Berufsfischer gibt es immer weniger, die Ausbildungszahlen gehen zurück. Die, die sich für das Fischereihandwerk entschieden haben, sind aber mit Leib und Seele dabei – ob an der Ostsee oder auf den Binnengewässern rund um Berlin. Sie haben ihre festen Kunden und können von ihrem Beruf leben.
Wenn das Wasser warm ist, so wie jetzt nach dem Sommer, müssen wir weiter rausfahren", sagt Fischer Paul Keppler. Dorsche haben es gern kühl. Seit vier Uhr ist er auf den Beinen und tuckert mit seinem Kutter über die Ostsee. Zur Verstärkung hat er seinen Mitarbeiter Alex an Bord. Nach etwa 45 Minuten Fahrt sind sie am Ziel. Jetzt heißt es: Netzte einholen. Fisch für Fisch zieht Paul aus dem Netz und wirft sie in eine Plastikkiste. „Ich schlachte die Dorsche gleich an Bord, sie werden sonst weich", sagt er und wirft die Innereien in die Ostsee. Sie fahren weiter, schlagen Haken auf See, um an die Fische zu kommen. Die Tricks auf See hat Paul schon von seinem Großvater gelernt. Mit acht Jahren war er zum ersten Mal beim Fischen dabei, seitdem wollte er nichts lieber als Fischer werden. Er absolvierte die Ausbildung zum Fischwirt und ist mit 24 Jahren einer der jüngsten Berufsfischer Deutschlands.
Acht bis zehn Stunden sind sie vor der Küste des Seebads Kühlungsborn unterwegs. Hier ist Paul Keppler aufgewachsen, hier fischt er am liebsten. Zurück im Hafen wuchtet er mit Alex die schweren Kisten aus dem Boot. Rund 140 Kilo Dorsch haben sie gefangen. Paul ist zufrieden.
Jeden Tag fährt er raus, ob es stürmt oder ruhig ist, bei Schnee und Sonnenschein. Mal machen sie ihre Tour tagsüber, mal in der Nacht. Im Februar und März ist Fangzeit für Heringe vor der Südküste der Insel Rügen. Danach kommen Schollen, Flundern und Dorsche, alles was Saison und Quote hergeben. Beim Hering sind beispielsweise 25.000 Tonnen erlaubt.
Nicht nur fischen, auch vermarkten
Dorsche fischt Paul am liebsten vor der Küste von Kühlungsborn, da ist er nicht so weit weg von zuhause. Als er den Kutter leermacht, wartet schon sein Vater Roberto Keppler auf die Beute. Die beiden sind ein gutes Team. Roberto Keppler packt den Fisch in den Lieferwagen und fährt los. Zum traditionellen Fischereibetrieb der Kepplers gehört noch eine Räucherei mit Fischladen, das Restaurant Fisch-Hus am Strand von Kühlungsborn und der Imbiss Paul’s Fischerhütte. „Vom Fischen alleine können die Fischer heute nicht mehr leben", sagt er und fährt seine Restaurants ab, um sie mit frischem Fisch zu versorgen.
Vor dem Laden neben der Räucherei in Kühlungsborn-West stehen die Fischfans schon Schlange. Hinter dem Tresen verkauft seine Frau Viola Keppler frisch gefangenen und frisch geräucherten Fisch, Fischbrötchen, eingelegten Matjes und viele andere Fischspezialitäten. Hier ist die ganze Familie im Einsatz. „Wir machen alles selbst", sagt Ricardo Keppler. Sie rollen den Rollmops mit der Hand, verwenden alte Familienrezepte für die Remouladen (keine Konservierungsstoffe!) und entwickeln ihr Angebot ständig weiter. Längst sind die Kepplers über Kühlungsborn hinaus eine Institution für frischen Fisch. Darauf wollen auch ausgewählte Restaurants und Hotels nicht verzichten.
Toralf Warncke, der Chefkoch vom Hotel Travelcharme, plant die Speisekarte für die Gäste und freut sich schon auf die nächste Lieferung. Ricardo kommt mit einer großen Kühlbox in die Küche und holt eine Lachsterrine, mehrere geräucherte Lachse, Matjes und Sahnehering heraus. Für Nachschub kommt er in zwei Tagen wieder. Nach der Tour haben sich Vater und Sohn ihr Lieblingsgericht verdient: frisch gebratener Dorsch mit Bratkartoffeln. Am nächsten Morgen geht es mit dem Kutter wieder raus auf die Ostsee „Fischen ist das Schönste", sagt er und freut sich, wieder auf dem Wasser zu sein.
Währenddessen holt Peter Meng südöstlich von Berlin auf den Seen um Erkner und Grünheiden seine Reusen und Netze ein. Wie Körbe zieht er die Reusen nach und nach aus dem Wasser. Seit dem frühen Morgen ist er mit seinem etwa sieben Meter langen Boot unterwegs, doch der lange Tag hat sich gelohnt. „Das war ein guter Fang, rund 100 Fische", sagt der Geschäftsführer der Fischerei Löcknitz in Neu Zittau bei Berlin.
Quoten sorgen für den Bestanderhalt
Zurück auf dem Hof dürfen seine Plötzen, Hechte und Zander im Becken noch ein paar Stunden weiter schwimmen. Einige werden lebend verkauft, andere küchenfertig an Feinkostgeschäfte, Restaurants und Hotels geliefert, und was übrig bleibt, isst der Fischer selbst. Von Karpfen oder Hecht im Ofen gebacken, kann der 57-Jährige nicht genug bekommen.
Peter Meng, der 1992 seinen Betrieb mit Räucherei eröffnet hat, vier Boote besitzt und zehn Mitarbeiter beschäftigt, ist wie sein Kollege Paul Keppler Fischer mit Leib und Seele. Schon als kleiner Junge hat er sich begeistert um sein Aquarium gekümmert und das Angeln für sich entdeckt. „Idealist muss man sein, es läuft nicht immer gut", sagt der Natur- und Wasserliebhaber mit Jagdinstinkt, der manchmal auch mit leeren Netzen zurückkommt. Mit seinen Mitarbeitern bewirtschaftet er eine gepachtete 2.000 Hektar große Fläche. Rund zehn Tonnen Fisch fängt er pro Jahr, darunter sind Aale, Zander, Hechte, Plötzen und Bleien.
Neben seinem Hofladen und den Lieferungen an seine Kunden aus der Gastronomie ist er mit seinen Fischen auch noch auf zwölf Wochenmärkten in und um Berlin vertreten. Die Fischerei Löcknitz bietet außerdem regelmäßig Themenessen an, in der Fische zubereitet, probiert und gegessen werden, sowie Räucherkurse mit reichlich Fischgenuss. Die selbstgemachten knusprigen Fischbouletten aus heimischen Süßwasserfischen zählen zu den Spezialitäten des Hauses.
Der Tag in der Fischerei beginnt morgens um sechs Uhr. „Unsere Verkaufsautos werden für die Märkte beladen, und mit meinen Lehrlingen und Gesellen gehe ich anschließend aufs Wasser", berichtet Meng. Sie werfen ihre Fanggeräte aus oder holen sie ein und sind sechs bis acht Stunden unterwegs. Am Abend wollen auch noch Büroarbeiten und Bestellungen erledigt sein.
Um den Fischbestand zu sichern und nachhaltig zu fischen, müssen an der Küste Fangquoten eingehalten werden. Auch die Berliner Seen werden nicht leer gefischt und beispielsweise mit drei Jahre alten Jungaalen besetzt.
So finden in regelmäßigen Abständen knapp 50.000 etwa sieben Gramm schwere Fischlein ein neues Zuhause. Bei guter Nahrung und warmen Sommern benötigen sie sechs bis neun Jahre, bis sie wieder im Netz der Fischer landen. „Der größte Teil wird aber als laichreifer Blankaal die Flüsse stromabwärts wandern, um sich im Sargassomeer von Mittelamerika fortzupflanzen", erklärt Meng.