Morgan baut Autos, die ein Hingucker sind. Zwar hat der Morgan Plus 4 nur einen Vierzylinder-Ford-Motor unter der Haube, doch das schmälert nicht den Fahrspaß. Wir haben den Zweisitzer aus der Beifahrer-Sicht getestet.
Heute ist Jule meine Fahrerin für den Morgan Plus 4. Jule ist schon vorher ganz aufgeregt. Als wir im Morganpark ankommen und sie die ganzen „Oldtimer" sieht, wird Jule immer leiser. Ganz entgegen ihrer Gewohnheit spricht sie kaum auf den ersten Kilometern unserer Fahrt. Um es vorwegzunehmen: Jule stellt am Ende des Tages mit einem Lächeln fest: „Der lässt sich gar nicht so schwer fahren! Das ging richtig gut!" Dass der Morgan Plus 4 keine Servolenkung hat, war das Schwierigste an der Fahrt. Da er aber für ein Auto recht leicht ist, war auch das unproblematisch. Die Freude hat bei Weitem überwogen. Allein der Anblick ist ein Hochgenuss. Unser Testwagen glänzt in der Mercedes-Sonderlackierung Tenoritgrau Metallic. Die Inneneinrichtung ist in Yarwood Cuba Leder – man könnte auch einfach sagen, dunkelbraunem Leder – gehalten. Obwohl man das bei einem „Oldtimer" an Komfort gar nicht erwarten würde, sind die Sitze sowohl in der Neigung der Rückenlehnen als auch in der Längsrichtung verstellbar, was es uns ermöglicht, bequem zu sitzen.
Besondere Leckerbissen für Menschen mit Sinn für Ästhetik sind das Armaturenbrett und das Lenkrad, welche beide speziell für den Morganpark in Barsbüttel hergestellt werden. Sie sind beide aus edlem Holz gefertigt, das ich als Laie als Wurzelholz bezeichnen würde. Es ist glatt poliert und lackiert. Damit verleiht es dem Wagen einen sehr hochwertigen Eindruck. Sämtliche Armaturen sind analoge Rundinstrumente. Digitalen Spielkram gibt es hier nicht. Im Armaturenbrett findet sich ein Handschuhfach, das seinen Namen verdient und abschließbar ist. Es ist wirklich klein, aber das macht nichts. Wer Morgan fährt, reist mit wenig Gepäck oder einem passenden Koffer auf dem Gepäckträger am Heck. Stauraum ist knapp im Morgan, aber unser Testwagen hat immerhin Kartentaschen an den Innenseiten der Türen.
Hinter den Sitzen des Morgan-Plus-4-Zweisitzers findet sich ein Stauraum. Hier bekommen wir unsere professionellen Fototaschen und Jacken gut untergebracht. Sogar zwei kleinere Umhängetaschen finden hier noch Platz. Allerdings auch nur, weil wir die Seitenfenster, die auf die Türen aufgesteckt sind, auf den Türen lassen. Eigentlich ist dieser Platz für die Fenster gedacht, wenn man sie nicht nutzen will.
Wie es bei Oldtimern oft üblich war, ist auch der Morgan Plus 4 ein Cabriolet. Sein Verdeck lässt sich problemlos öffnen und schließen. Selbstverständlich von Hand. Geöffnet nimmt es keinen Platz im Kofferraum weg und ist für die Silhouette des Autos immer noch eine Zierde.
Der Stauraum im Wagen ist knapp
Der Morgan Plus 4 endet ganz kurz nach den Sitzen mit einem schräg nach hinten abfallenden Heck, das ein Ersatzrad mit Speichen schmückt. Dasselbe wie die vier anderen auch. Allein das ist ein echter Hingucker. Natürlich fällt der Morgan Plus 4 auch schon durch sein Äußeres auf. Die „meilenlange" Motorhaube durchbrechen oben und seitlich Lufteinlässe. Die Seiten, die durch weit geschwungene Kotflügel in Trittbrettern münden, und die runden, aufgesetzten Scheinwerfer an der Front des Wagens, sind ein Augenschmaus. Letztlich macht auch der wunderschöne portalartige Kühlergrill aus dem Morgan Plus 4 ein kleines Kunstwerk.
Unsere Testfahrt unternehmen wir bei herrlichstem Sonnenschein mit mehr als 30 Grad Celsius. Daher haben wir das Dach geöffnet und genießen somit noch mehr Bewegungsfreiheit. Dank der langen Motorhaube ist der Fußraum üppig bemessen, sodass auch Menschen mit langen Beinen hier bequem Platz finden. Bei Bedarf findet hier auch noch Gepäck Platz.
Nach einer kleinen Einweisung in das Auto, die nicht nur für Jule wichtig ist, fahren wir endlich los. Für mich ist dabei von Bedeutung, zu wissen, wie wir das Verdeck bedienen. Das ist zwar ganz einfach, aber man muss schon wissen, wie es geht.
Als Jule den Motor startet, zuckt sie ein wenig zusammen und entschuldigt sich für den „Lärm". Damit meint sie den sonoren Sound des Motors, der für Liebhaber eine Ouvertüre zu einem furiosen Klangerlebnis ist. Während der Fahrt weht uns der Wind angenehm kühl um die Nase, was bei den Temperaturen den reinsten Genuss bedeutet. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass auch bei weniger Wärme die Fahrt im offenen Morgan angenehm und nicht zugig ist. Das spüren wir, als wir in einem Stau stecken und nur langsam vorankommen.
Dass wir während unserer Fahrt durch Hamburg und über die Köhlbrandbrücke immer wieder die Blicke anderer Verkehrsteilnehmer auf uns ziehen, wundert uns nicht. Ein junger Mann in einem entgegenkommenden Auto lehnt sich aus dem Seitenfenster und grölt uns schon von Weitem seine Begeisterung entgegen.
Bei einem Fotostopp stehen wir auf dem Parkplatz eines Hotels. Unwissend, dass dieser offenbar für einen Gast reserviert ist, der prompt während unserer Anwesenheit ankommt, aber dank des besonderen Autos darüber hinwegsieht und sich einen anderen Platz sucht.
Viel Fahrspaß ist 69.700 Euro wert
Wenn wir irgendwo halten, ist es schon selbstverständlich, dass Leute auf uns zukommen und uns auf den Morgan ansprechen. Wenn wir erzählen, dass der Wagen erst gut 2.000 Kilometer gefahren ist, sind sie immer ganz ungläubig. Ein seltsames Phänomen ist, dass viele Passanten umgehend das Auto fotografieren, wenn sie nicht mitbekommen haben, dass wir dazu gehören. Viele nehmen schnell Reißaus, wenn sie merken, dass der Morgan „uns gehört". Wahrscheinlich ist es ihnen peinlich, einfach in die „Privatsphäre" anderer eingedrungen zu sein. Dabei ist ein kleiner Plausch über den Wagen recht interessant. Wir lernen auf jeden Fall auf diese Weise viele Leute kennen.
Im Restaurant, in dem wir Mittagspause machen, fragen wir die Bedienung nach geeigneten Plätzen, an denen wir den Wagen fotografieren können. Sie scheint uns nicht so recht zu verstehen. Erst als wir später mit dem Plus 4 am Restaurant vorbeifahren, sieht sie uns, und mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht begreift sie, was wir von ihr wollten.
Wir knattern mit offenem Dach, den Wind in den Haaren und dem Sonnenbrand auf der Nase fröhlich weiter durchs „Alte Land". Vorbei an malerischen Gehöften und Obstplantagen. An Deichen und an der Elbe entlang. Viel zu schnell ist die Testfahrt zu Ende, und wir müssen den Morgan Plus 4 wieder abgeben. Bevor wir das machen, tanken wir noch einmal. Das fordert uns ein wenig Geduld ab, denn wir haben uns nicht zeigen lassen, wie wir an den Tank kommen. Stilecht ist dieser mit einer schlichten Klappe versehen. Wir fragen uns, wo wir den Schlüssel einstecken sollen, den man uns morgens als Tankschlüssel zeigte. Nach ein paar Minuten begreifen wir allerdings, dass der Deckel ohne Schloss, den wir auf dem Kofferraum finden, nur eine „Kappe" für den verschließbaren Tankdeckel darstellt. Hätte uns die Sonne nicht den ganzen Tag die Gehirne geheizt, wären wir vermutlich schneller auf diese Lösung gekommen. Das Tanken selbst ist dann wieder ausgesprochen erfreulich, denn obwohl wir gefühlt sehr weit gefahren sind, fällt die Tankrechnung ausgesprochen sparsam aus.
Schon jetzt freuen wir uns auf den nächsten Test eines Morgans, denn leisten können wir uns eines dieser Schmuckstücke nicht. Mit 69.700 Euro übersteigt der Preis unsere Budgets, wenngleich ich sagen muss, dass so viel Spaß am Fahren und am Auto diesen Preis auch wert ist.
Wer Spaß an edler Exklusivität hat, wer Autos liebt und gerne Kontakt zu anderen Menschen aufnimmt, der sollte einen Morgan zumindest zur Probe fahren, denn diese wunderschönen Gefährte kann man auch mieten. Man muss sie nicht gleich kaufen.