Die Krise an den Finanzmärkten, die 2008 über den Globus rollte, wurde nicht zur Staatskrise: ein Blick auf eine Entwicklung, die bis heute nachwirkt, und welche Lehren die Politik daraus gezogen hat.
Vor ziemlich genau zehn Jahren war der Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise erreicht. Von Amerika kommend rollte sie über den ganzen Globus und fand ihren Höhepunkt am 15. September 2008 mit der Pleite der Lehman Brothers Bank.
Befürchteten viele damals noch, dass die Banken und die Wirtschaft weltweit zusammenbrechen würden, die Arbeitslosenzahlen explodieren und unser Wohlstand immer mehr verlorenginge, so stellen wir heute für Deutschland fest: Die Banken sind stabilisiert, nach dem Konjunktureinbruch boomt die Wirtschaft wieder, und wir haben eine extrem niedrige Arbeitslosenquote. Vor allem: Die Finanzkrise wurde keine Staatskrise!
Wie kam es dazu? Laxe Richtlinien bei der Kreditvergabe und die Niedrigzinspolitik der US-Notenbank hatten dafür gesorgt, dass es sogar nicht kreditwürdigen Personen in den USA plötzlich möglich war, sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. In diesem sogenannten Subprime-Segment, dem Segment für riskante Kredite, entstand ein Immobilienboom, an dem jeder teilnehmen und auch verdienen wollte. Um ihr Risiko aus den Immobilienkrediten vermeintlich zu reduzieren, wandelten Banken die Kredite in renditeträchtige Anlageformen um (Strukturierung) und verkauften dann diese (Verbriefung). Schützenhilfe leisteten schließlich auch noch die Rating-Agenturen, die die strukturierten Papiere viel zu hoch bewerteten. Dank hoher Renditen fand das Angebot bei Banken, Versicherungen und Investmentfonds weltweit reißenden Absatz.
Hohe Renditen bei niedrigen Zinsen
Als die Zinsen wieder stiegen, konnten viele Amerikaner ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen, und ein Domino-Effekt trat ein. Die verbrieften Kredite, die als strukturierte Wertpapiere gehandelt wurden, verloren rapide an Wert und wurden somit zu „toxischen Wertpapieren". Banken auf der ganzen Welt – insbesondere die Investmentbanken – mussten enorme Abschreibungen vornehmen, kamen in Existenznöte und mussten vielfach von den Staaten gestützt werden. Aus der US-Immobilienkrise wurde eine globale Finanzkrise.
Weltweit war Krisenmanagement angesagt: Zentralbanken senkten Zinsen, Länder stellten enorme Summen zur Finanzmarktstabilisierung zur Verfügung und stützten mit Konjunkturprogrammen vor allem den notleidenden Mittelstand. Deutschland, das als Exportnation besonders unter den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise litt, rutschte in eine Rezession, dennoch blieb die Regierung handlungsfähig. In der Krise hat sich eine deutsche Besonderheit zum wiederholten Male bewährt: Dass die Kreditversorgung des Mittelstandes weiter gewährleistet war, ist im besonderen Maße den Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu verdanken. Die Strategie, die dort verfolgt wurde, als andere sich in Finanzprodukte gesetzt hatten, die mit einer realen Wertschöpfung wirklich nichts mehr zu tun hatten, wurde vor der Krise als bieder und wenig zukunftsgerichtet bezeichnet; solide und weitsichtig trifft wohl eher zu.
Das Saarland selbst war – aufgrund seiner hohen Exporte – besonders von der Krise betroffen. In der Folge sank die reale Wirtschaftsleistung im Saarland 2009 um mehr als zehn Prozent, mehr als doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt. Doch die Landesregierung hat sich frühzeitig der tiefgreifenden und schwerwiegenden Strukturkrise gestellt. Mit dem Konjunktur- und Investitionsprogramm Saar wurde ein umfangreiches saarländisches Konjunkturprogramm unter Einbeziehung von Maßnahmen des Bundes auf den Weg gebracht, um eigene Wachstumskräfte im Land freizusetzen. Der Maßnahmenkatalog umfasste eine Drei-Säulen-Strategie und zielte darauf ab, Arbeitsplätze durch eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsoffensive zu erhalten, die Liquidität wettbewerbsfähiger Unternehmen zu sichern und damit Arbeitsplätze zu erhalten sowie durch ein Konjunkturpaket (mit einem Volumen von rund 260 Millionen Euro) die Binnennachfrage zu stärken.
Aufweichen der Regeln kritisch zu bewerten
Diese Maßnahmen kamen zum richtigen Zeitpunkt und wirkten sofort. Im Jahr darauf erholte sich die Wirtschaft, und auch der private Konsum trug seinen Teil zum Wachstum bei. Mit ihrer Politik hatten die Bundes- und die Landesregierung mithin das einzig Richtige zur Bekämpfung der Krise getan.
Aus der Krise lassen sich drei Lehren ziehen: Zum einen brauchen Finanzmärkte einen stabilen Ordnungsrahmen. Völlig zu Recht wurden daher in den vergangenen Jahren die aufsichtsrechtlichen Regelungen in vielen Bereichen verschärft. Um nur einige Beispiele zu nennen: Direkt nach der Krise wurden die internationalen Maßstäbe durch den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht mit „Basel III" angepasst. Dies führte unter anderem zu wesentlich höheren Anforderungen an die Qualität und Quantität der Risikodeckungsmassen sowie zu neuen Liquiditätsanforderungen. Darüber hinaus wurden die Bestimmungen zum Anlegerschutz verbessert und die Transparenzanforderungen erweitert. Klar ist: Die Steuerzahler können nicht für jedes Management-Versagen einspringen. Vor diesem Hintergrund ist der politische Kurs der amerikanischen Administration zur Aufweichung der Finanzmarktregulierung kritisch zu werten.
Die zweite Lehre: Wir müssen in guten Zeiten unsere Hausaufgaben machen, um für die schlechten Zeiten vorbereitet zu sein. Deshalb nutzen wir jetzt die guten Rahmenbedingungen und treffen Vorsorge. So will das Saarland gemäß Regierungsentwurf für den Doppelhaushalt 2019/20 in den beiden kommenden Jahren Schulden in Höhe von zusammen mehr als 160 Millionen Euro tilgen und die Neuverschuldung auf null absenken. Darüber hinaus schaffen wir uns Finanzpolster, denn die nächste Krise kommt bestimmt. Wir investieren jetzt in die Zukunft unseres Landes, schaffen Wettbewerbschancen und steigern damit seine Attraktivität.
Und die dritte Lehre aus heutiger Sicht: Wir müssen auch zukünftig vorausschauend und entschlossen handeln, damit aus einer Finanz- oder Wirtschaftskrise keine Demokratiekrise wird. Gerade in Krisenzeiten erwarten die Bürger nämlich einen handlungsfähigen Staat. Die Tatsache, dass Deutschland – im Gegensatz zu leider nicht wenigen anderen europäischen Ländern – politisch stabil aus der Krise herausgekommen ist, ist auch das Ergebnis eines guten Krisenmanagements von Bund und Ländern. In Zeiten eines wiederaufkommenden Populismus und Extremismus ist gerade diese Erkenntnis Mahnung und Auftrag zugleich.