Der Hyundai Archery World Cup stellt gerade seine Zielscheiben in Berlin auf. FORUM traf die Top-Bogensportler Lisa Unruh und Florian Kahllund bei der Vorbereitung.
Lisa Unruh und Florian Kahllund gehören zum deutschen Olympia-Kader der Bogenschützen. Sie halten die wichtigen deutschen Rekorde. Kahllund wurde 2014 Europameister, Unruh schaffte 2016 mit ihrem Silbermedaillen-Gewinn bei den Olympischen Spielen in Rio den bisher größten Erfolg des deutschen Bogensports. Beide sind Vizeweltmeister im Mixed – und auch privat ein Paar. FORUM traf die Spitzensportler am vergangenen Wochenende im Victor’s Seehotel Weingärtner (Bosen/Saarland), wo sie anlässlich der Einweihung des Schaumberger Bogensportparcours in Tholey und der hoteleigenen olympischen Bogenwiese zu Gast waren. Während ihres Aufenthalts nutzten sie die Bogenwiese zur Vorbereitung auf den kommenden Weltcup in Berlin.
Lisa und Florian, wie sieht das Trainingspensum aus, um sich für ein internationales Turnier wie den Berliner Weltcup fitzumachen?
Florian Kahllund: Wir schießen die ganze Saison über fünf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Teilweise mehr, teilweise haben wir auch mal einen Tag frei.
Wie viele Pfeile lässt jeder am Tag über die Wiese fliegen?
Lisa Unruh: Im Durchschnitt etwa 200 pro Tag.
Habt ihr ein gutes Gefühl für Berlin?
Unruh: Ja. Wir sind sehr gut vorbereitet. Letzte Woche war eine sehr hohe Belastungswoche, da haben wir viel geschafft.
Ihr lebt und trainiert in Berlin. Ein Vorteil für den Weltcup?
Kahllund: Einen Heimvorteil haben wir in Berlin nicht, weil wir ja den Platz genauso wenig kennen wie die anderen. Unser einziger Vorteil: Die Anreise ist wirklich kurz.
Lisa, was hat sich seit dem Olympia-Silber in Rio verändert? Für den deutschen Bogensport, für Dich selbst?
Unruh: Mehr Leute interessieren sich fürs Bogenschießen, darunter die Presse. Ich wurde in Shows, in Fernsehsendungen eingeladen. Viele Zeitungen schreiben einen an und wollen ein Interview. Und, wie ich gehört habe, boomt es wohl in den Vereinen. Viele Kinder und auch Erwachsene starten jetzt das Bogenschießen. Wahrscheinlich bin ich jetzt so ein kleines Aushängeschild im Bogensport. Aber für mich persönlich … Ich denke nicht, dass ich mich großartig verändert habe.
Hat sich die Sportförderung verbessert?
Unruh: Das möchte man meinen, ist aber schwierig zu sagen wegen der Umstrukturierung beim DOSB. Sicherlich nehmen wir dieses Jahr alles mit, wir müssen aber auch darum kämpfen. Jetzt wird zum Beispiel eine Bogenhalle in Berlin gebaut, und das ist ein ständiger Kampf. Man möchte doch meinen, nach so einer Medaille wird einem alles geschenkt – das ist aber nicht so.
Mit einer Bogenhalle könntet Ihr ganzjährig auf 70 Meter trainieren. In anderen Ländern ist dies längst Standard. Wie weit ist diese Halle?
Kahllund: Noch ist sie in der Planung. Es sieht zwar gut aus, dass sie gebaut wird, aber wohl erst für die Spiele 2024.
Florian, wenn Du mit dem Fußball so gut wärst wie mit dem Bogen, hättest Du wahrscheinlich schon den dritten Ferrari in der Garage. Mit dem Bogen kann man in Deutschland aber nicht reich werden. Warum also ausgerechnet Bogenschießen?
Kahllund: Weil das Schießen an sich so viel Spaß bringt, dass es sich trotzdem lohnt, auch wenn man nicht so viel Geld bekommt.
Lisa, Du bist Bundespolizistin und wirst für den Sport freigestellt. Auch für die Zeit nach der Profikarriere bist Du dadurch abgesichert. Florian, wovon lebst Du?
Kahllund: Ich studiere nebenbei Informatik in Kiel, bekomme Unterstützung von der Sporthilfe und vom Landessportverband Schleswig-Holstein. Mein Studium möchte ich mit Beenden der Sportkarriere fertig haben – ich habe also noch ein bisschen Zeit. Aktuell habe ich mich für die Sportfördergruppe der Bundeswehr beworben. Wenn alles klappt, werde ich dort im November meine Grundausbildung beginnen und danach für den Sport freigestellt werden. Dies ist aber zeitlich begrenzt, nach dem Sport scheidet man aus der Bundeswehr aus.
Damit wärst Du momentan der einzige Mann im deutschen Kader, der zum Vollprofi werden würde. Wie wichtig ist das für die Karriere?
Unruh: Sehr wichtig. Wenn man sich international umschaut: Es gibt keine Nicht-Profis mehr an der Weltspitze.
Besonders stark ist seit Jahren die Konkurrenz aus Südkorea. Wie sind deren Trainingsbedingungen?
Kahllund: Korea hat den Bogensport zum Nationalsport gemacht. Viele Firmen beschäftigen Firmenteams mit professionellen Bogenschützen, die gegeneinander antreten. Es gibt ordentliche Gehälter. Das Niveau der Schützen ist sehr hoch. Hyundai zum Beispiel, Hauptsponsor des Weltcups in Berlin, hat das größte und beste Team. Schon in der Schule wird der Bogensport gefördert – wer es bis in die Oberstufe schafft, hat praktisch seine Zukunft abgesichert. Wenn nicht als Schütze, dann als Trainer.
Unruh: Und wenn sie gewinnen, sind sie die Stars. Durch dieses fortlaufende System hat Korea auch so viele gute Trainer. Im Gegensatz zu Deutschland.
Kahllund: China hat dieses System von Korea jetzt übernommen. Es wird noch ein paar Jahre dauern, dann sind sie auch vorne mit dabei. Mit Taiwan dasselbe. Die sind jetzt schon sehr stark.
Unruh: Ich würde sagen, das sind jetzt die stärksten Konkurrenten von Korea.
Gibt es für deutsche Bogensschützen mittlerweile Sponsoren außerhalb der Bogensporthersteller, so wie das etwa in Korea üblich ist?
Kahllund: Nicht wirklich.
Ist der Bogensport in Asien einfach populärer?
Kahllund: Ja, aber man muss auch sagen: In Korea gibt es kaum Leute, die das nur aus Spaß machen. Es gibt dort keine Vereine wie bei uns. Es ist kein Freizeit- oder Breitensport wie in Deutschland. Wer seine Profikarriere beendet, schießt keinen Bogen mehr.