Whitney Houston zählt zu den erfolgreichsten Sängerinnen aller Zeiten. Über 170 Millionen verkaufte Tonträger weltweit belegen dies. Nach dem kometenhaften Aufstieg der Pop-Diva in den 80ern, folgte in den späten 90ern ihr Fall. Am 9. August wäre sie 55 Jahre alt geworden.
Für die Musikzeitschrift „Rolling Stone" war sie „die beste weibliche Stimme ihrer Zeit". Für die „New York Times" die „definitive Pop-Soul-Sängerin ihrer Generation". Deren Journalist Stephen Holden schrieb 1993 über ein Konzert von Whitney Houston, sie sei einer der wenigen zeitgenössischen Popstars, von denen man sagen könnte, die Stimme genügt: „Während fast jeder Künstler, dessen Alben in Millionenhöhe verkauft werden, tief in die Trickkiste eines Entertainers greift, von Witzen über Tanzen bis hin zu Pyrotechnik, steht Ms. Houston lieber einfach da und singt."
Drei Oktaven umfasste die Stimme von Whitney Houston. Eine Stimme, die allein schon eine solche Wucht entfalten konnte, dass sie eine musikalische Untermalung gar nicht nötig hatte. In ihrem größten Hit – „I Will Always Love You" aus dem Jahr 1992, dem Titelsong des Soundtracks zum Film „Bodyguard" – sang sie in den ersten 45 Sekunden ausschließlich a cappella und sorgte bei ihren Zuhörern dennoch für Gänsehaut. Für viele ist ihre Version des Dolly-Parton-Songs aus dem Jahr 1974 gar das schönste Liebeslied aller Zeiten. 14 Wochen lang hielt es sich auf Platz eins der amerikanischen Charts. Das dazugehörige Album ist mit über 17 Millionen verkauften Einheiten der mit Abstand erfolgreichste Soundtrack in den USA.
Es ist zugleich bis heute das am meisten verkaufte Album einer weiblichen Sängerin. Nur einer von vielen Rekorden von Whitney Houston, die mit mehr als 170 Millionen verkauften Tonträgern, über 200 Gold-, Platin-, Silber- und Diamantschallplatten sowie sechs Grammys zu den erfolgreichsten Sängerinnen überhaupt zählt. Laut Guinness-Buch der Rekorde ist die Amerikanerin mit insgesamt 411 Auszeichnungen für ihr musikalisches und filmisches Schaffen sogar die am häufigsten ausgezeichnete Künstlerin aller Zeiten. Als einzige gelangen ihr sieben Nummer-eins-Hits am Stück und als eine von nur wenigen Musikerinnen ein Nummer-eins-Album gleich in drei aufeinanderfolgenden Dekaden.
Am 9. August 1963 wurde Houston in Newark im US-Bundesstaat New Jersey geboren. Sie stammte aus einer musikalischen Familie: Ihre Mutter Cissy sang Gospel und war Backgroundsängerin von Elvis Presley, Jimi Hendrix und Dusty Springfield; ihre beiden Cousinen Dee Dee Warwick und Dionne Warwick waren ebenfalls als Sängerinnen aktiv; und Aretha Franklin war ihre Patentante. Ihre ersten eigenen Bühnenerfahrungen sammelte Whitney Houston im örtlichen Gospelchor. Auch bei den Auftritten ihrer Mutter stand sie immer wieder mit auf der Bühne. Parallel verfolgte sie anfangs noch eine Modelkarriere und war auch dort sehr erfolgreich. Sie wurde in Zeitschriften wie „Vogue" sowie als eines der ersten schwarzen Models auf der Titelseite der Teenagerzeitschrift „Seventeen" abgebildet.
Sieben Nummer-Eins-Hits in Folge
Ihre große Leidenschaft galt jedoch der Musik. 1983 unterzeichnete Houston ihren ersten Plattenvertrag, ein Jahr später erschien die erste Single „Hold me", ein Duett mit Teddy Pendergrass. Wiederum ein Jahr später veröffentlichte die damals 21-Jährige ihr Debütalbum, das den schlichten Titel „Whitney Houston" trug und sich weltweit über 25 Millionen Mal verkaufte. 13 Millionen Platten wurden allein in den USA verkauft –
nie zuvor war einer Künstlerin dort ein derart erfolgreichstes Debüt gelungen. Für ihren Nummer-eins-Hit „Saving All My Love For You" bekam sie ihren ersten Grammy als beste Popsängerin. Mit „How Will I Know" und „The Greatest Love of All" schafften es zwei weitere Lieder der Platte an die Spitze der Billboard-Charts.
An diesen Erfolg knüpfte Whitney Houston 1987 mit ihrem zweiten Album „Whitney" nahtlos an. Zwar monierten viele Kritiker, dass die beiden Alben allzu ähnlich klingen würden (was auch nicht verwunderlich ist, schließlich sind Produzenten und Songwriter diesselben), doch vermutlich war gerade das der Grund für den immensen Erfolg. Als erstes Album einer Frau steigt Whitney Houston gleich auf Platz eins in die US-Billboard-Charts ein. Auch die Singles „I Wanna Dance With Somebody (Who Loves Me)", „Didn’t We Almost Have It All", „So Emotional" und „Where Do Broken Hearts Go" stehen jeweils ganz oben.
Whitney Houston war nun endgültig ein Superstar. 1988 steuerte sie mit „One Moment In Time" das Titellied zu den NBC-Übertragungen der Olympischen Spiele in Seoul bei. Zu einer nationalen Heldin wurde sie 1991, während des Irak-Kriegs, als sie beim Super Bowl die amerikanische Hymne auf eine Art und Weise intonierte, wie man es noch nie zuvor gesehen hatte. Wenig später wurde der Auftritt als Single veröffentlicht. Als einzige Musikerin hat es Whitney Houston geschafft, aus der Nationalhymne einen Pophit zu machen.
Im Jahr darauf feierte sie in dem Film „Bodyguard" von und mit Kevin Costner ihr Schauspieldebüt und steuerte außerdem den bereits erwähnten Soundtrack bei. In dem Hollywoodfilm verliebt sich ein Popstar, gespielt von Houston, in seinen Leibwächter. Weitere Filme folgten, zu denen sie ebenfalls die Musik sang: zunächst 1995 „Waiting to Exhale – Warten auf Mr. Right", 1996 dann „Rendezvous mit einem Engel".
Erst danach konzentrierte sie sich wieder ganz auf die Musik. Genau wie die ersten drei Studioalben (noch vor „Bodyguard" war 1990 „I’m Your Baby Tonight" erschienen), war auch das vierte Album „My Love Is Your Love" aus dem Jahr 1998 wieder ein großer Erfolg. Doch dann begann der schleichende Abstieg, für den aus Sicht vieler Beobachter vor allem ein Mann verantwortlich ist: Bobby Brown. Schon 1992 hatte Whitney Houston den R&B-Sänger geheiratet, der sich jedoch bald darauf als egoistisch, gewalttätig und drogenabhängig entpuppte. Die Medien nannten das Paar irgendwann nur noch „Die Schöne und das Biest". Houston litt schwer unter ihrem Ehemann – sie magerte sichtlich ab und fing selbst an, Drogen zu konsumieren, vor allem Kokain. Bald konnte sie sich nicht mehr um ihre Tochter Bobbi Kristina kümmern, die deshalb zeitweise in die Obhut ihrer Patentante kam. Mehrere Entziehungskuren scheiterten.
Künstlerinnen beeinflusst
Erst 2006 trennte sich Houston von Bobby Brown und schien kurz darauf noch einmal durchstarten zu können. 2009 feierte sie mit dem Album „I Look To You" noch einmal einen Nummer-eins-Erfolg. Das Album verkaufte sich in den USA bereits in der ersten Woche über 300.000 Mal und bescherte der Sängerin damit die erfolgreichste Startwoche ihrer Karriere. Doch die folgende Tour wurde zum Flop. Houstons einst so magische Stimme war brüchig geworden –
bei einem Konzert 2010 in Berlin versagte sie gleich mehrfach.
Und bis zuletzt verfiel sie immer wieder dem Drogenkonsum. Am 11. Februar 2012 wurde Whitney Houston tot in ihrem Hotelzimmer in Beverly Hills aufgefunden. Sie war in ihrer Badewanne ertrunken, „die Folge einer Herzerkrankung mit Arterienverkalkung und von Kokainkonsum", wie es im offiziellen Autopsiebericht hieß. In ihrem Nachruf schrieben Kai Müller und Jörg Wunder, Whitney Houston habe eine kulturelle Schranke überwunden und sei wie Michael Jackson Ausgangspunkt einer musikalischen Supernova geworden. „Nach ihr musste man nicht mehr weiß sein, um Popmusik zu machen, nicht mehr schwarz für Soul", so die beiden Journalisten des Berliner „Tagesspiegels".
Houston hat eine ganze Generation nachfolgender Künstlerinnen beinflusst, darunter Mariah Carey, Christina Aguilera und Mary J. Blige. Und ihre Geschichte fasziniert bis heute. Zuletzt sind mehrere Filme über das Leben der Pop-Diva entstanden, die jeweils auch der Frage nachgegangen sind, wie die Diva derart abstürzen konnte. Mit durchaus unterschiedlichen Interpretationen: In „Whitney – Can I Be Me" (2017) von Nick Broomfield war es vor allem die nicht erwiderte Liebe zu ihrer besten Freundin Robyn Crawford, die dafür verantwortlich gemacht wurde – Houston sei sozusagen an gebrochenem Herzen gestorben. Dagegen behauptete Kevin MacDonald in seinem erst 2018 veröffentlichten Dokumentarfilm „Whitney", dass sie als Kind offenbar missbraucht wurde. Beides könnte erklären, warum so viele Dinge in ihrem Leben schiefgelaufen sind und warum die grandiose Stimme von „The Voice" leider viel zu früh verstummte.