Warum Autos heutzutage immer hässlicher werden
Über Geschmäcker kann man bekanntlich nicht streiten, das wussten schon die alten Lateiner. Aus diesem Grunde ist das, was Schönheit ist, heute keiner generellen Norm unterworfen. Schönheit ist nicht skalierbar nach metrischen Normen, lässt sich nicht wiegen, zählen, messen wie Kartoffeln, Entfernungen oder PS.
Und trotzdem gibt es Schönheits-Ideale, idealistische Vorstellungen von Formen – neumodisch Design – und Farben, von dem, was nach dem Auge des Betrachters schön und was hässlich ist. Maßgebend dafür bis zum heutigen Tage sind die kulturellen Erben aus den Zeiten der Romantik und des Klassizismus. Damals bestimmten in Architektur und Bildhauerei die Formen und Verse des klassischen Altertumes das Ideal von Schönheit.
Das ist uns bis heute geblieben: Geistiger Vater und Schöpfer des heute noch gültigen Schönheitsideals war Johann Joachim Winckelmann (1717 – 1768), der als Begründer von wissenschaftlicher Archäologie und Kunstgeschichte sowie vor allem des Klassizismus im deutschsprachigen Raum gilt. Für Winckelmann war es die höchste Aufgabe der Kunst, die Schönheit darzustellen.
Diese klassizistischen Formensprachen haben als Schönheitsideale bis heute Gültigkeit und bestimmen das Design moderner Industriegüter – auch das von Automobilen. Oder besser gesagt, sie sollten das Design moderner Automobile bestimmen. Leider sieht die Wirklichkeit anders aus. Auch wenn Designfragen natürlich immer auch Geschmacksfragen sind, gibt es im modernen Automobildesign doch Entwicklungsrichtungen, die nicht mehr einfach unter der Bezeichnung „anderer Geschmack" abgetan werden können. Charakterisierende Bezeichnungen unter Automobilexperten dafür sind: „Fahrbarer Dauerlutscher von Playmobil" (Georg Kacher) oder „Ziegelstein auf Rädern" (Stefan Mayr).
Beispiele für solche Design-Ausrutscher finden sich nach deren Meinung quer durch die gesamte heutige Automobilpalette der internationalen Automobilindustrie – ob Premium- oder Massenhersteller. Da werden neusten Modellen der deutschen Nobel-Hersteller „Leuchtgirlanden eines Lincoln aus der Bush-Ära" angehängt, sie werden als „elektronisch aufgepepptes schwäbisches Biedermeier" bezeichnet, andere als „aufgedunsene Serienautos, grobschlächtig und wie mit dem Hackebeil entworfen" oder als „Discount-Straßenmöbel schlichtester Machart" empfunden.
Neueste Automobile japanischer und koreanischer Provenienz mit modernster Hybrid- und Wasserstofftechnik, beide bei den Emissionen und der Umweltfreundlichkeit vorbildlich, werden von der „Optik her rein zum Fremdschämen" bewertet! Und die konzeptionelle Innovation eines Streetscooters oder Elektrokleinbusses „Ego Mover" sticht ins Auge des kunstsinningen Betrachters als schlichter Backstein mit Elektroantrieb.
Galt zu Bauhaus-Zeiten noch die Formel „Form schlägt Funktion", so hat sich das im modernen Automobildesign fast umgekehrt: „Funktion schlägt Form". Doch warum ist das so? Warum wird das Automobildesign immer konformer und hässlicher?
Das ist der Fluch der Technik! Erhöhte Sicherheitsanforderungen, der Trend zum Elektroantrieb mit und dem Zwang zum maßvollen Fahren der Reichweite wegen, vor allem der Trend zum selbstfahrenden Roboterauto-Image mit zwangsläufiger genereller Geschwindigkeitsbegrenzung auch in Deutschland haben verhängnisvolle Rückkopplungen auf das Automobildesign. Wenn man sich als Käufer eines Automobils nicht mehr mit der Imagewirkung von PS, Protz und Prunk schmücken kann und an die Stelle von Höchstgeschwindigkeiten niedrige Emissionen wegen drohender Fahrverbote, Verbräuche, Reichweiten oder der Trend zum fahrbaren, vernetzen Büro die Kauf-Motive bestimmen, tritt das Design in den Hintergrund.
Anders ausgedrückt, wer nur ein Auto braucht, um von A nach B zu kommen, dem ist Design ziemlich egal. Dann kann das Auto aussehen, wie es will. Hauptsache es fährt und man kommt mit niedrigen Kosten ans Ziel.
Fakt ist: Das Auto verliert seinen Kultstatus, an die Stelle des Schönheitsideals treten technische Effizienz und niedrige Kosten. Dann haben auch rollende China-Kracher eine Chance!