Nach ständigen Kämpfen um Kürzungen richtet sich der Blick der Uni-Leitung nach vorn. Christian Wagner, Vizepräsident für Planung und Strategie, über Exzellenz, Investitionen und die Bedeutung der Uni für die Zukunft des Landes.
Herr Wagner, als Professor für Experimentalphysik versuchen Sie herauszufinden, wie in dynamischen Systemen Strukturen entstehen. Inwieweit ist das hilfreich für die Aufgabe als Vizepräsident für Planung und Strategie der Universität des Saarlandes?
Indirekt vielleicht. Ich glaube, Physiker haben schon gelernt, sich mit komplexen Systemen auseinanderzusetzen und dort auch Ordnung und Struktur zu suchen und zu finden. Was die berufliche Ausbildung ausmacht, geht es in der Tat darum, komplexe Systeme analytisch zu bearbeiten und auf wenige Parameter zu reduzieren. Das hilft auch bei der Arbeit als Vizepräsident.
Wenn man das „komplexe System" an der Universität auf „wenige Parameter reduzieren" möchte: Was sind die wesentlichen Kernpunkte?
Die große Herausforderung, vor der wir stehen, ist, die Universität nach Zeiten des harten Sparens wieder nach vorne zu entwickeln. Dafür haben wir konkrete Pläne, die unter anderem vorsehen, hier ein zweites Exzellenzstandbein im Bereich der biomedizinischen und pharmazeutischen Forschung aufzubauen. Dafür haben wir mit dem Land Absprachen getroffen und werden auch finanzielle Unterstützung bekommen. Eine weitere Herausforderung ist, unser Lehrangebot qualitativ weiterzuentwickeln und die Studierendenzahl zu halten. Die dritte große Herausforderung ist die Problematik im Baubereich. Das ist nach wie vor für uns im wahrsten Sinn des Wortes die größte Baustelle.
Der Ministerpräsident hat auch in seiner Eigenschaft als Wissenschaftsminister den Bereich „NanoBioMed" hervorgehoben. Wird das also neben Informatik/IT das zweite große Zukunftsfeld?
Genau. Zunächst einmal hoffen wir jetzt im September auf einen positiven Bescheid der DFG (Anm. d. Red.: Deutsche Forschungsgemeinschaft) für den Informatik-Exzellenzbereich. Da sind wir sehr optimistisch, müssen aber auf das Votum warten. Natürlich ist es so, dass wir die Universität in ihrer ganzen Breite entwickeln wollen. Wir haben fünf starke Fakultäten, und alle Bereiche sollen entwickelt werden. Aber man muss sich auch fokussieren. Und da ist der Bereich Biomed-Pharma der Bereich, der zur Exzellenz ausgebaut werden kann. Es gibt dort erhebliche Vorarbeiten, wir haben in Forschungsbereichen große Verbundprojekte gefördert, und wir haben außeruniversitäre Institute. Diese sind sehr wichtig bei solchen Vorhaben, wie etwa dem Helmholtz-Institut für pharmazeutische Forschung. In diesem Umfeld denken wir, dass wir die größten Chancen haben.
In der öffentlichen Wahrnehmung steht die IT/CISPA-Entwicklung im Mittelpunkt. Warum ist dieser zweite Bereich bislang etwas stiefmütterlich wahrgenommen worden?
Das mag vielleicht in der breiten öffentlichen Wahrnehmung zutreffen. Und das mag vielleicht auch an der Größenordnung der Finanzvolumen, die im IT-Bereich investiert wurden, liegen. Wir haben die Max-Planck-Institute, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und jetzt den großen Wurf mit dem Helmholtz-Zentrum. Da sind natürlich Größenordnungen investiert worden, die die anderen Bereiche bei Weitem noch nicht vorweisen können. Was aber nicht heißt, dass in den anderen Bereichen nicht vergleichbare wissenschaftliche Exzellenz zu finden ist. Was die Rankings etwa bei Drittmittel-Einwerbung oder Forschungsintensität betrifft, braucht sich die Universität des Saarlandes im Vergleich zu ähnlichen Hochschulstandorten nicht zu verstecken, im Gegenteil.
Was ist das Geheimnis?
Ich glaube, das Geheimnis liegt in der guten Zusammenarbeit, sowohl interdisziplinär als auch mit den An-Instituten. Hier in Saarbrücken ist ja alles dicht beieinander. Aber auch Homburg und Saarbrücken leben enge Zusammenarbeit, beispielsweise zwischen Medizinern und theoretischen Physikern, wie man sie andernorts kaum findet.
Die Landesregierung hat für die Zukunft wieder mehr Geld für die Hochschulen zugesagt. Wie viel Spielraum gibt das?
Das bedeutet zunächst, dass die Phase des zusätzlichen Sparens zu Ende ist und sich die Bereiche weiterentwickeln können, wobei man bei der Vergabe der Mittel Schwerpunkte bilden muss. Da ist ein weiteres großes Thema die „Europäische Universität". Der französische Präsident Macron hat durch seine berühmte Rede an der Sorbonne-Universität europaweit die Debatte angestoßen, europäische Universitäten zu gründen. Auch wenn noch nicht eindeutig klar ist, was der eine oder andere darunter versteht, setzt man in der Politik doch große Hoffnungen darauf, angesichts antieuropäischer Tendenzen, die man beobachten kann, die Universitäten wieder als europäischen Motor zu sehen. Wir denken, dass die Universität des Saarlandes dafür exzellent aufgestellt ist. Wir sind ja schon seit der Gründung eine Europa-Universität und haben schon seit Jahren das Projekt Universität der Großregion. Das Label „Europäische Universität" ist mit Sicherheit die große Perspektive unter anderem für die Philosophische Fakultät, aber auch andere Fakultäten und Bereiche sind schon gut aufgestellt.
Mit der bisherigen grenzüberschreitenden Erfahrung kennt man aber auch die Hemmnisse. Was sind die größten Hürden?
Ich bin ja in diesem Bereich selbst sehr aktiv, habe einen gemeinsamen Studiengang mit Luxemburg und Nancy, den ich betreue, habe eine Gastprofessur in Luxemburg, kann das also aus nächster Nähe sehen. Es gibt Dinge, die noch nicht möglich sind, wie etwa gemeinsame Berufungen oder gemeinsame Forschungsprojekte grenzüberschreitend abzuwickeln, also mit gemeinsamen Finanzströmen. Es gibt noch viel zu entwickeln, gerade auf der politisch-administrativen Ebene.
Noch einmal zu den Finanzen. Rund 18 Millionen mehr hat die Landesregierung in Aussicht gestellt. Wie weit kann man sich damit strecken?
Grundsätzlich muss man sagen, dass schon vorher der Wissenschaftsrat der Universität des Saarlandes bescheinigt hat, dass sie unterfinanziert ist, wie eigentlich alle Universitäten. Wenn man das mit den Zuwächsen der Bundesinstitute in den letzten zehn Jahren vergleicht, ist die Situation an den Universitäten grundsätzlich eine angespannte. Allerdings sind wir jetzt in einer Phase, wo wir keinen Rückbau betreiben müssen, sondern – innerhalb einer angespannten finanziellen Situation – eine vorsichtige positive Entwicklung nehmen können.
Die bauliche Situation haben Sie selbst als „größte Baustelle" bezeichnet. Wie ist da der aktuelle Stand der Dinge?
Wir sind dabei, mit dem Land einen Hochschul-Standortentwicklungsplan zu entwerfen. Das bedeutet, dass wir darüber in sehr strukturierter Weise in die Projekte einsteigen können, die abzuarbeiten sind. Gleichzeitig ist gerade in der Umsetzung, dass die Universität künftig selbst als Bauherr auftreten kann. (Anm. d. Red.: bislang ist das Land Bauherr). Davon erhoffen wir uns natürlich eine Beschleunigung. Wenn wir in zehn Jahren keine „roten" und „gelben" Gebäude (Anm. d. Red.: Gebäude, die von der Schließung bedroht sind) mehr auf dem Campus haben wollen, müssen wir an Geschwindigkeit zulegen. Grundsätzlich bleibt es dabei, dass der Sanierungsstau enorm ist. Die Schätzung von 400 Millionen Euro ist so schlecht nicht.
Es wird ja seit Längerem über ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes diskutiert. Wie könnte das aussehen?
Ich bin definitiv der Meinung, dass der Bund sich stärker einbringen müsste. Da gibt es verschiedene Konzepte, aus meiner Sicht wäre die einfachste Möglichkeit, im Baubereich stärker mit einzusteigen. Das Problem ist, dass der Bund, wenn er Geld gibt, stärker in einem Kompetenzbereich der Länder, der Bildung, mitreden will.
Und Sie befürchten, dass die Länder sich da nicht reinreden lassen wollen?
Ja.
Im Zuge der Spardebatten ist auch die Rolle der Hochschule als Standortfaktor diskutiert worden. Ist das inzwischen stärker im Bewusstsein?
Es ist nach wie vor so, dass vielen Menschen gar nicht bewusst ist, was diese Universität dem Land bringt. Das ist sicher auch einer noch nicht so ausgefeilten Marketingstrategie von uns geschuldet, nach dem Motto: Tue Gutes und rede drüber. Für mich ist einer der wichtigsten Punkte, dass durch die Universität junge Menschen ins Land geholt oder auch hier gehalten werden. Das ist neben allen anderen Dingen wie etwa Unternehmensgründungen einer der wichtigsten Faktoren schlechthin.