie in der Bundesliga sehr stark aufgespielt, und wir bauen darauf, dass er uns stabiler werden lässt. Mit Cedric haben wir seit Saisonbeginn ja auch noch einen Top-Doppelspieler, und da möchte ich eigentlich auch gerne einmal in einem wichtigen Spiel sehen, wie Franziska/Nuytinck im Entscheidungsdoppel gegen Boll/Dang spielen.“
Der Ausbau der Leistungsdichte ist das erklärte Kernstück der Saarbrücker Philosophie zum Erhalt der Konkurrenzfähigkeit gegenüber Düsseldorf und Neu-Ulm. „Wir müssen uns stabiler aufstellen, wir müssen eine stabilere Saison spielen. Wenn wir diese Stabilität bekommen, sehe ich uns künftig nicht mehr in jeder Saison nur mit drei Vize-Titeln.“
Die Haltbarkeit dieser Prognose hängt nicht zuletzt auch von den weiteren Entwicklungen in Neu-Ulm ab. Der Pokal könnte im schlechtesten Fall für das deutsche Tischtennis und seine Bundesliga erst der Anfang einer mit sehr viel Geld künstlich geschaffenen statt wie in Saarbrücken oder Düsseldorf organisch gewachsenen Dominanz der Süddeutschen auch auf europäischer Ebene sein. Außer für Saarbrücken könnte vorläufig auch für den erfolgsgewohnten Branchenführer Düsseldorf bei Siegerehrungen lediglich die Zuschauerrolle bleiben.