Wir alle machen Fehler. Wie Sie aufrichtig um Verzeihung bitten, und was Sie tun können, wenn Ihr Gegenüber sich nicht entschuldigt, obwohl Sie es verdient hätten.
Sorry seems to be the hardest word" hat schon Elton John gesungen. Und tatsächlich tun sich manche Menschen schwer damit, sich zu entschuldigen. Oder aber die Bitte um Verzeihung kommt beim Gegenüber nicht richtig an, wirkt nicht glaubhaft und wird deshalb nicht angenommen. Situationen, in denen wir uns entschuldigen sollten, gibt es genug – Konflikte auf der Arbeit, Stress mit dem Partner oder Knatsch mit Freunden. Wie man sich am wirkungsvollsten entschuldigt, haben deshalb Forscher der Ohio State University untersucht und einen Sechs-Punkte-Plan entworfen. Sozialpsychologe und Studienleiter Roy Lewicki rät dazu, möglichst viele dieser Aspekte in seiner Entschuldigung abzudecken.
Zunächst einmal sollte, wer sich entschuldigen will, sein Bedauern ausdrücken. Im zweiten Schritt sei es hilfreich, genau zu erklären, was schief gelaufen ist und dann im dritten Schritt Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen. Weitere Teile des Plans sind, Buße zu erklären, Wiedergutmachung anzubieten und um Vergebung zu bitten. Ziel des Plans sei nicht, dass die Punkte nur abgearbeitet würden. Die Forscher konnten auch herausfinden, dass nicht alle Punkte gleich bedeutsam sind. Der wichtigste Aspekt war die Anerkennung der Verantwortung. Lewicki rät daher dazu, seinen Fehler zuzugeben. Das zweitwichtigste Element war das Anbieten der Wiedergutmachung. „Eine Sorge bei Entschuldigungen ist, dass es sich um leere Worte handeln könnte. Wenn man aber sagt ‚Ich kümmere mich darum, das wieder in Ordnung zu bringen‘, dann kann man den Fehler wiedergutmachen."
Wichtig sei auch, wie die Entschuldigung vorgebracht wird. Lewicki rät zu Augenkontakt und einem „angemessenen Gesichtsausdruck", also beispielsweise nicht zu lachen, wenn man vorhat, sich zu entschuldigen. Der häufigste Fehler bei der Entschuldigung sei das Wort „aber" – etwa in Formulierungen wie „Es tut mir leid, dass ich …, aber du hast ja auch …". Das „aber" nehme der Entschuldigung die Aufrichtigkeit, egal, was danach komme, erklärt es die US-amerikanische Psychologin und Therapeutin Harriet Lerner. Lerner hat sich in ihrer Arbeit als klinische Psychologin intensiv mit dem Entschuldigen auseinandergesetzt. Ein weiterer Fehler, so erklärt sie, sei, sich für die Gefühle zu entschuldigen, die man beim anderen ausgelöst hat. Wenn jemand beispielsweise sage: „Es tut mir leid, dass du auf der Party sauer warst, weil ich deine Erzählung korrigiert habe", übernimmt die Person, die sich entschuldigt, keine Verantwortung für ihr Handeln. Besser sei es, zu sagen: „Es tut mir leid, dass ich deine Geschichte korrigiert habe. Ich weiß, dass du das nicht magst. Das war nicht in Ordnung, ich verstehe das."
Lerner hat sich aber nicht nur damit beschäftigt, wie eine gute Entschuldigung funktioniert, sondern auch mit den Optionen, die Menschen haben, wenn sich niemand entschuldigt. Manche Menschen, so erklärt es die Psychologin, bekommen niemals die Entschuldigung, die sie verdienen. Denn obwohl jeder Mensch seine eigene Wahrheit hat, gibt es Situationen, in denen einer dem anderen so offensichtlich Schmerz zugefügt hat, dass eine Entschuldigung angebracht wäre. „Sie kennen das Gefühl, wenn sie absolut richtig liegen bei der Einschätzung einer Sache oder einer Situation. Sie können sich unmöglich irren, und trotzdem entschuldigt sich die andere Person nicht", erklärt es Lerner. Diese Erfahrungen würden alle Menschen auf die eine oder andere Weise machen. Aber wie soll man damit nun umgehen, dass diese Entschuldigung nicht kommen wird?
„Als wäre ich eine unbedeutende Person"
In ihrem Buch „Why won’t you apologize? Healing big betrayals and everyday hurts" erzählt Lerner von einer Patientin, die sie Margo nennt. Margo ist an einer bipolaren Störung erkrankt, pendelt also zwischen Depression und Manie. Nachdem sich ihr Freund von ihr getrennt hat, versucht sie, sich umzubringen. Als sie einige Zeit später wieder zur Universität geht, trifft sie sich mit einem Lehrer, der für sie immer eine wichtige Bezugsperson war. Er empfängt sie mit den Worten: „Es tut mir leid, von deinem Suizid-Versuch gehört zu haben. Ich war enttäuscht von diesem Versuch. Ich dachte nicht, dass du zu den Menschen zählst, die so etwas tun."
Margo war sehr verletzt nach dem Gespräch und wollte eine echte, wirklich gute Entschuldigung von ihrem Lehrer. Sie stellte ihrem Lehrer drei Seiten an Literaturtipps über bipolare Störungen zusammen, in der Hoffnung, dass er seine Ignoranz und seinen Fehler erkenne und aufrecht um Verzeihung bitten würde. Lerner riet ihr dazu, sich kurz zu fassen, ihn nicht mit Informationen zu überfluten. Die Wahrscheinlichkeit sei zu groß, dass ihr Lehrer ihr dann gar nicht zuhören würde und sich keine Information merken würde. Also schrieb Margo folgende sechs Sätze: „Ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil Sie immer eine sehr wichtige Person in meinem Leben waren. Ich kam zu Ihnen, weil ich Ihre Unterstützung benötigt habe. Es hat mich verletzt zu hören, dass ich Sie enttäuscht habe – als wäre ich eine Art Fehler. Ich habe Ihr Büro verlassen und mich gefühlt, als wäre ich eine unbedeutende Person, die Ihren Standards nicht genügen kann. Vielleicht glauben Sie das auch, aber es hat mir nicht geholfen, das zu hören. Ich muss Ihnen auch sagen, dass ich mich wegen meines Suizidversuchs nicht als Person von geringerem Wert sehe. Love, Margo". Margo hat keine Kontrolle darüber, wie ihr Lehrer reagiert. Er könnte den Brief zum Beispiel ignorieren oder ihr auf eine Art und Weise antworten, die ihr noch mehr Schuld beimisst. „Wir haben alle schon Entschuldigungen bekommen, die eigentlich gar keine waren und bei denen wir bereut haben, dass wir ein schwieriges Thema überhaupt angesprochen haben. Aber egal wie ihr Lehrer reagiert, wurde Margo zu einer stärkeren Person, weil sie ihre Gefühle mit Würde und Reife mitgeteilt hat", sagt Lerner. In Margos Fall reagierte ihr Lehrer mit Einsicht und entschuldigte sich ehrlich. Manche Menschen aber werden sich niemals entschuldigen, glaubt die Therapeutin. Je ernster die Verletzung, umso geringer sei die Wahrscheinlichkeit, dass es zu dieser Entschuldigung kommen würde.
Ein Mensch benötigt, um sich zu entschuldigen, ein gut ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Er muss in der Lage sein, seine Fehler zu erkennen und sie als einen Teil in das größere Bild einzuordnen, das ihn als Menschen ausmacht. Manche Menschen, erklärt Lerner, können nicht sehen, welchen Schmerz, Enttäuschungen oder Verletzungen sie verursacht haben, weil es sie in eine Identitätskrise stürzen würde. Sie würden ihre Fehler nicht als bloßen Teil sehen können, sondern würden dann übermannt werden von Gefühlen wie Scham und Wertlosigkeit. „Derjenige, der sich nicht entschuldigt, geht über ein Drahtseil der Verteidigung, das über eine riesige Schlucht voll von geringem Selbstwertgefühl gespannt ist", fasst die Therapeutin es in einem Bild zusammen.
Vergebung stärkt den Kontakt zum anderen
Wer auf eine Entschuldigung hofft, dem empfiehlt sie, sich an Margos Brief zu orientieren und sich auf die eigenen Gefühle zu konzentrieren, statt auf die andere Person. Wer sich entschuldigen sollte, dem rät Lerner, sich aus seiner Verteidigungshaltung heraus zu begeben, sich mit den Gefühlen zu befassen, die der Entschuldigung im Weg stehen und ehrlich für die Teile, die man selbst als Fehler anerkennt, um Verzeihung zu bitten.
Wenn uns Unrecht wiederfahren ist oder man sich nicht richtig verhalten hat, begleitet uns das weiter. Dabei können vielschichtige Emotionen wie Stolz, Trauer und Wut im Spiel sein, erklärt es der Psychologe Rene Proyer von der Universität Halle. Kommt es tatsächlich zur Vergebung, seien damit positive Emotionen wie Freude, Zufriedenheit, Stolz, Wohlbefinden und möglicherweise auch Liebe verbunden. Diese Gefühle könne man künftig nutzen. Außerdem stärke Vergebung den Kontakt zum anderen oder lasse ihn womöglich wieder aufleben.