Hertha BSC sucht ein neues Zuhause. Der Club will ab 2025 ein eigenes Heim, der Senat bevorzugt einen Umbau des Olympiastadions. Wer hat die besseren Karten?
Barcelona hat das Camp Nou, Madrid hat das Bernabéu, London hat das Wembley-Stadion – und was hat Berlin? Deutschlands Hauptstadt hat das Olympiastadion. Einzigartig in seiner Historie, in gewisser Hinsicht ein monumentales Mahnmal aus grauen Steinblöcken gegen das Vergessen. Für den unbeschwerten Besuch eines Fußballspiels eignet es sich aber kaum, zumal die blaue Laufbahn neben dem Rasen das 76.000 Zuschauer fassende Stadion noch viel weitläufiger macht. Klar, beim DFB-Pokalfinale unter Flutlicht und mit zwei lautstarken Fangruppen von jeweils 25.000 Anhängern kommt Stimmung auf. Aber jeder, der einmal ein Heimspiel von Hertha BSC im nur halb gefüllten Olympiastadion erlebt hat – womöglich noch im Winter, wenn es in der offenen Schüssel an allen Ecken und Enden zieht –, der kann den Bundesligisten in seinen Bemühungen nach einem neuen Stadion verstehen.
Berlin und sein Speckgürtel kommen auf vier Millionen Einwohner, von denen im Schnitt in der vergangenen Saison nur jeweils 45.319 Zuschauer ein Hertha-Heimspiel besuchten. Das sind nochmal 2000 weniger als in der vergangenen Spielzeit. In Sachen Auslastung ist Hertha mit nicht einmal 60 Prozent das Bundesliga-Schlusslicht. So ist das Olympiastadion ein Stimmungskiller – auch für das eigene Team. Im Club ist man sich sicher, dass eine reine Fußballarena nicht nur Mehreinnahmen, sondern mit steilen und vollen Rängen pro Saison auch fünf Punkte mehr bringt.
Die Frage ist nur: Spielt die Politik mit? Noch immer stehen sich der Club, der eine reine Fußballarena auf dem Olympiagelände will, und der Senat, der für einen Umbau des Olympiastadions plädiert, konträr gegenüber. Es gab kürzlich aber eine Annäherung. In einer gemeinsamen Presseerklärung wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass „beide vorgestellten Varianten technisch realisierbar" seien. Dies ist für Hertha ein großer Schritt auf dem Weg zur eigenen Arena, denn der Club hat gute Argumente auf seiner Seite. Es gab im Mai eine erste beratende Sitzung dazu im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, eine zweite wird nach der Sommerpause folgen. Hertha will eine Entscheidung noch in diesem Jahr. Sollten sich Politik und Verein nicht einigen, bleibt die ungeliebte Exit-Lösung in Ludwigsfelde.
Stadionneubau auf dem Olympiagelände
Am 25. Juli 2025, also in fast genau acht Jahren, soll Herthas neuer Fußball-Tempel stehen. Und zwar an der Rominter Allee in unmittelbarer Nähe zum Olympiastadion. Dafür wird eine Fläche von 53.400 Quadratmetern benötigt, von der nach dem neuesten Entwurf des Architekturbüros Albert Speer und Partner 70 Prozent außerhalb des Olympiaparks liegen. Ein Teil des Stadions könnte auch im Erdreich versenkt werden. Beide bauliche Neuerungen sind wichtig, weil der Olympiapark denkmalgeschützt ist und somit besonderen Baubestimmungen unterliegt. Beim Verkehrskonzept und Lärmschutz soll es jedoch weiterhin offene Fragen geben.
Das neue Stadion soll etwa 50.000 Plätze fassen, die Ostkurve bekommt davon 10.000 Stehplätze. Bei internationalen Spielen schrumpft die Kapazität um 8.000 Plätze. Die genauen Kosten liegen noch im Dunkeln, geredet wird aber über eine Summe von um 200 Millionen Euro.
In der Nähe der Haupttribüne soll ein Fan-Haus entstehen, das sich die Anhänger seit Jahren wünschen. Um das Parkproblem zu lösen, soll ein zweigeschossiges Parkhaus gebaut werden, auf dessen Dach ein Fußballplatz installiert wird – ein „Geschenk" des Clubs für den Bezirk.
Das stärkste Argument des Clubs aber ist ein anderes: die neue Arena soll rein privat, also ohne Steuergelder, finanziert werden. „Es wird ein Mix aus Eigenkapital, gesparter Miete und Mehreinnahmen sowie dem einen oder anderen Sponsor, den wir für das Projekt gewinnen wollen", sagt Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller der „Morgenpost".
Investoren für das Projekt zu gewinnen sei kein Problem, versicherte Schiller im „Tagesspiegel"-Interview: „Es gibt eine ganze Reihe interessierter Banken, Versicherungen, Fonds und Einzelinvestoren, die solche Infrastrukturprojekte gern finanzieren." Auch in Sachen Namensrecht blickt Schiller positiv voraus, sogar was lokale Firmen betrifft: „Ich bin sehr davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, für ein solches Leuchtturmprojekt den richtigen Partner zu finden." Die wollen aber, dass dort auch bekannte Musikstars auftreten und große Shows stattfinden – das ist mit dem Senat definitiv nicht zu machen. Nur mit einer „Konkurrenzausschlussklausel" ist ein Neubau überhaupt denkbar. Auch das Pokalfinale und drei Bundesliga-Topspiele sollen weiterhin im Olympiastadion stattfinden. Ohne die Fans geht aber angeblich nichts. Im Falle eines Neubaus soll es eine Mitgliederbefragung geben. Die Entscheidung sei dann „für den Verein verbindlich", sagte Hertha-Präsident Werner Gegenbauer bei der Mitgliederversammlung. Das Problem: Hertha muss das Grundstück, auf dem das Stadion stehen soll, pachten. Die Erbbaupacht könnte teuer werden.
Umbau des Olympiastadions
Der Senat will gar nicht, dass der größte Verein der Stadt aus dem Olympiastadion auszieht. Der Grund liegt auf der Hand: Im Zuge der Heim-WM 2006 wurde das 1936 eröffnete Stadion für 242 Millionen Euro saniert. Eine erneute Sanierung mit geschätzten 40 Millionen Euro Kosten ist spätestens in 15 Jahren notwendig – ob mit oder ohne Hertha als Hauptmieter.
Sollte Hertha wegfallen, würde der Stadt eine jährliche Einnahme von 5,1 Millionen Euro fehlen.
Das Olympiastadion droht zum Millionengrab zu werden, Konzerte und Shows alleine dürften die Kosten nicht decken. „Ich glaube", sagt Innensenator Andreas Geisel daher, „dass Hertha BSC und das Olympiastadion eine gute und gemeinsame Zukunft haben können." Die Politik sieht ein, dass Fußball in der großen Schüssel kein wirkliches Erlebnis ist, und schlägt konkrete Umbaumaßnahmen vor. Allerdings: Steilere Tribünen im Unterring und der Verzicht auf die blaue Laufbahn, die für Leichtathletik-Wettbewerbe temporär wieder installiert werden kann, sind teuer. Was also tun? Sollte der Steuerzahler tief in die Tasche greifen müssen, wäre der Aufschrei groß. Sollten der Umbau deutlich abgeschwächter geplant werden oder die Kosten auf Herthas neuen Pachtvertrag ab 2025 geschlagen werden, ist der Verein auf jeden Fall weg. Vielleicht dann auf dem Weg nach Brandenburg?
Stadionneubau in Ludwigsfelde
Das will eigentlich keiner – Hertha nicht, der Senat nicht und die Fans schon mal gar nicht. Eine Gruppe von ihnen hat bei der Mitgliederversammlung einen Antrag auf Ausschluss einer Heimspielstätte in Brandenburg gestellt – abgelehnt. Hertha muss diese Variante auch durchplanen, um den Druck auf den Senat hochzuhalten. Angesichts der Fanproteste ist diese Lösung aber höchst unwahrscheinlich.