Unter der Hitze leiden alle, aber die Landwirte trifft sie in der Existenz. Warum schließen sie eigentlich keine Versicherung gegen die Trockenheit ab?
Wer in diesen Tagen durch Landschaften mit viel Äckern und Wiesen fährt, sieht oft nur verdorrte, ausgetrocknete Flächen. Das Getreide ist meist schon abgeerntet, eigentlich viel zu früh im Jahr. Die Landwirte vor allem im Norden und Osten Deutschlands retten, was zu retten ist. Der Extremsommer 2018 beschert ihnen massive Ernteverluste, soviel ist jetzt schon deutlich. Es dürfte ein „Mehrfaches einer Milliarde" sein, so der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Die Milliarde Euro hatte er als Nothilfe für die Landwirte ins Gespräch gebracht.
Rainer Langner, Chef der Vereinigten Hagelversicherung, rechnet mit „mindestens zwei Milliarden Euro" Schäden. Noch zögert die zuständige Bundesministerin. Sie will erst den Erntebericht Ende August abwarten. Aber angesichts der Dramatik ist absehbar, dass staatliches Geld fließen wird.
Der Aufschrei kam prompt. „Geht’s noch?" rief der Kommentator eines Hauptstadtblattes. Auch Restaurants hätten ja ein unternehmerisches Risiko, aber Gastwirte kämen nicht auf die Idee, bei leeren Tischen den Staat um Hilfe zu rufen. Die Ablehnung ist fast einhellig. Hilfen seien ja keine Lösung des Problems.
Sind die Landwirte „selbst schuld"? Tragen sie nicht auch zum Klimawandel bei ‒ mit ihren Monokulturen und dem CO2-Ausstoß der Viehherden ‒, der nun mit einem heißen und trockenen Sommer zuschlägt? Da ist etwas dran. Aber auch wenn beispielsweise Ökobauern einiges tun können, um ihre Flächen widerstandsfähiger gegen Extremwetter zu machen (siehe Kasten), so bleibt doch das eigentliche Risiko von Ernteausfällen bei ihnen hängen. Warum eigentlich keine Versicherung?
Die Schäden gehen in die Milliarden
Sonst gibt es doch gegen alles und jedes eine Versicherung, auch für Landwirte. Gegen Hagel und Starkfrost beispielsweise bieten spezielle Versicherungen wie die Münchner und Magdeburger Agrar, die Mecklenburgische Versicherung oder die Vereinigte Hagelversicherung seit Jahren Policen an. Nur für Schäden durch Trockenheit ist das anders. Es gibt zwar vereinzelte Angebote. Aber sie werden nicht angenommen. Der Grund: Sie sind teuer, jedenfalls zu teuer für die meisten Landwirte. So kommt es, dass drei Viertel der Ackerflächen gegen Hagelschäden versichert sind, aber nur weniger als ein Tausendstel gegen Dürreschäden.
„Das Problem ist, dass es zwei verschiedene Arten von Risiko gibt", erklärt Professor Martin Odening von der Humboldt-Universität Berlin. Es gebe normale Risiken wie Hagel, die recht häufig, aber immer nur örtlich begrenzt auftreten. Diese lassen sich gut versichern, weil das Risiko auch für die Versicherung gut beherrschbar ist. Anders ist es bei sogenannten „systemischen Risiken". Die sind selten, aber dann heftig. Der Schaden betrifft dann, so wie jetzt bei der aktuellen Dürre, Tausende Landwirte und der Schaden geht in die Millionen oder Milliarden. Darum sind solche Risiken auch für Versicherungen zu groß. Sie müssten dafür sehr viel Kapital vorhalten.
Allerdings gibt es Versicherungen gegen Dürre sehr wohl – in anderen Ländern. „In den USA und Kanada sind solche Versicherungen verbreitet, seit einiger Zeit auch in Spanien und Frankreich und anderen EU-Ländern", sagt Odening, Co-Autor einer aktuellen Studie zu diesem Thema. Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zu Deutschland: „In diesen Ländern werden diese Versicherungen staatlich unterstützt. Die Subventionierung dieser Versicherungen ist dort Teil der Agrarpolitik", so Odening. Der Staat zahlt dort teilweise bis zu 70 Prozent der Prämien. Deutschland ist da vorsichtiger. Bislang jedenfalls passt das nicht zum deutschen Verständnis der Agrarpolitik.
Sicher könnte man es auch so wie die Amerikaner machen und die Versicherungspolicen subventionieren, so Odening. Das sei aber auch problematisch: „Es gibt Überwälzungseffekte. Das heißt, auch die Versicherungen profitieren von den Prämiensubventionen." Ein Grund übrigens, warum derzeit von ihnen so dafür geworben wird. Ein weiteres Problem besteht für die Versicherung darin, dass, anders als beim Hagel, bei Dürre nicht immer klar abzugrenzen ist, was Natur und was Fehler oder Verhalten des Landwirtes ist. Die Versicherungen haben hier Schwierigkeiten, eine Linie zu ziehen und einen Schadensfall zu definieren. Auf die Frage, welche Agrarpolitik die „richtige" sei, gebe es daher keine eindeutige Antwort, so Odening. Auch die Amerikaner verstoßen streng genommen gegen Prinzipien der Marktwirtschaft.
Gegen Hagel gut vesichert
Immerhin hat Deutschland ein bewährtes System aus Hilfen für betroffene Landwirte, in dem der Staat eine wichtige Rolle spielt: Die Bundesländer können die Landwirte bei Ernteeinbußen von 30 Prozent oder mehr gegenüber den Vorjahren mit Zuschüssen unterstützen oder etwa Steuerzahlungen stunden. Zudem wird eine Regelung in Kraft treten, wonach Landwirte ihre Einkommensteuer über einen Schnitt über drei Jahre glätten können, was die Steuerbelastung senkt. Allerdings muss die EU-Kommission das noch genehmigen.
Außerdem kann der Bund einen „nationalen Notstand" gemäß Grundgesetz verkünden und Bundeshilfen geben. Das war wegen Dürre zuletzt im ähnlich heißen Sommer 2003 der Fall. Damals lagen die Schäden mit rund zwei Milliarden Euro vergleichbar hoch wie dieses Jahr. Allerdings summierten sich die Nothilfen von Bund und Ländern zusammen im Jahr 2003 auf nur 72 Millionen Euro, deckten also nur einen Bruchteil der Schäden durch die Trockenheit insgesamt ab. Das ist deutlich weniger als die Summe, die aktuell gefordert wird.
Vielfältige Hilfen Möglich
Zudem gibt es die Möglichkeit von Liquiditätshilfen der Rentenbank, der staatlichen Förderbank für die Landwirtschaft. Dabei handelt es sich um zinsgünstige Kredite, die natürlich zurückgezahlt werden müssen. Es können also nur grundsätzlich gesunde Betriebe einen solchen Kredit bekommen, von denen klar ist, dass sie in den kommenden Jahren genug Gewinn machen. Ende Juni hat die Rentenbank das Programm auch für von der Dürre betroffene Landwirte geöffnet. Es ist nicht gedeckelt, bei entsprechend hohem Interesse kann es daher einen großen Umfang annehmen, so wie 2009, als rund 750 Millionen Euro Liquiditätshilfen in Anspruch genommen wurden. Das Programm der Rentenbank könnte für die aktuelle Dürre demnach ebenso wichtig werden wie Zuschüsse, über die die Politik erst noch entscheiden muss. Es kann den betroffenen Landwirten helfen, in den kommenden kritischen Monaten über die Runden zu kommen – im Grunde hat es also den gleichen Effekt, den eine Versicherung auch erreichen würde.
Alle diese Hilfen setzen voraus, dass dieses Jahr ein „Ausreißer" bleibt. Wirklich kritisch wird es, wenn auch das kommende Jahr wieder so trocken wird. Keiner kann sagen, ob das so kommt – aber dann ginge es den Bauern wirklich an die Existenz.