Im „Locanda Grappolo d’oro" in Lebach verzaubert Küchenchef Domenico Stira seine Gäste mit hochklassigen mediterranen Speisen.
Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten Besuch um die Jahrtausendwende oder kurz davor im „Locanda Grappolo d’oro" in Lebach. Es war nach dem Mittagsgeschäft, denn ich wollte mich in Ruhe mit Domenico Stira, Inhaber und Küchenchef, unterhalten. Als ich am Haus ankam, sagte mir seine Frau Xenia Frost, dass Domenico Stira auf dem Feld sei. Ich ging ihm nach, doch er kam mir schon mit einem großen Strauß Sonnenblumen entgegen. Wir gingen ins Restaurant, setzten uns an einen Tisch. Stira machte mich auf die Bilder an den Wänden aufmerksam. „Die habe ich alle selber gemalt."
Ja, er ist ein ungemein Kreativer. Einer, der bei Gourmets und Kollegen höchste Anerkennung erfährt. „Mimmo", wie ihn seine Freunde und Kollegen nennen, braucht niemandem mehr etwas zu beweisen! Viele schauen zu ihm auf.
Nun war ich vor Kurzem noch mal in diesem schönen Restaurant, diesmal vor dem Mittagsgeschäft. Domenico Stira nahm mich kurz mit in die Küche. „Ich beginne morgens mein Tagewerk immer damit, Teig zu machen. Denn wir machen unser Brot selber", sagte er.
Nachdem er alles vorbereitet hatte, schob der Italiener das Brot in den Ofen. Als junger Mann in Sizilien hat er gerne beim Nachbarn in der Bäckerei geholfen. Bevor wir uns in Ruhe unterhalten konnten, stand noch ein weiterer Arbeitsschritt bevor. „Ich habe mein Himbeersorbet schon fertig, jetzt mache ich noch Vanilleeis für ein Dessert mit Aprikosen. Außerdem mache ich noch Lakritzeis, ich habe Erdbeeren, die mache ich mit Pannacotta, etwas anders als normal, nicht so fest. Diese beiden Desserts gibt es heute Mittag."
Familiäre Atmosphäre
Unter der Woche bei normalem Betrieb sind Domenico Stira und seine Frau Xenia alleine. Er in der Küche, sie im Restaurant. Nur bei vollem Reservierungsbuch oder für Feiern im Haus holen sie sich Verstärkung aus der Familie. Das klappt hervorragend. Die vielen Stammgäste des Hauses lieben diese familiäre Atmosphäre.
Wie kam „Mimmo" nun zu seinem Beruf, und wie war sein Werdegang? Geboren ist er in Palermo, die Familie hatte sieben Kinder. Er war der Jüngste, was ihm die Berechtigung gab, mit Mama in die Küche zu gehen. Dort duftete es immer fantastisch, und der Junge beobachtete genau, was seine Mama da alles am Herd zauberte. Domenico entschied sich, Koch zu werden. „Viele Rezepte, die ich heute noch mache, haben ihren Ursprung in dieser Zeit", sagt er. „Teils sind es auch nur Erinnerungen, auf denen ich aber aufbauen kann."
Sein Weg führte ihn schließlich aus Italien in die Welt. Er arbeitete in unterschiedlichen Hotels, in Paris und auf Korsika, in Jersey in England und schließlich in Berlin, Bad Nauheim, Dresden, Bad Godesberg und Boppard.
1970 ging er dann, nicht als Koch, sondern als Steward, auf den damaligen Nobeldampfer MS Bremen. „Die MS Bremen war das Schiff überhaupt", sagt er. „Ich habe dort Salvador Dalí und Sunny und Cher bedient. 1.000 Gäste und 1.000 Besatzungsmitglieder. Luxus pur."
Zurück in Deutschland landete Domenico Stira in Boppard im Hotel „Klostergut Jakobsberg". Danach machte er sich zum ersten Mal selbstständig in Koblenz. Dort kochte er, was die Deutschen von ihm erwarteten: Pizza und Pasta. Als Einstieg war das ganz gut für ihn, doch mit dieser Küche war er nicht glücklich. Combinazione wollte er beispielsweise nicht machen, das ist für ihn ein Resteessen. Domenico Stira schwebte die große italienische Küche für Feinschmecker vor. So ging er von Koblenz ins Saarland und wurde von Pater Maurus, der früher im Kloster Maria Laach war, für die Gastronomie auf dem Schaumberg in Tholey engagiert. „Wir hatten eine Position auf der Karte, Rumpsteak mit Pommes lyonnaise. Pommes lyonnaise sind Bratkartoffeln, schön geschwenkt. Doch die Leute fragten uns, wo ist der Lyoner?", erinnert sich Domenico Stira an die Zeit in dem Ausflugslokal zurück.
Noch war er nicht angekommen, sein Weg ging weiter nach Lebach. Zuerst in die Fußgängerzone, wo er sein „Ristorante da Mimmo" eröffnete. Dort verfeinerte er seine Karte. „Der Italiener besteht ja nicht nur aus Pizza", lacht er. Ein paar Jahre betrieb er sein Restaurant.
1994 kam dann der Wechsel ins heutige Haus. Domenico Stira richtete es mit Unterstützung einiger Landsleute ein und hat seitdem sein Paradies gefunden. Hier zaubert er nach allen Regeln der kulinarischen Kunst seine große, italienische Küche.
Was ist für ihn gute Küche, will ich wissen. „Nun, es gibt ja immer mehr die Vermischung der Küchen. Deutsche machen heute ein Risotto genauso gut wie Italiener. Eine gute Küche braucht gute Produkte. Das ist das Wichtigste! Und dem Produkt seinen Eigengeschmack lassen. Und auf dem Teller nicht zu viele Spielereien. Natürlich, was passt, muss drauf. Etwa Fenchel oder Artischocke. Das ist eigentlich einfach. Doch viele meinen, sie müssen alles neu erfinden."
Viele edle Tropfen
Seine Soßen bereitet Domenico Stira mit Fonds zu, klar! Und für die Fischgerichte natürlich einen Fumet, meistens aus Steinbutt und Lotte. Das reicht. Oder er macht aus Kalbsknochen eine demi-glace. Daraus zaubert er dann seine himmlischen Soßen. Typisch italienische Soßen macht er, ganz traditionell aus dem Grundprodukt, etwa Tomaten sowie Kräutern und Gewürzen.
Ich setze mich zu Tisch. Die Tür zur Terrasse ist offen, ein laues Lüftchen bei diesen Temperaturen tut gut. Ich nehme mir die Weinkarte vor, die von Domenico Stira und Xenia Frost zusammen erstellt wird. Xenia Frost sucht oft persönlich für die Gäste die richtigen Tröpfchen aus. Sie schauen gar nicht in die Weinkarte und vertrauen der Chefin. Ich entdecke viele interessante Positionen, zum Beispiel Weine von Zenato, Jermann Villanova di Ferra, Prá, Felsina Berandenga oder Antionori. Und noch viel mehr edle Tropfen. Am Wein von Bruno Giacosa bleibe ich hängen. Signora hat das natürlich bemerkt und meint: „Ich mache Ihnen mal einen Arneis 2017 von Bruno Giacosa." Der leider verstorbene Weinmacher hatte keine eigenen Weinberge. Aber ein sicheres Händchen, beste Trauben einzukaufen. Seine Barolos genießen Weltruf, seine anderen Weine sind auch absolut spitze.
Anfang der 90er-Jahre lief eine Serie in der ARD, „Die Weinmacher". Ich sehe immer noch das Bild vor mir, wo Bruno Giacosa mit einem befreundeten Opernsänger unter einem Baum tafelt. Dieser fing vor lauter Glück an zu singen. Herrlich!
Dann geht Mimmo in die Küche und verzaubert uns: mit Vitello Tonnato an Orangensalat, gebratener Entenleber auf Selleriepüree, Steinbutt auf Fenchelgemüse, rosa Doradenfilet auf lauwarmem Pesto-Kartoffelsalat, Kaninchenrücken mit Gnocchi und Parmigianospänen, Kalbsfilet mit Pfifferlingen, karamellisierter Aprikose mit hausgemachtem Vanilleeis und Pannacotta auf Erdbeeren und Lakritzeis.
Es war ein herausragendes Essen. Mit all seiner Erfahrung, seinem großen Talent und seiner sicheren Hand für das Zusammenspiel der wichtigsten Komponenten eines guten Essens hat Domenico Stira gekocht. Gerne wieder.