Seit der Ansiedlung von ZF in Saarbrücken wurde das Saarland in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr zur verlängerten Werkbank der Autozulieferindustrie. Diese bereitet sich nun auf einen tiefgreifenden Wandel vor.
Ob Elon Musk vorher schon mal etwas vom Saarland gehört hat? Sicher jetzt, nachdem die saarländische Landesregierung ihm einen Brief geschrieben hat. Darin heißt es, das Land sei nicht nur schon jetzt Autofertigungs- und -zulieferland, sondern auch führend in Sachen Informatik und Künstlicher Intelligenz. Zwei gewichtige Argumente, die den umtriebigen Unternehmer und Chef des Elektroauto-Pioniers Tesla dazu verleiten sollen, seine geplante „Gigafactory" in dem kleinen Bundesland mitten in Europa zu platzieren – direkt an der Grenze zu Frankreich und den Benelux-Staaten, wie Musk es sich wünscht. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) luden Musk zu einem persönlichen Gespräch ins Saarland ein, damit er sich ein Bild vor Ort machen könne. Mittlerweile halten Tesla und das Saarland über die Standortagentur Kontakt.
Aktuell betreibt Tesla ein europäisches Montagewerk in den Niederlanden. Musk sprach vom möglichen Standort einer neuen „Gigafactory" – einer Riesenfabrik, die in der Zukunft Fahrzeug-Fertigung und Batterieproduktion unter einem Dach zusammenfassen soll. Neben dem bisherigen Hauptwerk im kalifornischen Fremont arbeitet Tesla an einer Gigafactory in Nevada, wo bereits die Batterieproduktion angelaufen ist. Für eine Fabrik in der Südwestregion Deutschlands spräche auch die Nähe zu einem anderen Tesla-Unternehmen: Der US-Autobauer hat in Deutschland bereits einen Standort nördlich des Saarlandes in der Eifel – der Konzern kaufte 2016 den Maschinenbauer Grohmann aus Prüm, um seine Produktionslinien zu automatisieren. Die Wege wären also kurz.
Ob das Auto der Zukunft also künftig aus dem Saarland kommt? Zwar wünscht sich das die Landesregierung, doch nun – kurz vor der Landtagswahl – hat auch das zweite deutsche Autoland, Bayern, den Hut in den Ring geworfen.
Milliarden-Investition in Forschung
Aber schon jetzt werden Teile unserer zukünftigen Mobilität im Saarland gefertigt – die Zulieferindustrie im Saarland ist in Bewegung. Die Frage in diesen Fällen: Wie werden die großen traditionellen Autozulieferer und Arbeitgeber des Landes – Bosch, Eberspächer, Voit oder ZF – die sich verändernden Anforderungen bewältigen. Künftig werden keine komplexen Getriebe mehr gefordert sein, sondern Elektro- und, als Übergang oder Alternative, Hybrid-Technik. ZF investiert nach eigenen Angaben bereits mehr als sechs Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung, das waren immerhin 2,2 Milliarden Euro. Der kürzlich in die Top Ten der weltweit größten Zulieferer aufgestiegene Konzern aus Friedrichshafen bezieht in seine Zukunftsstrategie auch sein Saarbrücker Werk mit ein: Ab 2022 soll hier ein Hybrid-Getriebe vom Band laufen.
Auch Bosch bleibt in Bewegung und richtet seinen Blick in die Zukunft. Nicht nur, dass im vergangenen Herbst in den USA ein Brennstoffzellen-Lkw mit 1.000 PS und 2.700 Newtonmeter Drehmoment vorgestellt wurde, unter dessen Chassis ein Bosch-Antrieb surrt. 7,5 Milliarden Euro (9,6 Prozent des Umsatzes) investierte Bosch in Forschung und Entwicklung im vergangenen Geschäftsjahr. Auch der saarländische Standort bleibt nach Angaben von Bosch „Leitwerk und Kompetenzcenter für Dieseltechnologie, mit einem großen Anteil an Fertigung für den weltweiten Nutzkraftwagen-Markt", so Tim Stegentritt, Sprecher von Bosch. „In diesem Segment sehen wir kurz- bis mittelfristig weitere Wachstumspotenziale, die sich vor allem aus den asiatischen Märkten und dem Off-Highway-Bereich ergeben." Off-Highway, sprich Baufahrzeuge, Land- und andere Arbeitsmaschinen, sind ein Wachstumsmarkt, nicht nur für die Antriebstechnologie, sondern auch für die Vernetzung, in der Bosch ebenfalls umtriebig unterwegs ist. Alleine die digitalisierte und vernetzte Landwirtschaft gilt als Boom-Markt, einer Bosch-Studie zufolge soll der Markt von 3,5 derzeit auf sechs Milliarden bis 2020 wachsen.
Noch belastet der Dieselskandal den Stuttgarter Konzern, Gerichtsverfahren sind noch anhängig, aber man gibt sich zuversichtlich. „Der Rückgang der Neuzulassungen im Diesel-Pkw-Geschäft konnte bisher weitgehend kompensiert werden", so Stegentritt. Der Skandal belastet auch die Dieselsparte von Bosch, wo alleine in den beiden Werken Bamberg und Homburg 13.000 Menschen fast ausschließlich Teile für Verbrennungsmotoren bauen. Wie allen Automobilkonzernen und -zulieferern muss hierzulande das Kunststück gelingen, weiterhin Verbrenner zu bauen, jene Werke aber gleichzeitig auf die Zukunft vorzubereiten. Technologisch wie produktionstechnisch.
Bosch sieht sich bereits auf einem guten Weg. So wurden beispielsweise „Dienstleistungsangebote in den Bereichen Energiemanagement und Industrie 4.0 neu geschaffen", zählt Tim Stegentritt auf, „im Energiemanagement erweitert das Werk in diesem Jahr seine Kompetenz durch den Aufbau einer stationären Brennstoffzelle. Diese soll in einen Wasserstoffkreis eingebunden werden und zur Stromerzeugung aus zuvor aus erneuerbaren Energien gewonnenem Wasserstoff genutzt werden. Darüber hinaus laufen Projekte zur Nutzung des Wasserstoffs für mobile Anwendungen, also E-Fuels." Diese E-Fuels gelten derzeit als die eierlegende Wollmilchsau der Mobilitätsenergie, da sie CO2-neutral sein sollen: E-Fuels binden bei der Herstellung genauso viel Energie, wie sie beim Verbrennen freisetzen. Sie gelten jedoch noch als Stiefkind, nur wenige Autobauer bieten zum Beispiel Wasserstofffahrzeuge an, die Politik setzt dagegen voll auf Elektromobilität.
Insgesamt hat Bosch in den vergangenen Jahren im Saarland knapp 200 Millionen Euro investiert, für 2018 sind 20 Millionen Euro geplant. Die Zukunft des Autobaus funktioniert nicht ohne entsprechende Aus- und Weiterbildung: 2018 soll ein neues Ausbildungsgebäude fertiggestellt werden, Kosten circa zwei Millionen.
Neues Ausbildungszentrum
Andernorts kämpfen saarländische Zulieferer an anderen Fronten. Der Abgasanlagen-Spezialist Eberspächer zum Beispiel mit zu hohen Kosten. Derzeit wird intern konsolidiert, die Kosten sollen runter, deshalb wollte der Konzern FORUM auch derzeit keine Auskunft geben: Pläne für die Zukunft würden gerade intern diskutiert, hieß es. Dabei verfolgt der Konzern augenscheinlich eine zweigleisige Strategie: Einerseits wird gespart, andererseits wird investiert. Für die saarländischen Beschäftigten bedeutet dies nichts Gutes. Das Werk in Neunkirchen schreibt rote Zahlen, 460 Jobs stehen dort auf dem Prüfstand, meldete der Saarländische Rundfunk. Das ist jeder zweite Job in der Produktion am Standort. Und im Eberspächer Catem-Werk Herxheim demonstrierten Mitarbeiter dagegen, dass sie ein Viertel weniger Lohn als ihre tarifvertragsgebundenen Kollegen an anderen Standorten bekommen sollen.
Investiert wird derzeit in andere Standorte und neue Technologien. Im Juli erwarb Eberspächer mit einer Kapitalerhöhung 20 Prozent des Telematik-Start-ups Pace, das sich auf Nachrüsttechnik hin zum „connected car", zum digitalisierten Auto spezialisiert hat. Mit deren Know-how sollen die Eberspächer-Komponenten in einem Fahrzeug künftig miteinander vernetzt werden. Und im thüringischen Hermsdorf schafft der Konzern 150 Arbeitsplätze in einem neuen Werk für seine Heiztechnik-Sparte Catem, das 2019 fertiggestellt werden soll.
Trotzdem wächst Eberspächer: Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um 3,6 Prozent auf etwa 4,5 Milliarden Euro, und dieser Trend soll sich fortsetzen. Helfen soll der Milliardenmarkt China, wo ebenfalls nun vor Ort Eberspächer-Heizungen produziert werden sollen.
Ob sich nun mit Tesla bald ein weiterer Autobauer zur langen Liste der saarländischen Unternehmen gesellt? Die Konkurrenz schläft nicht, Rheinland-Pfalz ist laut dem Mainzer Wirtschaftsministerium ebenfalls stark interessiert. Klar ist, dass der Bau einer Tesla-Fabrik in Deutschland, ja, im Saarland, ein klares Signal für den Standort, für das Land und die Zukunft aussenden würde – und für die Landesregierung der wirtschaftliche Coup des Jahrhunderts.