Im orientalischen Kulturkreis gehört es sich, dass das Mahl geteilt wird. Aber ob kleine oder große Karawane, Mini-Gruppe oder Großfamilie – die kulinarische Reise durch den Orient ist mit einem einzigen Besuch im „Cana" definitiv nicht beendet.
Auf ein Stückchen Kunafa mit Käse setzt sich der Chef persönlich noch zu uns. „Ich esse das selbst gern", sagt Mohanad Zureiki, Inhaber des Restaurants „Cana". Die arabische Süßigkeit aus Teigfäden und weißem Käse kommt gerade frisch aus dem Ofen. Energisch und vorsichtig zugleich schneidet er die flache Torte aus Engelshaar. Denn wo in der Hülle Knack und Knusprigkeit gefragt sind, soll die Füllung aus Mozzarella und salzigem, leicht gewässerten Weißkäse nicht auseinandergerissen, sondern vorsichtig geteilt werden. „Der Käse muss Fäden ziehen und die Kunafa warm gegessen werden", erklärt Zureiki das Handling der orientalischen Tarte, die durch die Mischung der beiden Käsesorten süß, aber nicht übersüß und einen Hauch salzig im Hintergrund schmeckt. Gut, dass wir schon einen ganzen Abend mit kleinen und großen Köstlichkeiten der arabischen Küche auf der Terrasse an der Fischerinsel hinter uns haben. So geraten wir nicht in Gefahr, mehr als ein Stück zu verzehren. Die mit Pistazienkrümeln hübsch akzentuierte Kunafa vereint nämlich so einige verführerische Wohlfühl-Geschmacks- und Textur-Komponenten in sich: Knusprigkeit im Kontrast zur Cremigkeit, Wärme und Süße. Das ist Kinderglück für Erwachsene pur.
Mohanad Zureiki hätte an diesem späten Abend selbst noch mehr als genug in seinem Restaurant zu tun, fliegt er doch am nächsten Tag erst einmal in die Heimat nach Cana. „Das mit der Hochzeit, bei der Wasser in Wein verwandelt wurde", erklärt er uns. Dort holt er sich neue Anregungen für seine Küche. Und er bringt viele Gewürze mit, die er sich übers Jahr sonst schicken lässt. So etwa eine spezielle Mischung aus zehn Gewürzen mit unter anderem Cumin, Anis und Zimt – mit all jenen „warmen" Aromen, die hierzulande gemeinhin mit arabischem Geschmack verbunden werden. In seinem Heimatort lernte der 36-Jährige einst von seiner Großmutter, wie man für viele Leute Festessen zubereitet. „Meine Oma hat für Hochzeiten gekocht", sagt er. „Ich habe ihr geholfen und so dieselbe Arbeit gemacht."
Dass er genau diese Arbeit bis heute mag, zeigt sich in seiner Entscheidung, das Maschinenbau-Studium aufzugeben, dessenthalben er ursprünglich nach Berlin gekommen war. „Meine Eltern sagen immer noch, dass ich das beenden soll."
Empfänge für bis zu 500 Personen
Wir finden: Das erfolgreiche Führen eines Restaurants mit 50 Plätzen in den vergangenen sechs und eines florierenden Catering-Unternehmens in den letzten acht Jahren sollte auch ohne Diplom-Ingenieurabschluss die anspruchsvollsten Eltern überzeugen. Insbesondere, wenn es so gut schmeckt und so schön angerichtet ist wie im „Cana". Davon durfte ich mich vor dem Besuch im Restaurant bereits bei einem Buffet überzeugen, das eine Freundin zu einem Geburtstagsfest geordert hatte. Mit arabischen Mazza aus kleinen Häppchen, Salaten und Cremes deckte die Tafel nämlich gleich auch die Ansprüche der besonders kritischen jugendlichen Gäste ab – viele ernähren sich vegetarisch oder gar vegan.
Diese Anforderungen abzudecken, ist für die „Cana"-Crew kein Problem. Zwischen Petersiliensalat, Hummus, Olivensalat mit Mandeln, Falafel oder Auberginen mit Sesamsauce – um nur einige zu nennen – ist die Auswahl aus den 15 vegetarischen sowie zehn veganen Speisen wahrlich vielfältig. Eine weitere Gäste-Gruppe in Berlin weiß das Angebot des „Cana" ebenfalls zu schätzen: Arabische Botschaften und Privatkunden. „Ich wollte etwas Besseres machen als üblich", sagt Zureiki. „Es sollte halal sein und für offizielle Anlässe geeignet." Das funktioniert: Das „Cana"-Catering beliefert regelmäßig Empfänge mit bis zu 500 Personen.
Die Liebe zum Kochen für viele Menschen, wie einst bei der Oma, war Auslöser für die Gründung des Caterings. Es wird in einer großen Produktionsküche in der „Werkstatt der Kulturen" in Neukölln hergestellt. Das Lokal kam erst vor zwei Jahren dazu. „Die Gäste haben gefragt, warum es kein Restaurant gibt." Als sich die Möglichkeit ergab, die Räume im Erdgeschoss des Hotels „Großer Kurfürst" an der Neuen Roßstraße, an der Brücke zur Fischerinsel, zu übernehmen, griff Zureiki zu. In der Nähe vom U-Bahnhof Märkisches Museum, direkt am Museumshafen und einigen Hotels gelegen, ist stets genügend Umtrieb, um das Restaurant einfach beim Vorbeigehen zu entdecken. Familie Zureiki lebt außerdem quasi gleich nebenan, sodass auch Ehefrau Asia, die sich im „Cana" um Management und Marketing kümmert, und die Kinder rasch vorbeikommen können. „Ich bin immer da, bin in der Küche oder am Telefon", sagt Mohanad Zureiki. In der arabischen Community möchte man gern direkt mit dem Chef sprechen.
„Karawane der Köstlichkeiten"
Wir lassen den Spreekanal unterhalb der Terrasse vor sich hin plätschern und widmen uns der großen Vorspeisen-Auswahl, die wir am Abend ebenfalls mehrfach an die Nachbartische schweben sehen. Wir beißen den halbmondartig geformten, mit Lamm und Pinienkernen oder mit Käse und Thymian gefüllten Teigtäschchen die hübsch gekordelt geformten Ränder ab. Erfreuen uns an der Würzigkeit des Innenlebens im Zusammenspiel mit der Mürbheit des Teiges. Falafel, ein Tabouleh-Salat aus Petersilie mit Minze, Tomaten, Lauchzwiebeln und Weizengrieß sowie „Kubbeh", Bulgur-Fleischbällchen mit Lammhack und Pinienkernen, kommen uns vor wie gute alte Bekannte. Doch die Kleinigkeiten sind von besonderer Güte mit sorgfältig verarbeiteten Zutaten, gern mit einem Extra-Twist verfeinert. Mini-Merguez aus Rinderhackfleisch werden mit arabischen Gewürzen mariniert, bevor sie gebraten serviert auf den Tisch kommen: La belle France trifft auf Morgenland.
Das Schöne an der „Karawane der Köstlichkeiten", wie die Mazza-Auswahl auf der Karte bezeichnet wird: Sie animiert zum spielerischen Essen. Wir stippen die goldbraun frittierten Halloumi-Sticks mal in Rucola-Joghurt mit Granatapfelkernen, mal in eine Tomaten-Zwiebel-Creme. Oder in die „autoritäre Paste", wie der Fotograf den Mix aus scharfer Paprikacreme mit Tomaten und Schwarzkümmel nennt. Macht die „Karawane" mit sechs Schüsselchen und Tellern bei einer Person halt, ist sie für 12,90 Euro zu haben. Alle Mazza können aber auch einzeln für 4,90 bis 7,90 Euro geordert werden – je mehr Menschen es sich gemeinsam schmecken lassen, desto länger wird die Karawane. Attraktiv ist auch der Sonntagsbrunch. Zwischen 10 und 15 Uhr gibt’s für 13,90 Euro pro Nase ein vielfältiges Angebot an Mazza, Fingerfood, warmen Gerichten und Desserts – der ganze Orient findet sich auf einem Buffet ein.
Gerade die ästhetische Präsentation der einzelnen Mazza war Mohanad Zureiki ein besonderes Anliegen: „Es ist nicht fein, wenn man die Vorspeisen auf einem Teller serviert. Das machen wir anders." Ich nehme mir besonders gern noch ein, zwei, drei weitere Bissen von der „Panzanella auf Arabisch", wie der italienische Feinschmecker-Fotograf anmerkt. Der Brotsalat heißt in diesem Fall „Fatoush" und ist aus frittiertem Brot mit Gurke, Tomate, Petersilie und Granatapfelkernen zubereitet und mit Granatapfel-Sirup im Dressing akzentuiert. Schön, dass an vielen Stellen Granatapfelkerne mitspielen dürfen – die eher frische Süße der maiskorngroßen Kerne gibt vielen Speisen eine knackig-fruchtige Note. Wir sind auch bei den Getränken erfrischend würzig bis fruchtig unterwegs: hausgemachte Minze-Zitronen-, Orange-Ingwer- und Erdbeer-Limonade finden gut gekühlt den Weg in die Gläser und Anklang bei uns.
Teuerstes Gericht unter 17 Euro
Es gibt noch so viel zu probieren! Insbesondere das „Mansaf Kharouf", ein typisch palästinensisches Gericht. Da wir nur zu dritt unterwegs sind, wird der sorgfältig aufgehäufelte und mit Lammfilet-Scheiben umhüllte Hügel aus Reis mit Nüssen nicht auf einer großfamilientauglichen Platte, sondern in der kleingruppengeeigneten Version auf einem Teller serviert. Wie es sich im orientalischen Kulturkreis gehört, wird das Mahl geteilt. Jeder bedient sich und badet sein Fleisch und seinen Reis ordentlich in der cremigen Joghurt-Minz-Sauce. Vegetarier bleiben bei diesem Gericht klar außen vor. Sie können sich wiederum an der milden, mit Gemüse, Pinienkernen, Halloumi-Käse und Basmatireis gefüllten Aubergine gütlich tun. Das Lamm ist mit 16,90 Euro das teuerste Hauptgericht auf der Karte; bei der vegetarisch gefüllten Aubergine ist man schon mit 11,90 Euro dabei. Ob kleine oder große Karawane, Mini-Gruppe oder Großfamilie – eines steht fest: Die kulinarische Reise durch den Orient ist mit einem einzigen Besuch im „Cana" definitiv nicht beendet.