Trump verspricht in Helsinki einen Neuanfang mit Russland – ein naiver Vorstoß
Das amerikanisch-europäische Wetterleuchten war bereits vor mehr als einem Jahr sichtbar. US-Präsident Donald Trump signalisierte damals den Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaabkommen. Der G7-Gipfel im Mai 2017 endete durch Amerikas Solonummer mit einem Eklat. Kurz darauf hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Bierzelt in München-Trudering eine Brandrede: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei", mahnte sie. Es war eine Warnung, dass sich die internationale Ordnung mit dem Stabilitätsanker USA auflöst.
Im Juli 2018 ist das transatlantische Gewitter ganz nah. Erst poltert Trump gegen Deutschland als einer Art Trittbrettfahrer der Nato und kokettiert gar mit der Sprengung des Bündnisses. Dann beleidigt er die britische Premierministerin Theresa May wegen ihrer aus seiner Sicht zu laschen Brexit-Linie. Und schließlich nimmt er die EU aufgrund ihres Handelsüberschusses mit Amerika als „Gegner" ins Visier. Der US-Präsident macht Front gegen die Institutionen, die einmal die Stützpfeiler des Westens waren: Nato und EU – mit den Vereinigten Staaten als Anführer der freien Welt. Vor diesem Hintergrund intoniert Außenminister Heiko Maas die Merkel-Melodie neu: „Wir können uns auf das Weiße Haus nicht mehr uneingeschränkt verlassen."
Und nun der pompös inszenierte Schmusekurs mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Der Gipfel in Helsinki am vergangenen Montag wird als denkwürdige Verbrüderungs-Show in die Geschichtsbücher eingehen. Trump liebt die Rituale der Machtpolitik. Und er hat ein Faible für Autokraten, die einfach durchregieren können. Das verbindet ihn mit Putin, Chinas Staatschef Xi Jinping oder Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un.
Das Spitzentreffen mit dem Diktator von Pjöngjang Ende April hat Trump als Durchbruch auf dem Weg zu einer „De-Nuklearisierung" der koreanischen Halbinsel zelebriert. Es war eine Wette auf die Zukunft. Denn Kim ist keine messbaren Verpflichtungen eingegangen. Trump hatte sich als Anti-Obama gefeiert, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger den Atomkonflikt mit Nordkorea handstreichartig lösen kann. Bislang steht er aber mit leeren Händen da.
Den gleichen Fehler droht Trump nun im Verhältnis mit Russland zu machen. Er pries den Helsinki-Gipfel mit Putin als „sehr produktiven Dialog". Innerhalb von vier Stunden habe er die durch Obama vergifteten amerikanisch-russischen Beziehungen in ein positives Fahrwasser gehievt, prahlte er. Putins Aussage, dass sich Moskau nicht in die US-Präsidentschaftswahl 2016 eingemischt habe, nahm er für bare Münze. Die amerikanischen Geheimdienste und das Justizministerium in Washington sehen das völlig anders. Dass Putin versprach, künftig sollten beide Länder bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität zusammenarbeiten, verleiht dem Ganzen eine leicht zynische Note.
Wie die USA und Russland in Syrien an einem Strang ziehen sollen, ist ebenfalls schleierhaft. Trump will den regionalen Unruhestifter Iran zurückdrängen – zum Beispiel in Syrien. Doch Putin braucht die Revolutionsgarden und schiitischen Milizen zur Stabilisierung von Präsident Baschar al-Assad. Zum Ukraine-Konflikt und zur Abrüstung von Nuklearwaffen gab es Appelle, aber keine konkreten Schritte.
Bei aller Sympathie für die Intensivierung der diplomatischen Drähte: Trump hat in Helsinki erneut sein seltsames Verständnis als vermeintlicher Weltenretter zur Schau gestellt. Das ist gefährlicher Narzissmus – und naiv dazu. Mit seinem Bulldozer-Kurs gegen die EU, seinem Elefant-im-Porzellanladen-Auftritt bei der Nato hat der US-Präsident Putin das auf dem Silbertablett überreicht, was dieser seit Jahren vergeblich versucht hatte: die Schwächung des Westens. Trump hat den Kremlchef, der nach der Krim-Annexion 2014 international isoliert wurde, zurück auf die Weltbühne geholt.
Deshalb ist Putin der Gewinner von Helsinki. Die EU hat nur eine Chance, wenn sie Geschlossenheit zeigt sowie politisch, wirtschaftlich und militärisch stärker wird. Das heißt nicht, dass die Kontakte nach Amerika eingefroren werden sollten. Die Gespräche mit den Senatoren und Abgeordneten im Kongress, mit den Gouverneuren, mit den Unternehmen in den Bundesstaaten sind nötiger denn je. Es kommt auch eine Zeit nach Trump.