Die Rechtspopulisten haben nach ihrem Stimmenzuwachs eine große Hebelwirkung
Zwar ist in Schweden der ganz große Rechtsruck ausgeblieben. Viele hatten befürchtet, dass die rechtspopulistischen Schwedendemokraten bei der Parlamentswahl am Sonntag zur stärksten politischen Kraft werden könnten. Doch die Partei, die 1988 von Neonazis mitgegründet wurde, kam immerhin auf knapp 18 Prozent und damit auf Platz drei.
Dies hat gereicht, um das politische Establishment in dem skandinavischen Land durchzuschütteln. Die bislang regierenden Sozialdemokraten erhielten zwar am meisten Stimmen, fuhren aber mit weniger als 30 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Noch mehr verloren die Moderaten, die nicht einmal die 20-Prozent-Marke erreichten. Damit verfügt weder das rot-grüne noch das konservativ-liberale Lager über eine Mehrheit. Das gibt den Schwedendemokraten eine große Hebelwirkung: Sie werden versuchen, sich als Königsmacher anzubieten. Nicht auszuschließen, dass sich die Moderaten in einer Minderheitsregierung von ihnen stützen lassen.
Schweden gehört damit zur rechten Welle, die über Europa schwappt. In Italien gibt Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini den Ton an. In Österreich sitzen die Rechtspopulisten ebenso im Kabinett wie in Finnland oder Norwegen. In Dänemark tolerieren sie den konservativen Ministerpräsidenten Lars Rasmussen.
Vom Macron-Effekt ist weit und breit nichts zu sehen. Viele hatten die Hoffnung, dass der Wahl-Triumph des charismatischen Pro-Europäers Emmanuel Macron bei den französischen Präsidentschaftswahlen im Mai 2017 einen Damm gegen die Rechtsaußen-Parteien setzt. Das hat sich als Illusion entpuppt.
Der Stimmenzuwachs der Schwedendemokraten ist kein Zufall. Ihre schlagkräftigsten Programmpunkte decken sich mit denen der anderen Rechtspopulisten in Europa: Stopp bei der Aufnahme von Flüchtlingen, Nein zu mehr EU. Zu lange hat sich das Land auf den Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht. Das einst weltweit gefeierte Modell vom Wohlfahrtsstaat funktioniert nicht mehr.
Zwar ist Schweden – wie Deutschland – ein reiches Land. Doch die guten makroökonomischen Zahlen treffen längst nicht auf alle zu. Die Globalisierung hat Konsequenzen für Staat und Wirtschaft. Die öffentliche Hand kürzt Leistungen, um den Haushalt einigermaßen stabil zu halten. Viele Firmen haben sich schlank aufgestellt, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein. Das führt dazu, dass sich viele abgehängt fühlen. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Das Renten-Niveau sinkt, die Altersarmut nimmt zu.
Diese brennenden sozialen Fragen wurden in Schweden durch die Flüchtlingspolitik verschärft. Seit 2015 hat das Land gemessen an der Bevölkerungszahl am meisten Migranten in Europa aufgenommen: Die Sozialdemokraten wurden nun für ihre Willkommenspolitik abgestraft. Viele fühlten sich dadurch überfordert – vor allem Menschen auf der unteren Lohn-Skala. Deshalb geht der Aufschwung der Rechtspopulisten mit dem Niedergang der Sozialdemokraten einher. Arbeiter und Arbeitslose geben der traditionellen „Schutzmacht der kleinen Leute" zunehmend den Laufpass. Ein Phänomen, das sich in ganz Europa beobachten lässt.
Schwedens sozialdemokratischer Ministerpräsident Stefan Löfven versuchte seine Haut zu retten, indem er sich mit der Forderung nach rigorosen Abschiebungen inhaltlich auf die Schwedendemokraten zubewegt hat. Das haben die Wähler als taktisches Manöver durchschaut.
Sozialdemokraten wie Konservative in der EU sollten sich in der politischen Diskussion ehrlicher machen. Das ist eine der Lektionen der Schweden-Wahl. Dabei gilt es, einige Wahrheiten zu berücksichtigen: Für einen Verteil-Mechanismus von Migranten gibt es keine Mehrheit. Die Integration von Flüchtlingen lässt sich nicht mit ein paar Kursen in Deutsch und Staatsbürgerkunde leisten. Es ist eine Herkulesaufgabe, Menschen aus einem völlig anderen politischen, kulturellen und religiösen Umfeld in europäische Gesellschaften einzugliedern.
Die neu Ankommenden haben zudem eine Bringschuld, sich den hiesigen Normen und Gepflogenheiten (Demokratie, Gleichberechtigung von Mann und Frau) anzupassen. Und: Der Schutz der Außengrenzen muss noch wichtiger genommen werden. Wer all dies ignoriert, nimmt den weiteren Vormarsch der Rechtspopulisten bei den Europawahlen im Mai 2019 in Kauf.