Ein lässiges Augenzwinkern, verschränkte Arme oder ein lascher Handschlag: 80 Prozent unserer Kommunikation läuft nonverbal ab. Was Körper und Stimme über uns verraten und wie wir lernen können, sie zu steuern.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" sagt ein Sprichwort. Tatsächlich verbringt der Mensch nur rund 20 Prozent seiner Zeit damit, verbal zu kommunizieren, und etwa 80 Prozent mit der sogenannten nonverbalen Kommunikation, also der Verständigung ohne Worte. Ein freundliches Lächeln, hängende Schultern oder eine schallende Ohrfeige – ständig tauschen wir nonverbale Botschaften aus. Viele von ihnen scheinen offensichtlich, doch nicht immer werden sie richtig verstanden. Was in einem Kulturkreis als höflich gilt, kann in einem anderen schon als Beleidigung gelten. Wissenschaftler gehen davon aus, dass verschiedene Basis-Gefühle wie Angst, Furcht, Trauer, Glück, Überraschung und Abscheu bei allen Menschen bestimmte nonverbale Ausdrucksformen hervorrufen. Stirnrunzeln etwa gilt in fast allen Kulturen als Zeichen des Ärgers. Das Lächeln hingegen wird weltweit als Signal der Sympathie verstanden. Anders verhält es sich etwa mit dem emporgestreckten Daumen: Er kann je nach Kulturkreis völlig gegensätzliche Bedeutungen haben. Auch das Übereinanderschlagen der Beine, das für uns völlig normal scheint, wird bei den Arabern als Beleidigung aufgefasst. Bei ihnen gilt die Fußsohle als unrein.
Der Körper verrät viel über uns – ob wir wollen oder nicht. 95 Prozent des ersten Eindrucks hängt laut Wissenschaftlern von Aussehen, Kleidung, Haltung, Gestik, Mimik, Sprechgeschwindigkeit, Stimmlage, Betonung und Dialekt eines Menschen ab. Nur fünf Prozent hingegen werden davon bestimmt, was derjenige sagt. Diese Einschätzung von Personen geschieht innerhalb der ersten Sekunden.
Da unser körperliches Verhalten meist unbewusst abläuft und für uns schwerer zu steuern ist als das verbale, gilt die Körpersprache als wahrer und echter. Um sich ohne Worte auszudrücken, stehen dem Menschen verschiedene Kanäle zur Verfügung. Über das Blickverhalten beispielsweise können wir kommunizieren, indem wir Augenkontakt zu unserem Gegenüber suchen, ihn anstarren, den Blick fixieren, wegschauen oder mit den Augen rollen. Wird der Mensch angeblickt, fühlt er sich beachtet. Während Blickzuwendung, solange sie nicht zu stark ist, als Aufmerksamkeit, Zuneigung und Freundlichkeit gewertet wird, wird das Meiden des Blickkontakts zumeist als Zeichen von Desinteresse, Gleichgültigkeit oder Scham gesehen.
Auch unser Gesichtsausdruck (Mimik) verrät einiges. Sind unsere Augenbrauen zusammengezogen und unser Gesicht verkniffen? Beben die Nasenflügel? Lachen wir oder sind unsere Mundwinkel heruntergezogen? Und selbst wenn wir lächeln, ist es dann echt? Ein falsches Lächeln beispielsweise lässt sich oft daran erkennen, dass dabei lediglich die Mundwinkel verzogen werden. Ein echtes Lächeln ist meistens von hochgezogenen Wangen, kleinen Hautverdickungen und Fältchen unter den Augen begleitet. An der Mimik können wir die seelischen Vorgänge in einem Menschen am besten ablesen. Pokerspieler versuchen sich deshalb darin, einen möglichst starren Gesichtsausdruck zu entwickeln, damit ihr Gegenspieler nicht errät, welche Karten sie auf der Hand haben. Wissenschaftler hingegen versuchen, Lügen im Gesicht ihrer Probanden abzulesen. Kleinste Zuckungen im Gesicht, ein Blinzeln mit den Augen, angespannte Muskeln können schon unsere wahren Emotionen verraten.
Zwangsläufige Verbindung von Wort und Sprache
Ganze 43 Gesichtsmuskeln sind an der menschlichen Mimik beteiligt. Mehr als 3.000 verschiedene Gesichtsausdrücke bringen wir damit zustande. Um diese zu lesen, hat der US-Psychologe Paul Ekman ein 700-seitiges Handbuch zum Gesichterlesen entwickelt, das sogenannte Facial Action Coding System (FACS). Ekman entdeckte auch die sogenannte Mikromimik. Auch wer sich bemüht, seine Emotionen zu verbergen, wird für den Bruchteil einer Sekunde von seinem Gesicht durch einen zuckenden Mundwinkel oder ein flatterndes Lid verraten. Eine nicht kontrollierbare Bewegung, die dem geschulten Auge alles verrät. Die Mikromimik dauert oft nur eine zwanzigstel Sekunde an, und die wenigsten Menschen können sie richtig lesen: Unter 15.000 Testpersonen fand der Psychologe Paul Ekman gerade mal 50 Personen, die Mikromimik richtig erkannten.
Ekmans Theorie wird heute von den US-amerikanischen Sicherheitsbehörden angewendet. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sind an den Grenzübergängen auch speziell ausgebildete FACS-Sicherheitskräfte im Einsatz. Sie sollen per Gesichtsanalyse potenzielle Täter oder Terroristen herausfiltern.
Ein weiterer nonverbaler Kanal ist die Körperhaltung und Körperbewegung (Gestik). Drehen wir unsere Haare um den Finger oder trommeln wir mit den Händen auf dem Tisch? Holen wir weit aus und unterstreichen mit unseren Gesten das Gesagte? Die meisten Menschen begleiten mit Gesten ihre verbale Rede. Besonders die Hände kommen dabei zum Einsatz – selbst bei Menschen, die glauben, sie ruhig zu halten. Sogar am Telefon wird häufig gestikuliert. Forscher haben herausgefunden, dass die Zentren für Sprache und Handbewegungen im Gehirn im selben Bereich angesiedelt sind. Sie vermuten deshalb eine fast zwangsläufige Verbindung von Wort und Hand.
Auch in Vorstellungsgesprächen und Verhandlungen kann unsere Gestik eine große Rolle spielen. Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology führten für eine Studie eine Aufzeichnung einer Gehaltsverhandlung vor. Die Studenten sollten abschätzen, ob der Angestellte letztlich mehr Geld bekommt oder nicht. Das Ergebnis: Die Mehrheit hatte Recht mit ihrer Einschätzung. Die Art, wie die Personen im Video miteinander interagierten, sprach eine deutliche Sprache.
Gerade im Berufsleben hat sich auch gezeigt, dass Frauen eher dazu neigen sich klein zu machen, während Männer sich groß machen. Zur Körpersprache der Frauen gehören häufig gefaltete Hände, übereinandergeschlagene Beine oder überkreuzte Füße. Männer hingegen strecken im Sitzen die Beine von sich, wodurch sie eine ganz andere – raumgreifendere – Wirkung erzielen.
Auch unsere Haltung ist von Bedeutung. Wenn wir trauern, sind wir zusammengesunken und die Schultern hängen herab. Eine offene Haltung im Brust- und Halsbereich hingegen symbolisiert Furchtlosigkeit und Selbstbewusstsein. Ähnlich verhält es sich mit der Bewegung. Wer sich im Gespräch vorbeugt, zeigt Aufmerksamkeit. Wer hingegen verkrampft an der Kleidung fummelt und vorne auf der Stuhlkante sitzt, gilt als unsicher. Auch der Gang eines Menschen kann Aufschluss über seine emotionale Befindlichkeit geben. Versuche haben gezeigt, dass wir erkennen, ob die Person, die vor uns läuft, männlich oder weiblich ist, aber auch, ob sie fröhlich oder traurig ist.
Über ganz unterschiedliche Kanäle
Weitere Möglichkeiten für den Menschen, nonverbal zu kommunizieren, bestehen in Berührung (Taktilität) und in der räumlichen Distanz (interpersonaler Raum). Eine Ohrfeige oder ein Kuss etwa sind Botschaften, die jeder versteht. In westlichen Ländern haben sich in den vergangenen Jahren das Berühren von Freunden und Bekannten, Umarmungen und Küsse auf Wange oder Mund durchgesetzt. Dennoch ist der Austausch von Körperkontakt in Europa im Vergleich zu anderen Kulturen eher selten. Für die richtige Distanz hat der Mensch zumeist ein sensibles Gespür. Werden wir zur Nähe gezwungen, wie etwa im Fahrstuhl, meiden wir häufig den Blick und versuchen, den anderen zu ignorieren. Jeder Mensch hat individuelle Distanzzonen, trotzdem gibt es grobe Richtlinien: Alles unter 60 Zentimetern (etwa eine Armlänge) fällt in die Intimsphäre einer Person. Bei fremden Personen gelten auch noch 1,20 Meter als persönlicher Bereich.
Die Stimme gilt nicht umsonst als Spiegel der Seele, denn auch sie ist eine weitere Möglichkeit zur nonverbalen Kommunikation. Stimmliche Merkmale wie Tonfall, Sprechgeschwindigkeit, Betonungen und Pausen verraten oft mehr als dem Menschen lieb ist. An der Stimme lassen sich nicht nur das Geschlecht, das Alter und die Gefühlsregungen eines Menschen erkennen. Auch ein Teil der Psyche wird über die Stimme hörbar. Daina Langner von der Charité in Berlin hat gemeinsam mit der Firma Audioprofiling ein Analyseprogramm entwickelt, dass Rückschlüsse auf das seelische Wohlbefinden geben soll. Die Software untersucht die Muster in der Stimme ganz genau – Deep Speech Pattern Analysis heißt das. Sie analysiert die Lautstärke, die Artikulation, das Tempo, den Rhythmus und die Sprachmelodie. Die Idee dahinter: Die feinen Muskeln, die für die Spannung der Stimmlippen sorgen, spiegeln wider, was im Körper los ist. Auf diese Weise versuchen die Mediziner Anzeichen für Parkinson, ADHS oder Depressionen zu finden.
Bei Trauer spricht der Mensch mit tiefer Tonlage und eher monoton, bei Ärger und Freude ist die Stimme höher und die Sprachmelodie ist abwechslungsreicher. Ein Anzeichen für Angst ist eine hohe, monotone Stimme, die gegen Ende des Satzes noch mal ansteigt. Regen wir uns auf oder sind wir richtig wütend, brüllen wir und spucken die Worte gerade heraus.
Auch die Grundfrequenz der Stimme hat Auswirkungen. So empfindet der Mensch Männerstimmen mit besonders tiefer Tonlage und einer großen Spannbreite der Modulation als dominant und Respekt einflößend. Stimmen mit höherer Grundfrequenz und einer geringeren Tonspannbreite wirken dagegen zwar ehrlich und vertrauenserweckend, aber wenig dominant, wie Rossario Signorello von der University in California herausfand. In Skandinavien, wo die Geschlechterverteilung im Berufsfeld ausgeglichener ist, gab es interessanterweise mehr Frauen, die tiefer sprechen.
Ein anders Mittel sich nonverbal mitzuteilen, ist die Kleidung ebenso wie Schmuck, Frisur, Make-up und Parfums. Täglich entscheiden wir bewusst oder unbewusst darüber, wie wir durch unser äußeres Erscheinungsbild wirken wollen: indem wir uns schminken, einen Rock oder eine Hose wählen, durch die Farbe der Krawatte oder den Schmuck, den wir anlegen. Die Psychologin Jennifer Baumgartner glaubt, dass Kleidung reflektiert, was wir denken und fühlen. Mit ihr kommunizieren wir, was wir der Welt eigentlich sagen wollen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg etwa, der sehr häufig öffentliche Auftritte im grauen T-Shirt hat, sagte einmal in einem Interview, dass er so viele Entscheidungen treffen müsse, dass er nicht auch noch stundenlang vor seiner Garderobe ausharren wolle, um sich das passende Outfit herauszusuchen. Einer der reichsten Menschen der Welt zeigt sich also bodenständig und will dies an seine Umwelt kommunizieren. Die Kleidungs-Codes variieren stark je nach Kulturkreis. Dazu zählt auch, wie viel nackte Haut präsentiert werden darf. In Afrika beispielsweise bedecken die Frauen ihre Beine aus Schamgefühl mit langen Röcken, während ihre Brüste oft nackt sind.
Der Mensch kann sich also über ganz unterschiedliche Kanäle nonverbal ausdrücken, und er tut es unablässig – ob er will oder nicht. Auch deshalb sind immer mehr Menschen von der Sprache des eigenen Körpers fasziniert und versuchen, sie zu verbessern, um positive Veränderungen in Beruf, Partnerschaft und im alltäglichen Leben zu erzielen.