Kryptowährungen und Blockchain-Technologie könnten die Währungen der Zukunft sein. Aber stimmt das, oder ist dies nur eine mediale Übertreibung? Eine Forschungsgruppe hat das Phänomen untersucht.
Die Welt der Kryptowährungen (Initial Coin Offering, ICO) ist eine virtuelle, unregulierte und grenzüberschreitende. Demgegenüber steht eine reale Welt mit 194 Staaten und ihren dazugehörigen Wirtschaftsräumen. Hier gelten jeweils eigene Gesetze, Regeln und Normen. Das Problem ist: Diese beiden Welten sind heute noch nicht miteinander kompatibel. Für Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stellt dieses Phänomen eine der Herausforderungen der Zukunft dar. Denn die Entwicklungen und Folgewirkungen dieser virtuellen Neuerungen bringen enorme Veränderungen mit sich. Vor diesem Hintergrund sollten wir genau beobachten, welche Trends sich in der digitalen Welt abzeichnen. Darüber hinaus sollten Lösungswege gefunden werden, wie die Vorteile der neuen Technologie die bestehenden Finanzsysteme bereichern können.
Bitcoin, der bekannteste Vertreter unter den Kryptowährungen, hat vor allem aufgrund des immensen Kursanstieges und den nachfolgenden starken Kursschwankungen große Aufmerksamkeit in den Medien erregt. Aufsichtsbehörden und Notenbanken befürchteten in dem Segment eine Blasenbildung, die hohe Verluste für Anleger zur Folge hätte. Dies würde die Marktstabilität gefährden. Aktuell werden Kryptowährungen von den Aufsichtsbehörden als digitale Recheneinheiten angesehen. Insofern sind sie kein gesetzliches Zahlungsmittel und damit weder Währungen noch Devisen. Ergo: Sie zählen nicht zum elektronischen Geld im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes.
Im Zeitraum von Oktober 2017 bis Februar 2018 untersuchten wir an der Frankfurt University of Applied Science das Thema ICO im Rahmen einer Projektgruppe. Zentrale Fragestellungen zu ICOs waren dabei die rechtliche Einordnung, die Funktionsweise, der Markt sowie die dahinterliegende Blockchain-Technologie. Handel und Börsen von Kryptowährungen wurden analysiert und Aspekte einer Blasenbildung bei Bitcoin untersucht.
Eines direkt vorweg: Dass Kryptowährungen bestehende Währungen ablösen könnten, halten wir für nicht realistisch. Gründe dafür liegen nicht zuletzt in der komplizierten technischen Aufbewahrung der sogenannten Wallets, der digitalen Geldbörsen, als Aufbewahrungsort. Doch es sprechen weitere Gründe gegen eine Ablösung von Währungen durch die digitalen Coins: die heute noch aufwendigen und teuren Transaktionen, der fehlende intrinsische (innere) Wert, hohe Deflation, das noch fehlende Vertrauen in der Bevölkerung und der Behörden und die damit verbundene geringe Akzeptanz als Zahlungsmittel und insbesondere der fehlende Rechtsrahmen.
Bitcoin statt Euro ist unrealistisch
Die Blasenbildung beim Bitcoin wurde ebenfalls untersucht. Die Gefahren ansteckender Effekte auf die Realwirtschaft und den Finanzsektor sind jedoch gering. Die Adresskonzentration, die Marktkapitalisierung und der derivative Anteil des Bitcoins wurden in der Studie analysiert. Die Adressen, die 95 Prozent der Bitcoins im Bestand haben, sind zu 2,2 Prozent „public keys", also Miner-Fabriken in Asien. Die restlichen Adressen – rund 97 Prozent – und damit der überwiegende Teil der elektronischen Währung halten jeweils lediglich 0,1 bis 1 Bitcoin. Dies zeigt, wie breit die Verteilung auf die jeweiligen Adressen ist, was mögliche Ansteckungs- und Übertragungseffekte auf die reale Wirtschaft gering erscheinen lässt. Aufgrund der niedrigen Bitcoin-Werte nehmen wir an, dass die Bestände nicht kreditfinanziert sind. Der Anteil des derivativen Handels als auch die Marktkapitalisierung von ICOs in Relation beispielsweise zur Geldmenge ist zu gering, um von einer Gefährdung der Finanzstabilität zu sprechen. ICOs sind grenzüberschreitend. Daher können sie – soll die Regulierung zielführend sein – nur global reguliert werden.
Wir betrachten Bitcoins als reine Recheneinheiten. Allerdings erscheinen digitale Recheneinheiten weder aus ökonomischer noch aus ökologischer Sicht effizient. Ökologisch deswegen nicht, weil zur Generierung der Kryptos ein hoher Stromverbrauch erforderlich ist, der bei Verwendung nicht-erneuerbarer Energien zu erheblichen Umweltbelastungen führt. Kryptowährungen erfüllen die Kernfunktionen von Geld – Wertspeicher, Zahlungsmittel und Recheneinheiten – nur sehr eingeschränkt. Viele Kreditinstitute, aber auch Industrieunternehmen haben Projekte mit dem Ziel gestartet, die Blockchain-Technologie auf mögliche Elemente zur Nutzung in ihren Firmen zu untersuchen. Die ursprüngliche Blockchain-Technologie, von Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto, bedarf jedoch noch einer deutlichen Weiterentwicklung, bis sie eine relevante und damit effiziente Übernahme in die Kreditwirtschaft oder Industriebetriebe leisten kann.
Die Kursentwicklung von Kryptowährungen wird medial gern in die Nähe von Übertreibungen gebracht. Die Phänomene einer Spekulationsblase, wie die 2000er-Dotcom-Blase oder die weltweite Finanzkrise ab 2007, haben immer zu Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft geführt. Bei der weiteren Entwicklung der Kryptowährungen wird es spannend sein zu beobachten, welche Veränderungen durch die Blockchain-Technologie in Geschäftsprozessen und Wertschöpfungsketten entstehen werden. Schlussendlich wird sich auch der ICO-Markt konsolidieren, entweder durch Vorgaben von außen oder durch die natürlichen Kräfte von Angebot und Nachfrage. Nicht zuletzt wird die Regulierung hier ihre Spuren hinterlassen, sollten sich ICOs international etablieren.
Die Politik bleibt jedoch vorerst noch in Lauerstellung. So beschlossen die Finanzminister beim letzten G20-Gipfel im März, dass sie Kryptowährungen wie der Bitcoin aufmerksam beobachten werden. Konkrete Maßnahmen zur Regulierung wurden jedoch nicht beschlossen.