Klimaexperte Benjamin Bodirsky vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung über den Methanausstoß von Kühen, warum die Landwirtschaft aus Klimaverhandlungen ausgeklammert wird und Konsumenten dringend deutlich weniger Fleisch essen müssten.
Herr Bodirsky, wie stark schadet die Landwirtschaft unserem Klima?
Aus der Landwirtschaft kommen 20 bis 25 Prozent der globalen Treibhausgase. Das ist eine ähnliche Größenordnung wie der Transportsektor und damit erheblich. Diese Treibhausgase aus der Landwirtschaft sind natürlich indirekt dadurch getrieben, was wir essen, wie viel wir essen und auch was wir wegwerfen. Die Weltbevölkerung nimmt weiter zu, und durch die steigenden Einkommen steigt insbesondere der Fleischkonsum stark an. Wenn die Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten nicht umstellen, werden wir bis 2050 etwa 60 Prozent mehr Nahrungsmittel produzieren müssen.
Als besonderes Problem in der Fleischproduktion wird immer wieder der Methanausstoß von Rindern angesehen. Was hat es damit auf sich?
Wiederkäuer wie Kühe, und auch Ziegen und Schafe, haben die besondere Fähigkeit, dass sie Gras fressen können. Ihre Mägen kann man sich wie kleine Biogasanlagen vorstellen. Da kommt im Grunde schwer verdauliches Grünzeug rein, wird aufbereitet, und dabei entstehen sozusagen Abgase. Das ist Methan, ein sehr starkes Treibhausgas. Wir haben auf der Erde die Anzahl der Tiere im Vergleich zu dem natürlichen Zustand des Planeten sehr, sehr stark erhöht. In Bezug auf ihr Lebendgewicht machen wilde Säugetiere heute nur noch circa zehn Prozent des Gewichts unserer Nutztiere aus, die wir zur Nahrungsmittelproduktion halten. Das wirkt sich natürlich auf das Gleichgewicht unseres Klimas aus.
In welchen Ländern werden denn besonders viele Kühe gehalten?
Die großen Rinderhaltungsländer sind zum Beispiel Brasilien und Argentinien. Aber Rinder gibt es fast überall. In Deutschland liegt der Schwerpunkt eher auf der Schweinehaltung.
Kühe und auch alle anderen Nutztiere produzieren indirekt noch ein anderes problematisches Gas.
Ja, das Lachgas. Das entsteht, wenn man den Tierdung lagert oder aufs Feld bringt. Die vielen Tiere, die weltweit gehalten werden, brauchen natürlich viel Futter. Deshalb wird sehr viel angebaut und muss auch viel gedüngt werden. Von der Menge an Dünger weltweit wird nur ungefähr die Hälfte von den Pflanzen aufgenommen. Die andere Hälfte gerät in die Umwelt und führt zu Stickstoffverschmutzung. Zum Teil landet der Stickstoff im Grundwasser, was zur Algenbildung in unseren Seen führt. Zum Teil geht er in die Luft als Ammoniak, der dann zum Beispiel zur Feinstaub- und Ozonbildung führt, und ein kleiner Teil, etwa ein Prozent, geht in Form von Lachgas in die Atmosphäre. Lachgas ist ein sehr starkes Treibhausgas – und es bleibt sehr lange in der Atmosphäre.
Welche Lösungen gibt es?
Der erste Schritt wäre, dass die Konsumenten ihr Essverhalten ändern. Wir schmeißen unglaublich viele Nahrungsmittel weg. Fast ein Drittel unserer Nahrungsmittel in Deutschland landet in der Tonne. Wir könnten deutlich weniger tierische Produkte, besonders Fleisch, essen. Das hätte positive Folgen für die Umwelt. Wenn in reichen Ländern der Fleischkonsum auf die Hälfte des aktuellen Verbrauchs reduziert würde, würde uns das sehr stark helfen. Damit würden die Treibhausgase aus der Landwirtschaft um ein Drittel fallen. Auch die Stickstoffverschmutzung könnten wir auf ein erträgliches Niveau runterbringen. Fürs Klima wäre das ein notwendiger Schritt zum Einhalten des Zwei-Grad-Ziels.
Was sollte von Seiten der Politik passieren?
Diese könnte zum Beispiel dafür sorgen, dass ausgewogenes Essen in unseren Schulen und Kitas angeboten wird. Momentan ist unsere Schulversorgung vielfach eher unzulänglich. Da könnte der Staat etwas tun, um das Verständnis von Nachhaltigkeit zu fördern.
Aber das sind Entwicklungen, die viel Zeit brauchen. Beim Klimaschutz ist es 5 vor 12.
Wir kommen um die langfristigen Sachen nicht herum. Wenn wir das Klima wirksam stabilisieren wollen, dann müsste neben den ganz großen Punkten Kohleausstieg und Fortschritt bei den erneuerbaren Energien bis 2050 der Fleischkonsum stark reduziert werden. Man kann die Leute überzeugen, weniger Fleisch zu essen. Dann könnte die Menge an Tieren in der Landwirtschaft reduziert werden, was absolut sinnvoll wäre. Auf Seiten der Produzenten wäre es sehr wichtig, die existierende Tierhaltung viel nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten. Das gerade neu verabschiedete Gesetz zur Stickstoffbilanz auf Höfen ist ein erster guter Schritt, es muss aber verschärft werden, damit noch weniger Stickstoff in die Umwelt gerät. Die Bauern könnten viel tun, zum Beispiel effizienter düngen. Und das Fleisch ist viel zu billig. Wenn die Umweltschäden, die bei der Produktion erzeugt werden, von den Erzeugern bezahlt werden müssten, würde das zu ehrlichen Preisen führen, und nachhaltige Produktion würde sich dann lohnen.
Welche Maßnahmen müssten weltweit ergriffen werden?
Ein sehr wichtiger Schritt wäre ein weltweites Klimaabkommen, das die Landwirtschaft mit einbezieht. Das würde schon sehr viel verändern. Ein Drittel der Landfläche der Erde wird für landwirtschaftliche Produktion genutzt. Die Landwirtschaft ist aber leider momentan größtenteils aus den aktuellen Verhandlungen ausgeklammert.
Warum denn?
Das ist der Geschichte geschuldet, weil die Emissionen aus der Landwirtschaft eine viel größere Unsicherheit haben und dadurch schwerer zu regulieren sind. Man kann sie nicht so einfach messen. Man kann sie nur schätzen. Aber klar ist, dass ihr Beitrag erheblich ist. Und zumindest auf europäischer Ebene wäre es technisch durchaus möglich, die Landwirtschaft da mit einzubeziehen. Auch wenn man die Emissionen stark reduzieren kann, ist es im Unterschied zur Energieerzeugung jedoch leider nicht möglich, die Umweltschäden aus der Landwirtschaft ganz zu vermeiden. Jede noch so nachhaltige Landwirtschaft verursacht Emissionen.
Müssen wir irgendwann komplett weg vom Fleisch?
Eine Halbierung unseres aktuellen Fleischkonsums wird auch von Ernährungswissenschaftlern aus Gesundheitsgründen empfohlen. Es geht ja nicht nur wegen der Umwelt nicht mehr, da gibt es auch noch die Fragen der Tierethik oder der Antibiotikaresistenzen.
Gerade in der jungen Generation gibt es immer mehr Vegetarier und Veganer. Aber ob wir so einen Punkt wirklich erreichen, wo es sich vollständig umdreht, hängt stark davon ab, wie sich die gesellschaftliche Meinung zu Fleisch entwickelt.
Gesellschaftliche Veränderungen brauchen Zeit. Haben wir die noch?
Wir müssen in wenigen Jahren umsteuern, wenn wir den Klimawandel auf zwei Grad begrenzen wollen. Die Möglichkeiten für nachhaltiges Wirtschaften liegen auf dem Tisch. Jedes Jahr, das wir länger brauchen, treibt die Kosten in die Höhe. Jedes Jahr, das wir warten, ist verheerend.