Rein zufällig gelten zwei Roberts als die wichtigsten Schauspieler ihrer Generation. Aber im Unterschied zu Redford hat De Niro speziell ein Genre stark geprägt, nämlich das des Mafia-Films. Seine erste Mafia-Rolle im zweiten Teil der „Pate"-Trilogie machte ihn zum Mega-Star.
Kaum zu glauben, dass Robert De Niro ausgerechnet mal betreffs einer seiner Paraderollen als Mafioso eine Abfuhr erhalten hatte. Doch genau das war geschehen, als sich der damals noch relativ unbekannte 29-jährige Schauspieler zum Casting für das Opus „Der Pate" 1972 eingefunden hatte. „Ich bin zu allen offenen Castings gegangen, von denen ich gehört hatte", so De Niro mit Rückblick auf seinen beschwerlichen Karriereanfang. „Ich hatte keine Angst davor, zurückgewiesen zu werden. Ich hatte nicht mal einen Agenten. Ich bin einfach hingegangen, habe mich angeboten." Zunächst hatte er bei Regisseur Francis Ford Coppola für den Part des ältesten Sohnes des Paten, Sonny Corleone, vorgesprochen. Doch diese Rollenvergabe sorgte auch hinter den Kulissen für Unstimmigkeiten zwischen dem Regisseur und den Produzenten, die in Besetzungsfragen bei diesem Großprojekt nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner kamen. Die Rolle ging letztlich an James Caan.
„Ich habe den Mut niemals aufgegeben"
Bei dem Part des jüngsten Paten-Sohnes Michael Corleone hatte De Niro das Nachsehen gegen Al Pacino. Nicht mal den Trostpreis eines ihm angebotenen Mini-Auftritts als Paulie Getto sollte für De Niro schließlich bei „The Godfather" herausspringen. „Als junger Schauspieler hatte ich es schon schwer", so De Niro. „Die meisten Jobs, um die ich mich beworben habe, wurden an Leute vergeben, die schon einen Namen hatten oder Beziehungen mitbrachten, aber ich habe den Mut niemals aufgegeben."
Seine Mühen sollten sich schon ein Jahr später auszahlen, als er von Martin Scorsese für dessen ersten Mafia-Film „Mean Streets" (deutscher Titel: „Hexenkessel") verpflichtet wurde. Zwar war er auf der Besetzungsliste nur die Nummer zwei, weil Harvey Keitel die Hauptrolle spielte, aber dennoch sollte er mit seiner Darstellung des Kleingangsters Johnny Boy in dem Streifen über das harte Leben in den Straßen von New York, genauer gesagt im Little Italy der 1960er-Jahre, große Aufmerksamkeit in der Branche erregen. Kein Wunder, war er doch so etwas wie ein Insider – und damit geradezu prädestiniert dafür, im Genre der seit Ende der 1960er- und vor allem in den 1970er-Jahren boomenden Mafia-Filme auf der Leinwand zu brillieren.
Scorseses Skript war autobiografisch geprägt, die speziellen Zustände in Little Italy kannten Scorsese und De Niro, beide Nachfahren italienischer Einwanderer, bestens aus eigener Erfahrung in ihren Jugendjahren. Scorsese: „Für uns sahen die Mafiagrößen von damals auch nicht wie Mafiagrößen aus, sondern wie die Onkel, die am Nachmittag irgendwo rumsaßen und Kaffee tranken. Wir wussten nicht, dass sie die Bosse waren, wir wussten nur, dass wir ihnen mit Respekt begegnen mussten. Und dass wir in ihrer Nähe keinen Lärm machen durften."
Da De Niro von seinen Künstler-Eltern weitgehend sich selbst überlassen worden war, war er laut Freunden aus seinen Jugendtagen „viel auf der Straße". Und: „Er war kein Rebell, aber er lernte, sich durchzusetzen."
Nach seinem Achtungserfolg in „Hexenkessel", durfte De Niro quasi als Belohnung auch im „Paten" ran – und spielte im zweiten Teil des Epos die Rolle des jungen Vito Corleone. Und zwar so überzeugend, dass er fortan so etwas wie das filmische Gesicht oder Aushängeschild der Stadt New York wurde, das er später über das Mafia-Milieu hinaus durch Rollen als Vietnamveteran oder Boxer in andere Genres erweiterte.
De Niro spielte den jungen Paten auf seine eigene Art und Weise, ohne jedoch das Vorbild Marlon Brando mit dessen unverwechselbarer Mimik und Gestik aus den Augen zu verlieren, so dass zwischen dem jungen und alten Vito Corleone keinerlei darstellerische Bruchstellen zu erkennen waren. De Niro gelang es damit als Nebendarsteller, den zweiten Teil des Opus genauso stark zu prägen wie es Marlon Brando zuvor im ersten Teil als Hauptdarsteller gelungen war.
Kein Rebell, aber durchsetzungsstark
Dank dieser Ausnahmeleistung war De Niro in die allererste Riege der Hollywood-Stars aufgestiegen und sollte mehr als 20 Jahre lang bis zu Scorseses Mafia-Streifen „Casino" aus dem Jahr 1995 der viel bewunderte Leitstern seiner Schauspielkollegen bleiben. Die ihm häufiger gestellte Frage bezüglich seiner unübersehbaren Mafia-Vorliebe pflegte er stets ganz lapidar mit einer Gegenfrage zu beantworten: „Vielleicht, weil ich sie verstehe?" Doch sollte es geraume Zeit dauern, bis De Niro in Brian De Palmas Kassenhit „The Untouchables" („The Untouchables – Die Unbestechlichen") 1987 wieder eine richtige Mafia-Rolle übernehmen sollte. Dabei stellte er keinen Geringeren als den legendären Al Capone auf der Leinwand dar, wofür De Niro einige Pfunde zugelegt und sich eine Halbglatze hatte rasieren lassen.
Ein Jahr später war De Niro in Martin Brests Actionkomödie „Midnight Run" („Midnight Run – Fünf Tage bis Mitternacht") als abgehalfterter Kopfgeldjäger Jack Walsh zu sehen, der einen Mafia-Buchhalter quer durch die USA befördern musste. Auch wenn Scorseses „Goodfellas" („Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia") von 1990 bei der Oscar-Verleihung klar von Kevin Costners „Der mit dem Wolf tanzt" geschlagen wurde, war er doch an den Kinokassen ein absoluter Mega-Hit. De Niro agierte in einer wichtigen Nebenrolle als einflussreicher Mobster Jimmy Conway und Mentor des Nachwuchsgangsters Henry Hill.
Mit dem Streifen „A Bronx Tale" („In den Straßen der Bronx") debütierte De Niro als Regisseur und spielte gleichzeitig die Rolle des Busfahrers Lorenzo Agnello, der im Jahr 1960 mit allen Mitteln verhindern will, dass sein Sohn eine Mafia-Laufbahn einschlägt. Martin Scorseses fast dreistündiges Opus „Casino" von 1995 sollte zu einem Klassiker des Mafia-Films aufsteigen. De Niro mimte darin den Paten von Las Vegas namens Sam Rothstein, der zur Tarnung allerdings nur die Position eines Casino-Managers einnahm.
In späteren Filmen wie den beiden Teilen „Analyze This" und „Anyalze That" („Reine Nervensache" 1 und 2) 1999 und 2002 oder Luc Bessons „The Family" („Malavita – The Family") aus dem Jahr 2013 versuchte sich De Niro in komödiantischen Parodien des Mafioso-Images. In der Komödie „American Hustle" von 2013 verkörperte er die rechte Hand des Mafia-Bosses Meyer Lansky. Alles spricht dafür, dass De Niro 2019 mit dem knallharten Mafia-Thriller „The Irishman" von Martin Scorsese wieder zu seinen Leinwand-Gangster-Wurzeln zurückkehren wird. Die Ansammlung der üblichen Verdächtigen von Al Pacino über Joe Pesci bin hin zu Harvey Keitel spricht zudem für einen Mega-Blockbuster.