Videospiele werden vor allem mit Männern assoziiert, dabei ist in Deutschland inzwischen fast die Hälfte aller Gamer weiblich. Die 34-jährige Anna Mechlinska vom Unternehmen King Digital Entertainment arbeitet als eine der wenigen Frauen in der Branche als Spieleentwicklerin.
Dass sich im Leben von Anna Mechlinska fast alles um Computerspiele dreht, erkennt man schon auf den ersten Blick. Um den Hals trägt die 34-Jährige eine Kette, an der die Taste einer Computertastatur baumelt. Schon als sie noch zur Schule ging, entwarf die Polin, anstatt auf den Unterricht zu achten, lieber ihre eigenen Spiele – damals noch auf Papier. Später absolvierte sie ein Wissenschaftsstudium und lernte dabei alles über 3D-Animation und Programmiersprachen. Parallel brachte sie ihr erstes kleines Spiel heraus: ein Logikspiel, bei dem sie von der Idee über das Design bis hin zur Programmierung alles selbst gemacht hatte. „Theoretisch kann heutzutage jeder ein Computerspiel veröffentlichen", sagt sie. „Der schwierige Teil ist, damit Geld zu verdienen." Diese Sorge hat Anna Mechlinska nicht. Sie arbeitet als Spieleentwicklerin für die deutsche Filiale von King Digital Entertainment am Berliner Gendarmenmarkt. Es handelt sich dabei um einen der größten Anbieter auf dem Markt der Casual Games. Nutzer können sich auf ihrem Smartphone oder Tablet-Gerät mit ihrem Facebook-Konto verbinden. Der Fortschritt des Benutzers wird auf allen Plattformen so aktualisiert, dass der Spieler von einem Ausgabegerät zum anderen wechseln kann, ohne seinen Fortschritt im Spiel zu verlieren. Für King hat Mechlinska an der Entwicklung und Weiterentwicklung des bekannten Spiels „Candy Crush Jelly" mitgewirkt, bei dem die Spieler ihr Kombinationsgeschick beweisen und leckere Bonbons so übers Spielfeld schieben müssen, dass sich möglichst lange Formationen ergeben. Auf diese Weise lösen sich die Süßigkeiten auf und schaffen Platz für neue Bonbons, die von oben nachrutschen.
Ihre Kollegen sind größtenteils Männer. Anna Mechlinska ist eine der wenigen Frauen in der Computerspielbranche, die nicht nur im Marketing oder in anderen Verwaltungspositionen tätig sind, sondern Spiele auch wirklich selbst entwickeln. Videospiele werden vor allem mit Männern assoziiert. Dabei sind nach Angaben des Branchenverbands inzwischen 47 Prozent aller Gamer in Deutschland weiblich. Bei den Beschäftigten ist das Geschlechtergefälle allerdings immer noch groß. Laut Verband sind darunter lediglich 27 Prozent Frauen, wobei der Anteil in der Entwicklung noch deutlich niedriger ausfallen dürfte. „Das ist kein spezielles Merkmal der Spielebranche", sagt Anna Mechlinska. Vielmehr würden einfach weniger Frauen die sogenannten Mint-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik studieren – in Deutschland sogar noch weniger als in ihrer Heimat Polen. Mit Blick auf die Computerbranche sagte sie im April gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel": „Viele Frauen haben ganz viel Potenzial, aber sind sich nicht sicher, ob sie wirklich in diese Branche passen."
Spielfeld mit Bonbons
Vielleicht liegt es daran, dass King einst in Schweden gegründet wurde, dass man sich dort ganz besonders um Frauen bemüht. Das skandinavische Land gilt schließlich schon seit Jahrzehnten als Musterland der Geschlechtergleichheit. King ist nach eigenen Angaben eines der führenden Unternehmen in der Branche, was die Beschäftigung von Frauen angeht – der Anteil liegt bei rund 30 Prozent. Philipp Lanik, der Chef der Berliner Filiale, sagt: „Wir glauben, dass Vielfalt der Schlüssel ist, um Spiele zu entwerfen, welche die breite Masse ansprechen und welche unser Publikum von derzeit monatlich 285 Millionen Spielern am besten unterhalten." Das Unternehmen betreibt ein internes Netzwerk, „Women@King", für Frauen und beteiligt sich außerdem am Netzwerk „Unicorns in Tech", das LGBT und heterosexuelle Unterstützer in der Technologiebranche weltweit vernetzen will. Die Abkürzung LGBT steht dabei für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender, also Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender. Anna Mechlinska selbst sprach im Frühjahr auf der Games Week in Berlin darüber, wie man mehr Frauen in die Branche bekommen kann. „Es ist immer gut, mehr Diversität und damit unterschiedliche Perspektiven zu haben, damit am Ende ein richtig gutes Produkt dabei herauskommt", sagt sie.
Mittlerweile gibt es kaum noch Spiele ohne weibliche Charaktere. Selbst bei der Fußball-Simulation Fifa kann man seit einigen Jahren mit einem Frauenteam antreten. Es seien allerdings nicht nur Frauen, die diese Charaktere verwenden, sagt Mechlinska: „Auch Männer spielen gern damit, ebenso wie Frauen mit männlichen Charakteren spielen." Sie glaubt deshalb auch nicht, dass es das typische Computerspiel für Frauen gibt: „Es kommt letztlich doch immer auf die Geschmäcker an", meint sie.
Eines haben aber alle Spiele gemeinsam: Bis sie im Handel erhältlich sind oder im Internet beziehungsweise im App-Store heruntergeladen werden können, vergeht oft eine ganze Weile. Zwar gibt es auch Spiele, die innerhalb von nur zwei Monaten fertiggestellt werden, doch oft dauert es trotz eines großen Entwicklerteams mehrere Jahre. „Am Anfang steht immer die passende Idee", sagt Anna Mechlinska. Ist man sich erst einmal im Klaren darüber, was eigentlich die Spielidee sein soll, muss man sich entscheiden: Wer ist die Zielgruppe? Und über welche Kanäle soll das Spiel später verbreitet werden? Ausschließlich über das Smartphone oder zusätzlich auch über einen Webbrowser? „Daraus ergeben sich dann unterschiedliche Werkzeuge, mit denen man hantiert", erklärt Mechlinska und meint damit vor allem die verschiedenen Programmiersprachen. Als nächstes wird ein erster Prototyp des neuen Computerspiels entworfen. „In dieser Phase hilft es nicht, immer neue Ideen zu entwickeln, weil man ansonsten Gefahr läuft, dass man sich verzettelt. Stattdessen sollte man lieber erst einmal eine erste Version fertigstellen und diese dann später noch ergänzen", sagt Anna Mechlinska. Das heißt: Sofern das Spiel den Testpersonen gefällt – andernfalls wird das Projekt nicht weiterverfolgt. „Es gibt viele Ideen, aber nicht alle können umgesetzt werden und finden das Interesse des Publikums", sagt die Polin. Sind die Testpersonen allerdings begeistert, wird das Spiel weiter optimiert, ehe es dann irgendwann veröffentlicht wird.
„Nicht nur Künstler sein"
„Kreativität ist schon wichtig, wenn man Spieleentwickler werden möchte", sagt die Spieleentwicklerin. Doch genauso wichtig sei es, eine gewisse Hartnäckigkeit mitzubringen, wenn es einmal nicht gleich so klappt wie erhofft. „Man darf nicht nur ein Künstler sein", sagt Mechlinska. „Es ist oft auch ein technischer, manchmal fast schon wissenschaftlicher Job. Auch diese Dinge muss man beherrschen." Vielleicht kann sie ein Vorbild sein, dass bald noch mehr Frauen diese Herausforderung annehmen. Es könnte der Computerspielbranche zu einem weiteren Schub verhelfen.