Kryptowährungen sind das Geld der Zukunft, sagen die einen. Die dahinterliegende Technologie, die Blockchain, ist revolutionär, sagen die anderen. Klar ist eines: Digitale Währungen sind riskant und umstritten. Doch das Blockchain-System könnte die Wirtschaft grundlegend umkrempeln.
Die einen – oftmals Banken – warnen und raten ab, die anderen – eine technikbegeisterte Avantgarde – schwören darauf und prophezeien das Ende des herrschenden Finanzsystems. Kryptowährungen sind jedoch für viele Verbraucher noch immer ein Rätsel, wie ihr „Erfinder": angeblich ein Japaner, aber sicher ist man sich nicht, sein Name war ein Pseudonym. Mittlerweile gibt es über 800 verschiedene Kryptowährungen, von denen der Bitcoin die erste und bekannteste ist. Nach einer Studie der Universität Cambridge sollen weltweit mittlerweile bis zu 5,8 Millionen Menschen Digitalwährungen wie Bitcoin, Ethereum, Ripple, Litecoin und Co. für digitale Geschäfte und Transaktionen nutzen.
Aber sind dies Währungen mit Zukunft? Experten sind gespalten. Volkswirtschaftler Peter Bofinger beispielsweise ist skeptisch, sein Kollege Hans-Werner Sinn, Ex-Chef des Münchner Ifo-Instituts, hält die virtuellen Währungen gar für das Äquivalent eines Kettenbriefs. Klar ist, nach herkömmlichen Maßstäben lassen sich virtuelle Währungen nicht bemessen. Sie funktionieren nur auf Computerebene. Rund um die Uhr laufende Hochleistungsgrafikkarten in einem Computer lösen komplexe kryptografische Rechenaufgaben, um in zirka zwei bis drei Wochen einen Bitcoin entstehen zu lassen. Durch diesen Prozess, dem „schürfen" oder „minen", werden gleichzeitig andere Transaktionen, die mit Bitcoins getätigt wurden, geprüft und bestätigt. Der „Wert" eines Bitcoins bemisst sich in seiner Seltenheit, denn die Zahl der Bitcoins ist begrenzt durch die Schwierigkeit der Rechenaufgaben: Werden die Rechner besser, steigt potenziell die Gesamtzahl der Bitcoins.
Dollar oder Euro dagegen fußen auf der Wirtschaftskraft eines Landes. Ist das Land wirtschaftlich stark, ist es auch die Währung. Virtuelle Währungen setzen völlig andere Maßstäbe an. Die idealistische Vorstellung ist, dass Bitcoin und Co. den Kapitalmarkt demokratisieren, indem die Banken umgangen werden. Durch die hochgradigen Verschlüsselungsalgorithmen soll das Kryptowährungssystem zudem sicher sein: Je mehr Teilnehmer es gibt, desto mehr verteilte Datensätze, desto schwieriger ist es, einzelne Datensätze zu ändern. Dabei ist die Idee der verschlüsselten Digitalcoins durchaus einleuchtend: Eine Währung, die keinen äußeren Gegenwert wie Gold oder die wirtschaftliche Stabilität eines Landes besitzt, muss alleine auf Vertrauen basieren. Gewährleisten soll dieses einerseits das Verschlüsseln, zum anderen völlige Transparenz der dahinterliegenden Technologie, der Blockchain (siehe Infografik „Wie eine Blockchain funktioniert", unten). Diese ist im Grunde ein von allen Beteiligten genutztes Kontobuch, das allen offensteht, aber von keinem – oder von allen, je nach Perspektive – kontrolliert wird.
Banken sind sich uneins
Während Kryptowährungen noch immer mit Anerkennung und der Frage nach ihrem wirtschaftlichem Nutzen kämpfen, könnte jene Blockchain durchaus eine Revolution in der Wirtschaft auslösen. Das dezentral verteilte und komplex verschlüsselte Buchhaltungssystem könnte, so die Enthusiasten, beispielsweise Banken überflüssig machen. Deren Dienstleistung wie Kontoführung würden nicht mehr benötigt. Ja, jegliche Art von geschäftlicher Transaktion oder Vertrag könnte festgehalten, von Blockchain-Rechnern verifiziert werden und damit gültig sein. Weil virtuelles Geld ohne eine Bank einfach übers Internet verschickt werden kann, wägen die Finanzinstitute derweil ab, wie sie mit der digitalen Währung und der Blockchain umgehen. Mittlerweile hat das Bankensystem beides adaptiert und die Kryptowährungen selbst zum Spekulationsobjekt gemacht. Die einen bauen eigene Handelsplätze für Kryptowährungen im Internet auf, die anderen warnen vor einer neuen Finanzblase. Übrigens nicht zu Unrecht: Immer wieder ist beispielsweise der Bitcoin, der wie viele Kryptowährungen an Börsen gehandelt wird, in den vergangenen Monaten massiv abgestürzt: von 20.000 Euro pro Bitcoin auf etwas mehr als 6.000 derzeit. Wäre dies mit dem Euro passiert, würde Panik herrschen – anders in der Krypto-Szene, da beweist man starke Nerven. Oder vertraut der Währung wie Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel, der von Kryptowährungen als dem neuen „Online-Äquivalent zu Gold" spricht, während Hedgefonds-Veteranen wie George Soros vor dem Anlegen in virtuelle Währungen warnen. Investorenlegende Warren Buffett bezeichnete Bitcoins unlängst als „Rattengift". Kryptowährungen seien „unproduktives" Vermögen, das keine Werte schaffe und „Scharlatane" anziehe, so Buffett.
Und nicht nur Scharlatane. Kryptowährungs-Transaktionen sind kaum von Behörden zurückverfolgbar. Umgetauscht in normale Währungen wie den Euro ergeben sich paradiesische Gelegenheiten für Geldwäscher, Fälscher, Identitätshändler, Drogenhändler, ja sogar Auftragsmörder: Schon vor fünf Jahren berichtete das „Forbes-Magazin" über „Assassination market", eine Plattform im Darknet, auf der man per Bitcoins auf den Todestag bekannter Persönlichkeiten wetten konnte. Derjenige, der mitwettet und die Persönlichkeit am vorausgesagten Datum mit den höchsten Dotierungen ermordet, hätte also die 100-Prozent-Chance auf den Hauptgewinn. Diese und andere haarsträubende Ideen verschaffen den Kryptowährungen einen höchst zweifelhaften Ruf. Derweil arbeiten Start-ups und Großunternehmen weltweit daran, die Blockchain von Kryptowährungen auch auf andere Geschäfte zu übertragen. Sie könnte damit die eigentliche Revolution sein, die ein gewisser Satoshi Nakamoto 2008 losgetreten hat.