Der Steuerrabatt auf den Spritpreis ist ausgelaufen – was geschieht nun mit dem Preis? Dessen Entwicklung hängt nicht nur an der bislang gesenkten Energiesteuer, sondern auch an Transportwegen und dem Weltmarktpreis.
Es waren Rekordpreise, die Autofahrer Anfang März an den Zapfsäulen zahlen mussten: ein Liter Super für 2,20 Euro, ein Liter Diesel gar für 2,30 Euro. Die Rufe nach Entlastung auch für die Autofahrer, die unter den hohen Spritpreisen angesichts des Ukraine-Krieges litten, wurden immer lauter. Schließlich kündigte Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Tankrabatt an – der Bund senkte die Energiesteuer ab 1. Juni. Dadurch wurde Benzin fast 30 Cent billiger, Diesel 14 Cent. Mit Einführung des sogenannten Tankrabatts sanken die Preise dann auch – allerdings nicht in dem Maß, wie es angesichts der Steuersenkung um 35 Cent pro Liter für Benzin und 17 Cent für Diesel erwartbar war. In der Folge gab es Diskussionen darüber, ob Mineralölkonzerne die Steuersenkung vollständig an die Kunden weitergeben. Das Bundeskartellamt startete deshalb Mitte April eine sogenannte Sektoruntersuchung, erste Ergebnisse sollen im Herbst präsentiert werden. Nach Angaben des deutschen Mineralölverbandes „en2x" wurde die Steuersenkung „in den drei Monaten umfassend" weitergegeben, und zwar ab 1. Juni. Aber: „Dies konnte an manchen Tankstellen gegebenenfalls erst später geschehen, wenn noch hoch versteuerte Ware vorhanden war", so der Verband. Der ADAC hält die Spritpreise angesichts etwa des Rohölpreises aber auch jetzt nach wie vor für zu hoch.
Bundeskartellamt untersucht Rabatt
„Das sehen wir auch so", sagt Herbert Rabl vom Tankstelleninteressenverband (TIV). Im Verband organisieren sich zirka 10.000 Tankstellenpächter von Mineralölkonzernen. „Wir erwarten auch, dass die Preise wieder einen Sprung nach oben machen." Der Grund: Die Mineralölgesellschaften hätten noch im Mai teuren Sprit eingekauft. Daher habe man überlegt, ab wann die verbilligte Energiesteuer an den Verbraucher weitergegeben werden könne. „Aral und Shell gaben den Rabatt sofort 1:1 ab 1. Juni weiter", erklärt Rabl. Derzeit liegt zwar billiger Sprit in den Tanks. Allerdings stünden, so Rabl, nun die Konzerne vor der Frage, ob diejenigen, die den Rabatt sofort weitergegeben haben, nun auch sofort die Preise wieder erhöhen. Es kommt also auf die Bestell- und Lagerstrategie der Tankstellengesellschaften an, ob der Preis langsam oder schnell steigt. Der Mineralölverband „en2x" geht davon aus, dass nun, am Ende des Rabatts, nicht mehr viel günstiger Sprit übrig sei.
Was machen die Preise aber mittel- bis langfristig? Die Faktoren dafür sind vielfältig, unter anderem könnte die aktuell angespannte Lage entlang der gesamten Lieferkette ein Risikofaktor für den künftigen Benzinpreis sein.
Bis der Sprit an der Tankstelle ist, muss er von der Raffinerie per Lkw, Bahn oder Schiff in die Region der Verbraucher transportiert werden. Derzeit führt der Rhein als Haupttransportweg kaum Wasser, Schiffe können nicht voll beladen werden. Gleichzeitig fehlen in Deutschland laut Bundesverband Güterkraftverkehr derzeit 80.000 Lkw-Fahrer. Beides verschärft das Transportproblem. Kohle- und Öltransporte sollen nun laut Bundesregierung erst einmal Vorrang auf der Schiene erhalten – auch vor Personenzügen, auch wenn die Kapazität der deutschen Schiene bereits am Limit ist.
„Noch herrscht keine Notlage", beruhigt TIV-Sprecher Rabl, „in den Tanklagern entlang des Rheins lagert Benzin für drei Monate, das auch per Lkw abgefahren werden kann", und das auch dann, wenn gar keine Schiffe mehr fahren können.
In Deutschland angeliefert werden jährlich etwa 83 Millionen Tonnen Rohöl. Im Mai 2022 war Russland laut amtlicher Mineralölstatistik des Bundesamtes für Ausfuhrkontrolle (Bafa) noch immer mit knapp zwei Millionen Tonnen größter Lieferant, gefolgt von den USA mit einer Million Tonnen, Kasachstan und Großbritannien mit jeweils rund 620.000 und 660.000 Tonnen. Weitere drei Millionen Tonnen kamen unter anderem aus Norwegen. Laut „Drittem Fortschrittsbericht Energiesicherheit" des Bundeswirtschaftsministeriums vom 20. Juli seien die Raffinerien in Deutschland – außer einer, die dem russischen Konzern Rosneft gehört – nun dazu in der Lage, ihren Bedarf bis Ende 2022 „vollständig ohne russisches Rohöl abzudecken". Nur zwölf Prozent des deutschen Bedarfs werde noch aus russischem Öl gedeckt, vor allem von Raffinerien in Schwedt und Leuna.
Öl fließt also nun aus anderen Erdteilen nach Deutschland. Was diese Gemengelage mit dem Spritpreis macht, hängt nicht zuletzt von der Opec ab. Das Erdölkartell, an dem auch Russland als Opec-Plus-Land mitbeteiligt ist, hatte zuletzt mitgeteilt, die geförderte Menge etwas senken zu wollen. Diese Aussage stoppte den kurzzeitigen Preisverlust von Rohöl am internationalen Markt. Setzt die Opec die gedrosselte Förderung um, könnten die Rohölpreise also wieder steigen. Da Öl in US-Dollar gehandelt wird und der Euro im Vergleich mittlerweile weniger wert ist als der Dollar, sinkt zudem die Kaufkraft europäischer Öleinkäufer, die Inflation wird durch den schwachen Euro weiter angekurbelt.
Alles in allem ein Szenario, das mittel- bis langfristig wieder deutlich höhere Spritpreise erwarten lässt – weltweit. Der ADAC rechnet allerdings nicht damit, dass die Preise mit dem Ende des Rabatts sofort und sprunghaft ansteigen. Der Grund: Durch den Rabatt kaufen auch Tankstellenbetreiber günstiger ein. Deshalb sei davon auszugehen, dass sie ihre Treibstofftanks vor dem 1. September noch einmal aufgefüllt haben und Benzin und Diesel dann zunächst weiter vergünstigt abgäben, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Marktlage lässt höhere Preise zu
Während der Tankrabatt in Deutschland wegfällt, wird er in anderen Ländern verlängert – oder sogar erhöht, in Frankreich etwa. Die Regierung in Paris wollte die Hilfe für Autofahrer zunächst abschmelzen, nun steigt der Preisabschlag pro Liter an der Zapfsäule vom 1. September an noch einmal von 18 auf 30 Cent. Im November und Dezember soll er dann auf 10 Cent verringert werden und dann zum Jahresende ganz auslaufen – so zumindest der bisherige Plan.
In Italien läuft die Bezuschussung der Spritpreise um rund 30 Cent pro Liter noch bis zum 20. September, also bis vier Tage vor der vorgezogenen Parlamentswahl. Die Regierung unter dem scheidenden Ministerpräsidenten Mario Draghi hatte Anfang August wegen der gestiegenen Kosten durch den Konflikt in der Ukraine ein zweites Hilfsdekret verabschiedet.
Der TIV erwartet mittelfristig jedoch weiter hohe Preise in Deutschland. „Die Konzerne haben gelernt, dass es trotz 2,20 Euro pro Liter keine Proteste gab. Deshalb werden sie keine Scheu davor haben, den Preis wieder auf das Niveau vom Mai anzuheben", glaubt Rabl. Durch die CO2-Abgabe auf Benzin, die seit 2021 erhoben wird und bis 2025 schrittweise steigen soll, kommen 2023 noch einmal 1,4 Cent auf Benzin und 1,5 Cent auf Diesel pro Liter hinzu. Klar ist: Verbrenner fahren wird in den kommenden Monaten wieder deutlich teurer.