Der neue Renault Mégane R.S. ist mit 280 PS das Sportgerät der etablierten Baureihe. Im Test offenbart er renntaugliche Fahrwerkstechnik.
Geht es um Sportwagen, wird es schon mal laut auf Aktionärsversammlungen bei Renault in Paris. Den Sinn und Zweck solcher Boliden stellen die Kapitalgeber in schöner Regelmäßigkeit infrage. Genau dieses Angebot aber, argumentiert dann die Konzernspitze, halte die einst so erfolgreiche Sporttradition der Marke am Leben. Allein aus Marketinggründen habe das Ganze durchaus seine Berechtigung, weshalb das Kürzel R.S. ersonnen wurde, in Anlehnung an „Renault Sport". Dass sich Hochpreisprodukte unter diesem Kürzel naturgemäß nur in überschaubaren Mengen verkaufen, macht das Geldausgeben für ihre Entwicklung nicht leichter. Bislang aber hält man in Paris eisern fest an der konzerneigenen Mucki-Bude. Seit wenigen Wochen ist das neueste Sportgerät im Handel: der Mégane R.S.
Zu erkennen ist er vor allem an einer auffälligen LED-Lichtsignatur vorne. Drei Leuchtmodule sind jeweils weit außen in die Frontschürze integriert. Der Grill des R.S. trägt eine ihm innerhalb der Mégane-Familie vorbehaltene Wabenstruktur, am Heck fällt ein großer Diffusor ins Auge. Ansonsten ist er optisch ein Mégane wie seine Brüder – etwas tiefer halt, ein wenig breiter und nur ein kleines bisschen wilder. Vorbei ist die Zeit der Krawallbüchsen im Gordini-Retro-Design mit Kriegsbemalung bei Renault. Von lauten (Wunsch-)Farben abgesehen, wirkt das Gesamtensemble angenehm dezent. Feuer haben die Entwickler stattdessen unter die Haube gelegt und einen Motor in den Mégane verfrachtet, der auch für den Espace entwickelt wurde: einen 1,8-Liter-Reihenvierzylinder in DOHC-Bauweise mit knusprigen 280 PS. Kombiniert wird die Maschine mit einem Sechs-Gang-Doppelkupplungsgetriebe.
Mächtig Feuer unter der Haube
Bereits das Einfahren verläuft vielversprechend. Mehr Motorsound im untertourigen Bereich geht nicht. Die tempoabhängige Servolenkung reagiert auch bei niedrigen Geschwindigkeiten schön direkt, die Sitzposition lässt sich sehr individuell einstellen – all das passt schon mal gut.
Also ran an einen forscheren Fahrstil. Auch bei eher hektischem Gebrauch des Gaspedals schiebt die Doppelkupplungsbox die Gänge treffsicher nach. Beim Fahrwerk lag das Entwicklungsziel vermutlich eher in der Auslotung physikalischer Grenzen als im Bedienen französischer Komfort-Klischees. Vorne arbeitet an der MacPherson-Achskonstruktion eine Radaufhängung mit entkoppelter Lenkachse, unteren Querlenkern und Querstabilisator. Das komplett aus Aluminium gefertigte Konstrukt stammt aus dem Rallyesport. Hinten werkelt eine H-förmige Verbundlenkerachse. Die Spurweiten sind vorne mit 1,63 Meter und hinten mit 1,61 Meter etwas breiter als bei den übrigen Mégane, was dem Einlenkverhalten in Kurven zugutekommt. Heckseitige Lastwechsel sind jedenfalls kaum spürbar.
Und noch etwas Überraschendes brachte die Testfahrt rund um den Nürburgring zutage. Im R.S. arbeiten Stoßdämpfer mit hydraulischen Endanschlägen – eine Finesse, die bislang nur aus dem Rallyesport bekannt ist. Solche Dämpfer absorbieren Energie deutlich effizienter als konventionelle Systeme mit mechanischem Anschlag. Da es bei ihnen zu kaum einer Rückfederung kommt, ist der R.S. auch auf schlechteren Strecken einwandfrei kontrollierbar.
Zudem macht es Sinn, dass Renault seine Allradlenkung namens 4Control auch im neuen R.S. verbaut. Unterhalb von 60 km/h – im einstellbaren „Race"-Modus 100 km/h – lenken die Hinterräder leicht mit maximal 2,7 Grad in entgegengesetzter Richtung zu den Vorderrädern ein. Das wirkt wie eine Verkürzung des Radstandes – gut fürs Handling. Oberhalb dieser Fahrgeschwindigkeiten steuern die Hinterräder stattdessen in die gleiche Richtung wie die Vorderräder. Damit wirken alle Räder der Fliehkraft entgegen, die üblicherweise in Kurven die Hinterräder nach außen drückt. Das erhöht die Kurvenstabilität, was angesichts der Fahrleistungen dieses Boliden durchaus beruhigend ist.
Knackiger Preis für viel Fahrspaß
Der Testwagen bringt es in nicht mal sechs Sekunden von Null auf Hundert, schafft locker 250 km/h Spitze und hat jede Menge Kraftreserven bei Drehmomenten von bis zu 390 Newtonmetern. Das sind renntaugliche Werte, und genau so fühlt sich das Ganze auch an. Die niedrig gezogenen Seitenfenster, die lang nach vorne laufende Frontscheibe, die schwarze Inneneinrichtung und die extrem hohen, wulstigen Seitenführungen der Sitze vermitteln einen Eindruck, als säße man im Inneren eines Integralhelms. Das Ein- und Aussteigen erfordert ein gewisses Maß an körperlicher Agilität, im Idealfall auch Normalgewicht. Eine Sicht auf die beiden Bug-Enden nach hinten ist de facto nicht vorhanden. Super, es lebe die pure Unvernunft.
Wo also ist der Argumentationskompromiss zu finden, um das Auto zu kaufen? Ein R.S. in Topausstattung ermuntert Renault schließlich dazu, dafür mehr als 40.000 Euro aufzurufen. Aber: Auch der R.S ist und bleibt ein Mégane und somit Sprössling einer der erfolgreichsten Baureihen weltweit. Das wird man nur mit alltagstauglichen Werten. Solche Vorzüge finden sich auch im Boliden wieder. 425 Kilo Zuladung etwa und ein Gepäckraumvolumen bis zu 1.247 Kilo – das ist urlaubstauglich. Hinzu kommen fünf Jahre Garantie, eine Haftpflichteinstufung der Klasse 17 und ein zumindest auf dem Papier akzeptabler Verbrauch von 6,9 Litern. Die Zubehörliste bietet alle Komfortintarsien der „normalen" Mégane-Reihe und ebenso sämtliche Assistenten für die Sicherheit. Das soll, so das Kalkül in Paris, durchaus den Sportsgeist fördern von Kunden, die bislang einen Bogen um solche Geräte machten.