Der 1. FC Kaiserslautern und Eintracht Braunschweig mussten nach einer jeweils turbulenten Saison den Gang in die Dritte Liga antreten. Alle Zweitliga-Vereine haben für beide Vereine Geld gesammelt. Eine schöne Aktion, die aber auf Gegenwind stößt.
Premiere in der Zweiten Bundesliga: Die Clubs greifen den Absteigern mit einer solidarischen Finanzspritze unter die Arme. Um den wirtschaftlich schweren Gang in die Dritte Liga ein wenig abzufedern, erhalten der 1. FC Kaiserslautern und Eintracht Braunschweig jeweils 600.000 Euro. Das Geld stammt von allen Clubs, die sich unabhängig von der Deutschen Fußball Liga (DFL) bereits im April darauf verständigt hatten, jeweils 66.666 Euro zu diesem Zweck in einen gemeinsamen Topf einzuzahlen. Wäre Erzgebirge Aue in der Relegation gescheitert, wären es 100.000 Euro gewesen.
Dabei herrscht zwischen den sportlichen Kontrahenten sonst selten Einigkeit. Michael Born, Geschäftsführer von Dynamo Dresden, sagt deshalb: „Bemerkenswert ist, dass sich auch die Vereine beteiligt haben, die verhältnismäßig sicher sein konnten, dass sie mit dem Abstieg nichts zu tun haben werden." Doch warum entschieden sich die Clubs zu diesem Schritt?
Darauf kann der von den Zweitligisten gewählte DFL-Vizepräsident Helmut Hack eine – zumindest auf den ersten Blick – plausible Antwort geben. „Die wirtschaftliche Brutalität eines Abstiegs in die Dritte Liga ist kaum zu beschreiben", erklärt der langjährige Präsident der SpVgg Greuther Fürth. Angesichts der „außergewöhnlichen Situation, dass in der abgelaufenen Saison zwei Drittel der Clubs bis zu den letzten Spieltagen um den Klassenerhalt bangen mussten und daher Planungen für den Abstiegsfall kaum möglich waren", habe man sich zu dieser Initiative entschieden.
Allerdings gibt es bereits eine Art Rettungsschirm für die Absteiger in Form eines „Überbrückungsgeldes" in Höhe von 500.000 Euro. Diese Summe erhalten Vereine, die auch in der dritthöchsten Spielklasse ihr Jugendleistungszentrum weiter betreiben. Die Vergabe des Geldes ist in den Verträgen zur Verteilung der Fernsehgelder geregelt. Dass das Geld tatsächlich für diesen Zweck verwendet wird, daran zweifelt unter anderem der Geschäftsführer des VfR Aalen. „Die Praxis zeigt jedoch, dass die Absteiger zusätzliche Gelder in der Regel für den sofortigen Wiederaufstieg verwenden, damit der Abbau von Strukturen gar nicht erst stattfinden muss", erklärte Holger Hadek.
Falsch sind diese Gedanken nicht, aber sie entsprechen nur der halben Wahrheit. Denn wer meint, dass sich Eintracht Braunschweig und der 1. FC Kaiserslautern von diesen 1,1 Millionen Euro nun vier, fünf Zweitliga-Profis eintüten und das Geld überhaupt direkt in den Kader stecken, der dürfte sich täuschen. Sind es doch meist nicht die Spieler, die absteigende Vereine vor ernsthafte wirtschaftliche Probleme stellen, sondern das Umfeld. Das Stadion etwa, das für die Dritte Liga teils überdimensioniert ist und zum Millionengrab wird. Oder die Geschäftsstelle, auf der Mitarbeiter tagtäglich hoffen und bangen, dass der sportliche Misserfolg nicht über die persönliche berufliche Zukunft entscheidet. Oder das Nachwuchsleistungszentrum mit seinen zig Mannschaften vom Grundschul- bis zum jungen Erwachsenenalter, das nicht auf Knopfdruck mit deutlich reduziertem Etat weitergeführt werden kann. Sowohl Braunschweig als auch Kaiserslautern haben exzellente Ausbildungsstätten, die von DFB und DFL mit drei Sternen zertifiziert wurden. Sie stehen für die Zukunft des deutschen Fußballs.
Zweifel daran sind jedoch vonseiten der Drittligisten erlaubt. Zwar hält Helmut Sandrock, Geschäftsführer beim Karlsruher SC, die Aktion der Zweitliga-Clubs für bemerkenswert, aber: „Sie hilft der Dritten Liga überhaupt nicht."
Rettig versteht die Bedenken
Der Sportdirektor des SV Wehen Wiesbaden wird da deutlicher. „Ich sehe es als Wettbewerbsverzerrung an", sagte Christian Hock und erinnerte daran, dass die Kluft zwischen den Ligen ohnehin schon sehr groß sei. „Wenn man dann auch noch einen Zuschuss bekommt, finde ich das ungerecht." Auch beim VfL Osnabrück spricht man von „einem brutalen Wettbewerbsnachteil". Geschäftsführer Jürgen Wehlend erläutert das so: Die Summe der beiden Zuschüsse von 1,1 Millionen Euro „entspricht in etwa dem strukturellen Defizit, das ein durchschnittlicher Drittligist Jahr für Jahr aus eigener Kraft kompensieren muss". Dem entgegnet Born: „Man muss einen differenzierten Blick darauf werfen. Der Unterbau der Vereine ist in der Zweiten Liga insgesamt größer. Ein Abstieg betrifft nicht nur die Profimannschaft, sondern auch Mitarbeiter der Geschäftsstelle, die Fanarbeit oder die Talente-Ausbildung." Den Aufprall in diesen Bereichen etwas abzumildern, sei deshalb legitim.
Verständnis für den Unmut gibt es aber auch in der Zweiten Liga. „Die grundsätzliche Problematik, dass es bei den TV-Geldern sehr große Unterschiede gibt, sehen wir auch in der Zweiten Liga", erklärt Dynamos Geschäftsführer Born. Und Andreas Rettig räumt ein: „Ich kann verstehen, dass der ein oder andere Drittligist wahrscheinlich die Nase rümpft und sagt: Jetzt kriegen die noch mehr Geld", so der Geschäftsführer des FC St. Pauli gegenüber der „Hamburger Morgenpost". „Das Thema muss weiterverfolgt werden: Wie können wir das Delta zwischen Zweiter und Dritter Liga kleiner machen", erklärte der 55-Jährige. „Bis jetzt wächst es in jeder Saison um einen siebenstelligen Betrag." Was der Dritten Liga derweil übrig bleibt, ist, den Finger bei DFB und DFL erneut in die Wunde zu legen. Es kann nicht sein, dass in Liga zwei das Zehnfache an TV-Geldern gezahlt wird – wohlgemerkt in einer Spielklasse, an die sich die Dritte Liga ab der neuen Spielzeit nominell so nah wie noch nie annähern wird.
Die Hoffnung auf positive Veränderungen bleibt aber verschwindend gering. Solange sich die Zweite Liga unter dem Dach der DFL behütet weiß, wird sie finanziell von den großen deutschen Zugpferden aus der Bundesliga profitieren, mit denen sie sich den milliardenschweren TV-Vertrag teilt. Dass Duelle wie Sandhausen gegen Heidenheim keine saisonale Entlohnung im zweistelligen Millionenbereich rechtfertigen, versteht sich von selbst. Somit hat diese solidarische Aktion zumindest einen gewissen Beigeschmack – für den die beiden Absteiger aber nichts können.