Mal nur gemütlich eine Katze kraulen? „Dazu komme ich leider viel zu selten", sagt Annette Rost. Sie kümmert sich um die Bekanntheit des Tierheims Berlin und um Tierrechte und Tierschutz. Und ist stolz darauf, wie gut alle gemeinsam für fast 1.500 Pfleglinge sorgen.
Frau Rost, es heißt immer, das Berliner Tierheim sei das größte in Europa – ist das wirklich so?
Wir sind nicht nur das größte, sondern auch das modernste Tierheim in Europa. Aktuell haben wir 172 festangestellte Mitarbeiter. Stand Mitte Juli leben 1.384 Tiere bei uns, darunter über 260 Hunde und 400 Katzen. Der Rest verteilt sich auf ein ganz breites Spektrum, von einer 2,20 Meter langen Boa Constrictor, Exoten, Kleintieren, Affen über eine wahnsinnige Anzahl von Schildkröten bis hin zu sogenannten Nutztieren wie Schweinen, Schafen, Ziegen und Hühnern.
Aber womöglich schießt die Zahl der Tiere ja in den Sommerferien nochmal nach oben, oder?
Es hat sich in den letzten 25 Jahren einiges getan. Die Zahl der ausgesetzten Tiere in diesem langen Zeitraum ist insgesamt rückläufig. Das zeigt, dass die Tierschutzvereine eine gute Arbeit gemacht haben. Leider ist es aber immer noch so, dass vor und während der Sommerferien vermehrt Tiere ausgesetzt werden. Wir erleben gerade wieder, dass zum Beispiel Katzen in ihrer Box im Gebüsch abgestellt werden. Das ist schlimm, weil die Gefahr besteht, dass das Tier nicht gefunden wird.
Trifft es im Sommer Hunde und Katzen besonders hart?
Ja, natürlich trifft es vor allem die klassischen Haustiere. Aber in diesem Jahr stellen wir fest, dass zunehmend auch Exoten ausgesetzt werden. Bei uns sind schon jetzt eine Menge Bartagamen und Schildkröten angekommen. Gerade bei den Buchstaben-Schildkröten haben wir ein echtes Problem: Da diese Tiere von der EU als invasive Art eingestuft wurden, dürfen sie von uns nur unter extrem hohen Auflagen an private Auffangstationen abgegeben werden, deshalb müssen sie meist dauerhaft bei uns bleiben.
Fast 1.500 Tiere – wie bekommt man es hin, dass es denen allen gut geht?
Das hat vor allem mit einer straffen Organisation zu tun. Wir haben eine sehr kleine Verwaltung und ein den Tierzahlen entsprechendes großes Tierpfleger-Team. Alles, was mit Administration zu tun hat, ist schon sehr knapp. In der Verwaltung ist die Personaldecke extrem dünn. Aber für jeden Einzelnen gilt: Sie machen einen hervorragenden Job.
Und was gehört alles zu Ihrer Arbeit?
In meinem und unserem Arbeitsbereich liegen die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, das Fundraising, der Veranstaltungsbereich mit seinen vielen Aktivitäten und die Arbeit der Tierschutzjugend. Wir versuchen, das Tierheim und den Tierschutzverein mit all seinen unterschiedlichen Themen erlebbar zu machen. Wir generieren finanzielle Mittel, die für das Überleben des Tierheims notwendig sind. Wir versuchen zu vermitteln, dass Tiere einen Wert und keinen Preis haben. Wir geben ihnen eine Stimme, und wir setzen uns auch politisch für ihre Rechte ein.
Die Senatsverwaltung in Berlin hatte ja bislang kein Herz für Tiere und ließ Sie im Regen stehen. Das hat sich ja nun geändert.
Wir bekommen in diesem Jahr erstmals für das Tierheim eine Unterstützung von 300.000 Euro. Das Geld werden wir für den dringend notwendigen Bau einer Katzen-Quarantäne verwenden.
So richtig viel ist das aber nicht, oder?
Die Problematik ist, dass wir nicht nur nicht unterstützt werden, sondern dass wir auch noch für Kosten aufkommen müssen, die die Stadt Berlin verursacht. Das liegt an der amtlichen Tiersammelstelle, die hier bei uns verortet ist. Dort kommen alle Tiere an, die von der Polizei, dem amtlichen Tierfang oder den Veterinärämtern aufgegriffen werden.
Das heißt?
Für Fundtiere gibt es eine kleine, gestaffelte Unterstützung. Aber auch die reicht durch die zeitliche Begrenzung auf 30 Tage nicht aus. Leben können wir nur durch Mitgliedsbeiträge, Spenden oder Nachlässe.
Ein Monat Bleibe-Zeit ist nicht viel – entspricht das denn der Praxis?
Ein Hund bleibt im Durchschnitt 145 Tage bei uns. Pro Tag gibt es einen Zuschuss von knapp über 23 Euro. Das ist aber wie gesagt auf 30 Tage begrenzt. Nur bei Beobachtungstieren oder sichergestellten Tieren gelten etwas längere Zeiten.
Sie sind ja neben der Arbeit für das Tierheim aber auch für tierschutzpolitische Arbeit zuständig.
Ja, das nimmt einen breiten Raum ein. Wir kämpfen zum Beispiel für eine Katzenschutzverordnung, setzen uns für Alternativen zu Tierversuchen ein, sind aktiv gegen den illegalen Welpenhandel oder wir machen uns in Berlin für Kutschpferde stark, die bei 30 Grad im Schatten auf dem Pariser Platz stehen und arbeiten müssen. Und das sind nur einige Themen.
Und wenn man das Tierheim mal erleben möchte: Wann gibt es dafür Gelegenheit?
Der nächste Tag der offenen Tür ist am Sonntag, 26. August, von 11 bis 18 Uhr. Es ist die größte und wichtigste Veranstaltung, die wir im Jahr durchführen. Da präsentiert sich das ganze Tierheim, und wir zeigen unsere Tiere – und natürlich auch unsere Arbeit und unsere Projekte. Ein Highlight ist unser Pit-Bull-Ballett. Hier zeigen sich unsere Listenhunde auf eine großartige Weise. Es gibt Agility-Shows, bei denen man mit seinem eigenen Hund teilnehmen kann.
Dann gibt es viele Infostände zu allen Bereichen des Tierheims, speziell der Ehrenamtsbereich ist stark vertreten. Wir haben etwa 800 ehrenamtliche Unterstützer, die für das Tierheim eine ganz elementare, wichtige Hilfe sind. Sie können sich auch beraten lassen, wenn Sie Fragen zum Verhalten Ihres Tieres haben – oder natürlich auch, wenn Sie vielleicht überlegen, einen unserer Schützlinge zu adoptieren.
Die Kollegen der Tierschutzjugend haben ein Kinderprogramm auf die Beine gestellt. Natürlich ist auch für das leibliche Wohl gesorgt. Eine riesige Kuchenauswahl und ganz großartige Streetfood-Stände lassen hier niemanden hungrig das Gelände verlassen. Und wer shoppen will: kein Problem! An unseren zahlreichen Ständen für Tierzubehör findet sich bestimmt etwas Schönes.
Frau Rost, haben Sie bei all den Aufgaben überhaupt noch Zeit, mal ein Tier zu streicheln?
(lacht) Leider viel zu selten. Aber natürlich nehme ich mir immer zwischendurch hierfür Zeit. Man hat ja auch mal Tage, die anders laufen, als man sich es vorstellt. Dann ist es für die Seele ungemein gut. eine Katze zu kraulen oder einen Hund zu streicheln.
Die Tiere sind jeden Tag meine Motivation und geben mir das Gefühl, hier etwas sehr Sinnvolles zu tun.