Tampons sind praktisch – doch in seltenen Fällen können sich darin krankmachende Bakterien vermehren, die gefährliche Giftstoffe absondern. Mögliche Folge: das toxische Schocksyndrom (TSS), eine weitgehend unbekannte, lebensgefährliche Krankheit. Und die Gefahr für Frauen geht nicht nur von Tampons aus.
Hand aufs Herz: Wann, liebe Leserinnen, haben Sie zuletzt den Beipackzettel Ihrer Tamponpackung gelesen? Wenn Sie sich nicht daran erinnern können, geht es Ihnen wie den meisten Frauen. Und wie den meisten Frauen ist Ihnen wahrscheinlich nicht bewusst, dass genau das im schlimmsten Fall tödlich für Sie ausgehen könnte.
2012 sorgte der Fall des britischen Models Lauren Wasser für Schlagzeilen. Sie erlitt das toxische Schocksyndrom (kurz TSS), auch bekannt als „Tamponkrankheit". Knapp dem Tod durch TSS entronnen, musste ihr zunächst ein Bein amputiert werden. Nach dem Eingriff berichtete sie in einem Interview: „Es war die Hölle. Ich habe mich elend gefühlt, hasste jeden, alles und mich selbst. Ich wollte so nicht mehr leben." Im Januar dieses Jahres verlor sie als Spätfolge des TSS ihr zweites Bein. Schuld soll auch in ihrem Fall ein zu lange liegen gebliebener Tampon gewesen sein.
Die Gefahr, die von Tampons ausgehen kann, ist dabei schon seit Jahrzehnten bekannt. „Procter & Gamble" entwickelte Mitte der 70er Jahre einen besonders saugstarken Tampon namens „Rely". Nach der Markteinführung 1980 kauften amerikanische Frauen den neuen Super-Tampon millionenfach. Kurz darauf häuften sich die während einer Monatsblutung ausgelösten Fälle von TSS und wurden eindeutig mit „Rely" in Verbindung gebracht. Den Begriff „Tamponkrankheit" prägte damals übrigens ein Rechtsanwalt, der mit dieser plakativen Bezeichnung möglichst viel Medienaufmerksamkeit erzielen wollte. Mit Erfolg: Es wurde berichtet, diskutiert, geforscht, auf jedem Tampon-Beipackzettel findet sich heute ein Hinweis auf TSS. Was das TSS aber genau ist, wissen nur die wenigsten.
„Es entsteht, wenn sich Bakterien im Körper vermehren, die Gifte – Toxine – absondern. Verantwortlich sind die beiden Keime Staphylokokkus aureus und seltener auch Streptokokkus pyogenes; beide sind eigentlich Alltagskeime mit einem normalerweise eher geringen Gefahrenpotenzial", erklärt Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte.
Auch Menstruationstassen sind betroffen
Tampons, aber auch Menstruationstassen, bieten einen idealen Lebensraum für diese Keime. Erst vor zwei Monaten veröffentlichten französische Forscher in dem Fachmagazin „Applied and Environmental Microbiology" eine Studie, die ein weiteres Indiz liefert, dass die ursprüngliche Bezeichnung „Tamponkrankheit" nur die halbe Wahrheit ist. Sie zeigt, dass die immer beliebter werdenden Menstruationstassen sogar noch gefährlicher sind.
Die Folgen eines TSS können gravierend sein: Gewebeschäden, die zum Absterben von Gliedmaßen führen oder im schlimmsten Fall zu Organ- und Kreislaufversagen und damit zum Tod. 2015 starb ein 13-jähriges Mädchen aus Großbritannien an den Folgen eines TSS. Ihre Mutter ging danach an die Öffentlichkeit, um wieder auf das Thema aufmerksam zu machen. Ein großes Problem ist, dass die anfänglichen Symptome mit einer vergleichsweise harmlosen Grippe verwechselt werden. Kopf- und Gliederschmerzen, Schlappheit, erhöhte Temperatur – eigentlich kein Grund zur Sorge.
Aber nur eigentlich. Handelt es sich nämlich tatsächlich um ein TSS, kann schnelles Handeln über Leben und Tod entscheiden. Prof. Dr. Tobias Schürholz von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sagt ganz deutlich: „Das sollte man nicht so einfach abtun." Er räumt aber auch ein, dass ein Toxisches Schocksyndrom schwierig zu erkennen ist. „Anzeichen sind hohes Fieber, niedriger Blutdruck. Typisch sind auch Hautabschälungen und Hautausschläge. Das sollte einen wirklich aufmerksam werden lassen."
Deshalb sind auch Partner, Familie und Mitbewohner gefragt. Denn meistens verschlimmern sich die Symptome im Verlauf des TSS. Betroffene neigen dazu, ihre Beschwerden im Bett auskurieren zu wollen. Während der Menstruation, wenn das regelmäßige Wechseln der Tampons oder Menstruationstassen unerlässlich ist, fällt das plötzlich immer schwerer. Die Keime vermehren sich und verschlimmern den Zustand der Patientin. Es folgen Verwirrtheit und Ohnmacht. Nicht immer entdecken Helfer die Ursache dafür.
Trotzdem ist das kein Grund, Tampons und Menstruationstassen generell zu verteufeln. Dass es überhaupt bis zu einem TSS kommt, sei ein „sehr seltenes Ereignis", wie es Professor Werner Mendling, ehemaliger Chefarzt in Berlin und Forscher zu gynäkologischen Infektionen, ausdrückt. Um ein TSS zu erleiden, dürfe die Frau bislang keine Antikörper gegen das Toxin haben und müsse dazu individuell empfindlich sein. Obwohl nach Angaben des Bundesverbandes der Frauenärzte (BVF) nur eine von 700.000 Frauen pro Jahr mit der Diagnose Toxisches Schocksyndrom ins Krankenhaus eingeliefert wird, zeigt die Statistik auch, dass vor allem die Altersgruppe von zehn bis 15 Jahren verhältnismäßig oft betroffen ist.
Wird das toxische Schocksyndrom im Krankenhaus rechtzeitig erkannt, kann in den allermeisten Fällen das Schlimmste verhindert werden. Der Kreislauf wird stabilisiert und eine Antibiotika-Therapie hilft den Patientinnen, schnell wieder zu genesen.