Die UN-Klimakonferenz in Ägypten droht zu einem Fiasko zu werden
Klimakrise? Sie ist fast in Vergessenheit geraten angesichts des Katastrophen-Tsunamis, der derzeit über die Welt fegt. Der Ukraine-Krieg hat zu einer globalen Kettenreaktion geführt: Gas wurde knapp, Energie teurer, der Mangel an Nahrungsmitteln –
vor allem in Afrika – löste Flüchtlingswellen aus. Und dann schlägt noch der Klimawandel zu.
Machen wir uns nichts vor. Die Chancen, dass die UN-Klimakonferenz im ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich einen Durchbruch für den Blauen Planeten bringt, sind denkbar gering. Das Mammut-Treffen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft droht vielmehr zu einem großen Fiasko zu werden.
Es fehlt nicht an dramatischen Appellen und Warnungen. „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal", mahnt UN-Generalsekretär António Guterres. „Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu, auf eine Erwärmung von über 2,5 Grad", erklärt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Die Wirklichkeit ist in der Tat düster. Das bei der Pariser Klimakonferenz 2015 gesteckte Ziel, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, wird sich als Illusion erweisen, wenn es so weitergeht. Fast alle Länder haben die Zusagen, ihre Klima-Anstrengungen zu verstärken, verfehlt. Bereits jetzt liegt die weltweite Durchschnittstemperatur bei rund 1,15 Grad über der Vergleichsmarke. Es wird zwischen Washington und Peking zu viel fossile Energie verfeuert, zu viel CO2 ausgestoßen. Mit dem Ergebnis, dass es auf der Erde immer heißer wird. Die vergangenen acht Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Die Quittung ist die weltweite Zunahme von Wetterextremen. Dürren häuften sich in Afrika, Überschwemmungen in Pakistan, Waldbrände in den USA, Portugal oder Spanien. Das Tempo des Meeresspiegel-Anstiegs hat sich seit 1993 verdoppelt. In der Schweiz nahm das Volumen der Gletscher in den vergangenen 20 Jahren um mehr als ein Drittel ab. Die Ahrtal-Flut vom Juli 2021 war ein Fanal, dass auch Deutschland vor verheerenden Auswirkungen nicht sicher ist.
Die Dringlichkeit einer globalen Allianz gegen den Klimawandel könnte nicht größer sein. Doch die Entwicklung läuft in die andere Richtung. Die Wirtschaftslokomotive China will bis 2030 den CO2-Ausstoß erhöhen und erst 2060 Klimaneutralität erreichen – viel später als die meisten anderen Industrieländer. Die immer wieder beschworene Partnerschaft mit Peking bei der Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen ist bisher allenfalls Wunschdenken.
Zudem hat die Kappung der Gaslieferungen durch Russland zu einer – zumindest zeitweiligen – Renaissance fossiler Energien geführt. Allein die Bundesregierung geht weltweit auf große Gaseinkaufstour und nimmt alte Kohlekraftwerke wieder ans Netz. Die Heizung von Wohnungen, die Versorgung der Unternehmen mit Gas und Strom haben derzeit höhere Priorität als die ökologische Transformation der Volkswirtschaft.
Wenn es aber die großen Industriestaaten nicht packen, eine „grüne Koalition" zur Rettung des Weltklimas zu schmieden: Wie sollen dann die ärmeren Länder ins Boot geholt werden? Staaten wie Pakistan oder Somalia produzieren kaum Treibhausgase, werden aber besonders durch Wetterextreme getroffen. Sie sind die Leidtragenden der großen CO2-Emittenten in Amerika, Europa oder Ostasien. Das bereits 2020 gegebene Versprechen der Industrieländer, den globalen Süden mit 100 Milliarden Dollar pro Jahr für Klimaschutz-Maßnahmen zu unterstützen, wurde bislang nicht erfüllt.
Die Aussichten, dass die UN-Konferenz in Scharm el-Scheich die Klimawende bringt, sind erschreckend gering. Es wird wieder wortreiche Bekenntnisse geben. Dabei zählen nur Taten. Wenn aber beim Kampf gegen die Erderwärmung der große globale Schulterschluss nicht möglich ist, sollten zumindest kleinere Bündnisse vereinbart werden. Der von der Bundesregierung geplante „Klimaclub", in dem sich Staaten auf Ziele und Standards für umweltfreundliches Verhalten verständigen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das Gleiche gilt für Klimapartnerschaften – etwa, Südafrika beim Kohleausstieg zu unterstützen. Das ist klimapolitischer Minimalismus und eigentlich viel zu wenig. Aber es ist besser als nichts.