Es dreht sich alles um Inflation, Energiekrise und CO2-Fußabdruck. Steigende Energiepreise lassen Konsumenten ihre bisherigen Verhaltensmuster überdenken und nach neuen Lösungen suchen, um ihre Strom- und Heizkosten zu senken. Die Industrie sieht sich in der Pflicht.
Christina S. (49) steht mit ihrem Sohn Daniel (17) unschlüssig in einem Geschäft für Elektro-Hausgeräte. „Meine Kühlkombination ist kaputt, und da das Gerät uns bereits mehr als zehn Jahre gedient hat, wollen wir das Gerät nicht reparieren lassen. Mit dem Kauf eines neuen Geräts hoffen wir, langfristig Energiekosten zu sparen", sagt sie. „Aber das vielfältige Angebot überfordert mich gerade". Daniel weist auf die übersichtlichen EU-Energielabels hin. Von A bis G sind die Energieklassen eingeteilt, wobei Klasse A (grüne Farbe) der höchsten Effizienz entspricht, mit einem durchschnittlich höheren Anschaffungspreis. Einerseits geben die Klassifizierungen einen guten Überblick über den Energieverbrauch des Produkts, anderseits gibt es keine Aussage über seine Lebensdauer, Nachhaltigkeit und den Ressourcenverbrauch.
Aber in der Bevölkerung werden Energieeffizienz und Nachhaltigkeit von Elektro-Hausgeräten und Consumer Electronics immer mehr hinterfragt. Die Studie „Der wahre Wert von Grün" der Strategieberatung Oliver Wyman und der GFU Consumer & Home Electronics GmbH, Veranstalterin der Messe IFA in Berlin, ergab dazu eindeutige Ergebnisse. „Die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher ist vor allem dann höher, wenn sie auch selbst einen finanziellen Vorteil haben", erläutert Dr. Martin Schulte, Partner und Konsumgüter-Experte bei Oliver Wyman. Zwei Drittel der Konsumenten äußerten, das ihnen die Nachhaltigkeit von elektrischen Produkten wichtig sei. Die Bereitschaft, mehr beim Kauf von nachhaltigen Produkten zu zahlen, erwies sich als einkommensunabhängig. Der Unterschied lag erstaunlicherweise zwischen alten und jüngeren Konsumenten, wobei ältere mehr Geld für nachhaltige Produkte ausgeben. Für die Herstellergarantie, dass ein Gerät repariert werden kann und nötige Ersatzteile zur Verfügung stehen, werden 25 Prozent Mehrkosten akzeptiert.
Hersteller mehr in der Pflicht
Dr. Sara Warneke, Geschäftsführerin der GFU, resümiert: „Immer mehr Verbraucher erwarten eine höhere Langlebigkeit von Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräten. Hersteller sind im Vorteil, wenn sie Reparaturdienste anbieten und Ersatzteile auch langfristig verfügbar machen." Die Studie ergab weniger Zahlungsbereitschaft (zehn Prozent), wenn kein direkter finanzieller Vorteil zu verzeichnen ist, etwa für CO2-neutrale oder sozialverträgliche Produktion oder eine bessere Recyclingfähigkeit – eine Diskrepanz, die die Studie „Der wahre Wert von Grün" aufzeigt, bezeichneten doch zwei Drittel der Teilnehmer ihren Lebensstil als nachhaltig. Zwar steigt die Nachfrage an generalüberholten Geräten (refurbished), aber ausschlaggebend für den Erwerb bleibt laut Studie bisher immer noch der günstigere Preis. Beim Kauf eines Smartphones zieht die Hälfte der Befragten solche „refurbished" Geräte in Betracht, knapp ein Drittel hat sie bereits erworben.
In einer weiteren internationalen Studie der Strategieberatung Oliver Wyman und der GFU mit dem Titel „The Way Back Home" zeigt sich, dass Klimaschutz und faire Arbeitsbedingungen immer mehr in den Fokus von Kunden von Elektro-Hausgeräten und Consumer Electronics rücken. In Deutschland sind laut Studie 54 Prozent der Menschen der Ansicht, dass die heutige Welt zu stark globalisiert sei. Nur 22 Prozent glauben das Gegenteil. Vorteile in der Globalisierung sehen heute 61 Prozent der Deutschen nicht mehr.
„Konsumenten nehmen die Hersteller heute stärker in die Pflicht", erläutert Dr. Sara Warneke. „Sie müssen nachweisen und klarer kommunizieren, dass ihre Produkte gut für die Menschen und gut für die Umwelt sind." Grüne Lieferketten, lokale und transparente Produktion, Nachhaltigkeitsstrategien – damit werden Hersteller ihre Kunden in Zukunft immer mehr überzeugen müssen. Die Industrie stellt das Thema zunehmend in ihren Fokus. Auf der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin zeigten auch die Elektrohausgeräte-Hersteller ein umfassendes Portfolio energieeffizienter Haushaltsgeräte zum Nutzen von Kunden und Umwelt.
Der Haushaltsgerätehersteller Bosch produziert seinen Kühlschrank „Eco Fridge" mit CO2-neutralem oder CO2-reduziertem sowie mit 27 Prozent recyceltem Material. Dadurch kann der CO2-Fußabdruck dieser Kühl-Gefrier-Kombination um 33 Prozent gesenkt werden, zudem ist das Gerät mit nur 29 Dezibel nahezu geräuschlos. Hersteller Liebherr punktet im Segment seiner Kühl- und Gefriergeräte mit einer Weltneuheit beim Isoliermaterial: Anstatt des herkömmlichen Polyurethan-Schaum-Elements als Isolierung wird ein Vakuum in Verbindung mit fein gemahlenem Lavagestein verwendet. Vorteil des Vakuums: Es bietet energietechnisch eine bestmögliche Isolierung und schafft Gefriergeräte mit der Energieeffizienzklasse A und B.
Auch bei Kombigeräten aus Waschmaschine und Wäschetrockner steht die Energieeffizienz im Mittelpunkt. Aber nicht nur das: Weniger Ressourcenverbrauch bei der Herstellung, da zwei Geräte in einem, sowie Energieeffizienz, Platzeinsparung und kein lästiges Umladen der Wäsche mehr sind Vorteile für Kunden. Die Industrie hat sich mit diesen Benefits auf die steigende Nachfrage eingestellt. Zwischen Januar und Mai wurden 100.000 dieser praktischen Kombinationen in Deutschland verkauft, eine Steigerung von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, so die Angaben des „Home Electronics Markt Index Deutschland", der in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut GfK und dem Bundesverband Technik des Einzelhandels (BVT) quartalsweise erscheint.
Aufbereiten und wiederverwenden
Zusätzlich zur umweltschonenden und energieeffizienten Neuproduktion von Haushaltsgeräten – ob Elektrogroßgeräte wie Waschmaschinen, Geschirrspüler, Backöfen, Herde oder Elektrokleingeräte wie Mikrowellen, Kaffeeautomaten, Staubsauger und Saugroboter, Haartrockner oder Bügeleisen – boten die Hersteller weitere Lösungsvorschläge zum Thema Nachhaltigkeit und Energiesparen an. Mieten statt kaufen heißt es etwa bei Bosch unter bluemovement.com. Durch Aufbereitung und Wiederverwendung von Geräten werden wertvolle Ressourcen geschont. „Von allen zurückkehrenden Hausgeräten nach Ende der Miete werden 95 Prozent wieder aufbereitet und an neue Kunden vermietet", erklärt Patrick Hypscher von der BSH Hausgeräte GmbH. Eine Kühl-Gefrier-Kombination der Energieklasse C von Siemens mit einem Zwei-Jahres-Mietvertrag etwa kostet laut Internetseite 16,99 Euro.
Der Aufruf zum Reparieren statt Wegwerfen dient der Vermeidung von Elektroschrott. 53,6 Millionen Tonnen entstehen davon pro Jahr! 1.000 Kilo Elektroschrott widmete der Künstler HA Schult in seinem Kunstobjekt „Der Wertgigant" um und zeigte es allen Besuchern mahnend am Eingang der Messe Berlin. „Generalüberholte Artikel sind zunehmend interessant für Konsumenten – auch für Hersteller und Handel kann die Zweitverwertung ein attraktives neues Erlösmodell sein. Der Refurbished Markt wird sich in den kommenden Jahren noch vervielfachen", heißt es resümierend in der Studie „Der wahre Wert von Grün". Wegen der zum Teil aufwendigen Gewinnung und Endlichkeit von Rohstoffen ist ein verantwortungsvoller Umgang mit ihnen geboten.
Energiepreise als Argument
Längst bieten auch Händler von Elektro-Haushaltsgeräten ein großes Netzwerk von umweltschonenden Service- und Reparaturleistungen an. Europas größte Handelskooperation von Einzelhandelsunternehmen, EK Germany, stellt für seine rund 4.200 Mitglieder bei Einhaltung grundlegender Sozial- und Umweltstandards ein nachhaltiges Handeln für eine zukunftsfähige Gesellschaft in den Mittelpunkt. „Händler, die Marken wie Bosch, Graef, Jura, Liebherr oder Siemens vertreiben, werden durch uns nach ihren angebotenen nachhaltigen Service-Leistungen gemessen und auch ausgezeichnet. Es entspricht unserer Philosophie, dass unsere Mitglieder unter anderem Reparatur- und Ersatzteil-Service, Altgeräte- und Batterieentsorgung, aber auch energiesparende Beratung und Lösungen für unsere Kunden anbieten," betont Martin Wolf, Vertriebsleiter Elektro/Küche/Licht sowie Marketing/E-Commerce.
Die Konsumenten-Umfrage des Zentralverbands Elektrotechnik und Elektronikindustrie e. V. ergab, dass für knapp 80 Prozent der Befragten das Thema Energieverbrauch jetzt wichtiger ist als zu Beginn des Jahres. 97 Prozent nannten hierfür die gestiegenen Energiepreise als Grund. Knapp die Hälfte derjenigen, die dem Thema Energie mehr Aufmerksamkeit schenken, nennen Umweltgründe beziehungsweise die Unsicherheit in Sachen Energieversorgung.
Christina S. verlässt die Elektro-Haushaltsabteilung mit dem Kauf einer mittelpreisigen Kühlkombination Energieeffizienzklasse C. „Wir brauchen den Kühlschrank. Deshalb nehme ich mir nicht die Zeit, die Energiekostenersparnis auszurechnen. Mit dieser Effizienzklasse habe ich ein gutes Preis- Leistungs- und auch Energie- und Umwelt-Gefühl."