Mittlerweile hat Sebastian R. seine Neurodermitis voll im Griff und hilft sogar anderen Patienten dabei mit der chronischen Hautkrankheit besser umzugehen. Doch es ist nicht immer so gewesen.
Als Sebastian auf die Welt kam, fiel mir sofort auf, dass er eine sehr trockene, weißliche Haut hat", erzählt Maria R. Damals hieß es, das seien die Reste der üblichen Schmiere nach einer Geburt. Sie vertraute den Ärzten, nahm ihren Sohn mit nach Hause. Doch Sebastians Haut wurde nicht rosig und zart, sie blieb trocken und rötete sich zunehmend. Der Kleine wirkte unruhig, jammerte viel. „Zum Stillen musste ich ihn fest pucken. Ab der neunten Woche sah man deutlich, dass etwas nicht stimmt. Ich brachte ihn zum Hautarzt. Er diagnostizierte sofort Neurodermitis."
Nach einer ausführlichen Untersuchung und Beratung wurde ein Rezept für eine auf Sebastians Haut abgestimmte cortisonhaltige Creme ausgestellt. Zusammengemixt wurde die Creme in der Apotheke. „Die Rezeptur wurde mehrfach geändert, bis wir wussten, was für mein Kind am besten war. Denn – so lernte ich sehr früh – Neurodermitis ist nicht gleich Neurodermitis. Was dem einen hilft, muss bei dem anderen nicht gleichermaßen wirken." Für Sebastian gab es eine spezielle Sommermischung und eine speziell für den Winter.
Nach einer Odyssee an unterschiedlichen Therapieansätzen kristallisiert sich heraus: Die Kombination aus Cortisoncreme, UV-Bestrahlung und Chlor wirkt besonders gut bei Sebastian. Wenn er im Freibad toben konnte, war von seiner Neurodermitis kaum etwas zu merken. Auch die salzige Meeresluft tat ihm gut. „Wir fuhren oft in Kur an die Nordsee. zu Hause nutzten wir Totes-Meer-Salz und Balneum-Hermal als Badezusatz. Wir gingen viel an der frischen Luft spazieren und lüfteten ständig, damit ein angenehmes Raumklima herrschte." Denn die Heizungsluft trocknete Sebastians Haut schnell aus. „Auch in puncto Bettwäsche und Kleidung mussten wir vieles beachten. Infrage kamen nur Naturfaser, die man auskochen konnte."
Das ist bis heute so geblieben, erzählt Sebastian. „Wenn ich mal nicht weiß, ob ich einen Stoff vertrage, frage ich meine Mutter oder meine Oma. Die wissen immer, was für meine Haut gut ist. Neu gekaufte Kleidung müssen wir vor dem ersten Tragen immer waschen. Fürs Bett habe ich spezielle Allergikerdecken, -kissen und -bezüge", erzählt der heute 21-Jährige.
Als Kind litt Sebastian stark unter seiner Hauterkrankung. Er hatte am ganzen Körper Ekzeme, kratzte sich oft blutig. Besonders an Oberschenkeln und zwischen den Fingern machten sich die Ekzeme breit.
Als Sebastian elf Monate alt war und mit seinen ersten Zähnchen fröhlich an einem Pfannkuchen rumknabbert, bekam er plötzlich keine Luft mehr. „Ich habe sofort den Notarzt gerufen, mein Kind wäre beinahe gestorben. Ursache seines Anfalls war eine Allergie gegen Hühnereiweiß. Später entwickelte sich noch Asthma dazu. Nicht untypisch für Patienten mit Neurodermitis. Die ersten Lebensjahre von Sebastian waren für Eltern, Großeltern und nicht zuletzt für den Kleinen selbst sehr aufregend.
Sebastian selbst kann sich an diese Zeit noch deutlich erinnern. „Es hat ganz schrecklich gejuckt, ich habe oft nicht aufhören können zu kratzen. Morgens und abends wurde ich eingecremt. An manchen Tagen war es für mich eine Tortur. Nicht immer wollte ich sie über mich ergehen lassen. Doch wenn wir an einem Tag mal nachlässig waren, merkten wir am nächsten Tag sofort die negativen Auswirkungen."
Schlimm für den Jungen waren Situationen, in denen andere Kinder selbstverständlich Schokolade oder Kuchen naschen durften. „Da musste ich gleich mehrfach aufpassen. Wegen meiner Allergien und meiner Neurodermitis. Ich habe manche bittere Erfahrung gemacht, wenn ich gegen den Rat meiner Mutter doch mal heimlich Schokolade genascht habe. Dann hatte ich die nächsten Tage richtig heftigen Juckreiz. Auch auf Stress oder Ärger reagiert meine Haut. Als ich mal mit einem Freund im Internet gespielt und nach einem Kampf verloren habe, habe ich mich fürchterlich aufgeregt. Ich habe mich richtig in meine Wut hineingesteigert und dann hat es mich wie verrückt am Bein gejuckt. Natürlich habe ich mich gekratzt. Das hat mir anfangs auch geholfen, meine Wut abzubauen. Doch am nächsten Tag sah ich sehr, sehr schlimm aus. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass Stress und Wut meine Neurodermitis befördern und ich dem Impuls, mich zu kratzen, nicht nachgeben darf."
Wurde Sebastian nachlässiger, bildete sich am nächsten Tag ein Hautausschlag
Je älter Sebastian wurde, desto selbstverständlicher wurde der Umgang mit seiner Erkrankung. „Dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen ich nachlässig werde mit dem Eincremen. Dann vergesse ich es abends. Wenn ich im Bett liege und es juckt, denke ich: ,Naja, so ein bisschen kratzen kann ja nicht schaden.‘ Das lindert dann zwar schnell den Schmerz, aber am nächsten Morgen sehe ich, dass es blöd war, mich nicht einzucremen. Dann habe ich wieder blutige Stellen am Körper." Als Sebastian in die Pubertät kam, vermischten sich die Pickel mit den Ekzemen, die Entzündungen zwischen den Fingern gingen zurück. Heute fühlt er sich nur noch in geringem Maße beeinträchtigt.
In den vergangenen Jahren hat sich viel getan für Menschen mit Hauterkrankungen, finden Mutter und Sohn gleichermaßen. Heute ist vieles bei der Ernährung einfacher geworden, vegane oder zuckerreduzierte Produkte sind keine Seltenheit mehr und leckere Rezepte gibt es auch dafür. Auch seitens der Pflegeprodukte gibt es laufend Weiterentwicklungen. Die Pharmaindustrie hat ihre Produktpalette stark ausgeweitet. „Damit ist es leichter geworden, meine Erkrankung zu händeln. Ich bin mit den besonderen Anforderungen meiner Haut groß geworden. Ich weiß, was ich tun muss und was ich lieber bleiben lassen sollte. Heute reagiere ich schon auf die kleinsten Anzeichen. Merke ich, dass eine Stelle besonders trocken wird, creme ich meine Haut sofort sorgfältig ein. Das verhindert Schlimmeres."
In seinem Berufsalltag als Kinderpfleger kommt ihm seine eigene Erfahrung mit seiner Hauterkrankung zugute. Er erkennt Symptome frühzeitig, kann sich in betroffene Kinder gut hineinversetzen und kann ihnen und ihren Eltern so manchen Tipp in der Pflege geben.